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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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einem Dragoner- und einem Ulanenregimente von der anderen Seite angriff. Die
Franzosen wichen nun. und Bandamme stellte alle ferneren Angriffe ein. Der Tag
war gerettet; denn Barklay traf nun mit drei neuen Divisionen auf dem Schlacht¬
felde ein. Der Verlust der Truppen, die unter dem Prinzen Eugen gefochten hat¬
ten, betrug 6000 Mann, fast ein Drittel ihrer Stärke. Das zweite russische
Armeecorps, das die Hauptlast des Tages getragen hatte -- es hatte allein in
den Tagen vom 22. bis 30. August die Hälfte seines Bestands eingebüßt -- er-
hielt nicht den Lohn, den sein mit so viel Blut bezahlter Sieg verdiente. In
officiellen Berichten geschah seines Antheils an diesem für den ganzen Feldzug
entscheidenden Gefechte auch nicht mit einem Wort Erwähnung. Ycrmolvff,
der unmittelbar am Tage nach dem ersten Gefecht, am 29.. wieder in die Re¬
serve unter den Befehl des General Miloradowitsch trat, berichtete ni'er den
Antheil der von ihm commandirten Garden an diesen. Prinz Eugen blieb
auch am nächsten Tage im Gefecht und konnte erst am Abend sein Corps ganz
wieder vereinigen. Bereits am frühen Morgen des 31. aber erschien der
Armeebericht, in welchem Prinz Eugen und sein Corps gar nicht genannt
wurden. Die Gründe, weshalb der Prinz nicht nachträglich berichtete, wollen
wir mit seinen eigenen Worten anführen, um ihnen volle Gerechtigkeit wider¬
fahren zu lassen. Es ist viel Selbstverläugnung darin, aber trotz der Schön¬
heit dieser Tugend hätten wir dem Prinzen etwas mehr deutschen Fürstcnstolz
und männlichen Zorn über die ihn treffende unverantwortliche Zurücksetzung
gewünscht. Er sagt: "An wen sollte ich berichten? -- Meine nächste Instanz
war Graf Wittgenstein. -- Er stand noch jenseits des Erzgebirges, in Zinn¬
wald. -- Sollte ich dem Grafen Ostermann meinen Rapport einschicken? --
Ich hätte damit eine wahre Ironie zu begehen geglaubt. Ueberdies war er
verwundet, und ich erfuhr erst am 3. September seine Anwesenheit in Teplitz.
-" An General Barklay? -- In der Disposition, welche ich bei diesem Gene¬
ral gegen mich voraussetzen konnte, durfte ich nichts Anderes erwarten, als
ein Zurückweisen meines Berichts mit dem Bemerken, ich möge mich an meine
dienstlichen Instanzen wenden. -- Ein directer Brief an den Kaiser? -- O ja,
der hätte vielleicht den Nagel auf den Kopf getroffen; aber er wäre gleich-
lautend mit einer Anklage auf Tod und Leben gegen den eben erst siegreichen
General Barklay -- mit einer Beschimpfung des verwundeten Grafen Oster¬
mann und. bei der vorherrschenden Spannung zwischen Schwarzenberg und
Barklay das Mittel gewesen, einen Brandstoff in das bisherige EinVerständniß
im alliirten Hauptquartier zu werfen. -- Daß mein Unmuth alle Rücksichten
bei Seite setzen konnte, als ich den Armecbericht gelesen hatte, wäre erklärlich
gewesen; ehe ich ihn aber kannte, blieb es mir unmöglich, vorauszusetzen, daß
meine evidente Gegenwart beim rechten Flügclcorps und die gewichtige Mit¬
wirkung des zweiten russischen Corps bei demselben im Bericht mit Still-


Grenzlwtcn II. 1863. 23

einem Dragoner- und einem Ulanenregimente von der anderen Seite angriff. Die
Franzosen wichen nun. und Bandamme stellte alle ferneren Angriffe ein. Der Tag
war gerettet; denn Barklay traf nun mit drei neuen Divisionen auf dem Schlacht¬
felde ein. Der Verlust der Truppen, die unter dem Prinzen Eugen gefochten hat¬
ten, betrug 6000 Mann, fast ein Drittel ihrer Stärke. Das zweite russische
Armeecorps, das die Hauptlast des Tages getragen hatte — es hatte allein in
den Tagen vom 22. bis 30. August die Hälfte seines Bestands eingebüßt — er-
hielt nicht den Lohn, den sein mit so viel Blut bezahlter Sieg verdiente. In
officiellen Berichten geschah seines Antheils an diesem für den ganzen Feldzug
entscheidenden Gefechte auch nicht mit einem Wort Erwähnung. Ycrmolvff,
der unmittelbar am Tage nach dem ersten Gefecht, am 29.. wieder in die Re¬
serve unter den Befehl des General Miloradowitsch trat, berichtete ni'er den
Antheil der von ihm commandirten Garden an diesen. Prinz Eugen blieb
auch am nächsten Tage im Gefecht und konnte erst am Abend sein Corps ganz
wieder vereinigen. Bereits am frühen Morgen des 31. aber erschien der
Armeebericht, in welchem Prinz Eugen und sein Corps gar nicht genannt
wurden. Die Gründe, weshalb der Prinz nicht nachträglich berichtete, wollen
wir mit seinen eigenen Worten anführen, um ihnen volle Gerechtigkeit wider¬
fahren zu lassen. Es ist viel Selbstverläugnung darin, aber trotz der Schön¬
heit dieser Tugend hätten wir dem Prinzen etwas mehr deutschen Fürstcnstolz
und männlichen Zorn über die ihn treffende unverantwortliche Zurücksetzung
gewünscht. Er sagt: „An wen sollte ich berichten? — Meine nächste Instanz
war Graf Wittgenstein. — Er stand noch jenseits des Erzgebirges, in Zinn¬
wald. — Sollte ich dem Grafen Ostermann meinen Rapport einschicken? —
Ich hätte damit eine wahre Ironie zu begehen geglaubt. Ueberdies war er
verwundet, und ich erfuhr erst am 3. September seine Anwesenheit in Teplitz.
-» An General Barklay? — In der Disposition, welche ich bei diesem Gene¬
ral gegen mich voraussetzen konnte, durfte ich nichts Anderes erwarten, als
ein Zurückweisen meines Berichts mit dem Bemerken, ich möge mich an meine
dienstlichen Instanzen wenden. — Ein directer Brief an den Kaiser? — O ja,
der hätte vielleicht den Nagel auf den Kopf getroffen; aber er wäre gleich-
lautend mit einer Anklage auf Tod und Leben gegen den eben erst siegreichen
General Barklay — mit einer Beschimpfung des verwundeten Grafen Oster¬
mann und. bei der vorherrschenden Spannung zwischen Schwarzenberg und
Barklay das Mittel gewesen, einen Brandstoff in das bisherige EinVerständniß
im alliirten Hauptquartier zu werfen. — Daß mein Unmuth alle Rücksichten
bei Seite setzen konnte, als ich den Armecbericht gelesen hatte, wäre erklärlich
gewesen; ehe ich ihn aber kannte, blieb es mir unmöglich, vorauszusetzen, daß
meine evidente Gegenwart beim rechten Flügclcorps und die gewichtige Mit¬
wirkung des zweiten russischen Corps bei demselben im Bericht mit Still-


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[0181] einem Dragoner- und einem Ulanenregimente von der anderen Seite angriff. Die Franzosen wichen nun. und Bandamme stellte alle ferneren Angriffe ein. Der Tag war gerettet; denn Barklay traf nun mit drei neuen Divisionen auf dem Schlacht¬ felde ein. Der Verlust der Truppen, die unter dem Prinzen Eugen gefochten hat¬ ten, betrug 6000 Mann, fast ein Drittel ihrer Stärke. Das zweite russische Armeecorps, das die Hauptlast des Tages getragen hatte — es hatte allein in den Tagen vom 22. bis 30. August die Hälfte seines Bestands eingebüßt — er- hielt nicht den Lohn, den sein mit so viel Blut bezahlter Sieg verdiente. In officiellen Berichten geschah seines Antheils an diesem für den ganzen Feldzug entscheidenden Gefechte auch nicht mit einem Wort Erwähnung. Ycrmolvff, der unmittelbar am Tage nach dem ersten Gefecht, am 29.. wieder in die Re¬ serve unter den Befehl des General Miloradowitsch trat, berichtete ni'er den Antheil der von ihm commandirten Garden an diesen. Prinz Eugen blieb auch am nächsten Tage im Gefecht und konnte erst am Abend sein Corps ganz wieder vereinigen. Bereits am frühen Morgen des 31. aber erschien der Armeebericht, in welchem Prinz Eugen und sein Corps gar nicht genannt wurden. Die Gründe, weshalb der Prinz nicht nachträglich berichtete, wollen wir mit seinen eigenen Worten anführen, um ihnen volle Gerechtigkeit wider¬ fahren zu lassen. Es ist viel Selbstverläugnung darin, aber trotz der Schön¬ heit dieser Tugend hätten wir dem Prinzen etwas mehr deutschen Fürstcnstolz und männlichen Zorn über die ihn treffende unverantwortliche Zurücksetzung gewünscht. Er sagt: „An wen sollte ich berichten? — Meine nächste Instanz war Graf Wittgenstein. — Er stand noch jenseits des Erzgebirges, in Zinn¬ wald. — Sollte ich dem Grafen Ostermann meinen Rapport einschicken? — Ich hätte damit eine wahre Ironie zu begehen geglaubt. Ueberdies war er verwundet, und ich erfuhr erst am 3. September seine Anwesenheit in Teplitz. -» An General Barklay? — In der Disposition, welche ich bei diesem Gene¬ ral gegen mich voraussetzen konnte, durfte ich nichts Anderes erwarten, als ein Zurückweisen meines Berichts mit dem Bemerken, ich möge mich an meine dienstlichen Instanzen wenden. — Ein directer Brief an den Kaiser? — O ja, der hätte vielleicht den Nagel auf den Kopf getroffen; aber er wäre gleich- lautend mit einer Anklage auf Tod und Leben gegen den eben erst siegreichen General Barklay — mit einer Beschimpfung des verwundeten Grafen Oster¬ mann und. bei der vorherrschenden Spannung zwischen Schwarzenberg und Barklay das Mittel gewesen, einen Brandstoff in das bisherige EinVerständniß im alliirten Hauptquartier zu werfen. — Daß mein Unmuth alle Rücksichten bei Seite setzen konnte, als ich den Armecbericht gelesen hatte, wäre erklärlich gewesen; ehe ich ihn aber kannte, blieb es mir unmöglich, vorauszusetzen, daß meine evidente Gegenwart beim rechten Flügclcorps und die gewichtige Mit¬ wirkung des zweiten russischen Corps bei demselben im Bericht mit Still- Grenzlwtcn II. 1863. 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/181>, abgerufen am 27.09.2024.