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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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das allein Vandamme abhalten konnte, der von Dresden sich zurückziehenden
geschlagenen Hauptarmee in den Rücken zu fallen und sie in den DefUccn des
Erzgebirges zu vernichten.

Die Art. wie der Prinz Eugen die Anstellung des Grafen Ostcrmann zu
erklären versucht, wirft ein seltsames Licht auf die Verhältnisse im russischen
Hauptquartier. Graf Wittgenstein entschuldigte sich einige Tage später beim
Prinzen mit den Worten: "Glauben Sie denn wirklich, daß ich Ihnen aus
eignem Antriebe den Narren auf den Hals geschickt hätte? Der Befehl kam von
Barklay. Ich glaubte, man hätte den Kopf im Hauptquartier verloren. Im
Grunde war es ein Mißverständnis;." Das war es denn auch; aus Barklays
eignem Munde erfuhr der Prinz später, daß dem Grafen Ostcrmann auf Be¬
fehl des Kaisers am 25. August "die Blockade des Königssteins" übertragen
worden war. An jenem Tage legte man aus diesen Posten noch keine beson¬
dere Wichtigkeit, da man von Vandammes gefahrdrohender Bewegung noch
nicht unterrichtet war. Man hielt ihn vollständig gesichert durch die sieben
Bataillone des General Helfreich und wußte gar nicht, daß sich das zweite
Corps dort befand, das man schon nach Dresden unterwegs glaubte. Graf
Wittgenstein aber, der recht gut wußte, daß der Prinz Eugen vor Kvnigsstcin
stand, fertigte den Befehl, obgleich er seine äußerste Verwunderung erregte, als
einen direct vom Kaiser ausgehenden, ohne Anstand aus.

Der 26. verlief ruhig für den Prinzen, und am 27. bei Tagesanbruch stieß
die erste Gardcdivisivu unter General Uermoloff zu ihm. Da diese nicht zu dem zwei¬
ten Corps gehörte, stellte sich ihr Cvmmandirendcr unter den Befehl des Grafen
Ostcrmann, und da er ein ehrgeiziger, sich gern geltend machender Mann war, traf
er in des Grafen Namen auf eigene Faust Anordnungen, welche die Ursache neuer
Verwirrung wurden. Dies konnte sehr verhängnisvoll werden, als am 28.
Mittags Oberst v. Wolzogen in directem Auftrage des Kaisers zu dem Prinzen
kam und ihn von der unglücklichen Schlacht bei Dresden und dem schon begon¬
nenen Rückzug der Hauptarmee nach Böhmen unterrichtete, während Graf
Ostcrmann von Barklay direct schon den Befehl zum Rückzug erhalten hatte
und zwar über Maxen, wogegen der Prinz den Marsch über Peterswalde für
unumgänglich zur Rettung der Armee erkannte; denn schon hatte der linke
Flügel des Feindes einen Vorsprung nach den Dcsilcen des Gebirges. Auf
den durch Wolzogen vom Kaiser direct überbrachten Auftrag gestützt, traf nun
der Prinz seine Anordnungen, die bei so verwirrten Befchlsvcrhältnisscn natür¬
lich nicht ohne Einspruch blieben. Er wollte mit dem zweiten Corps vereint
mit dem General Helfreich einen Scheinangriff gegen das Dorf Kritschwitz
unternehmen, sowie einen zweiten gegen den Hausberg, unter deren Schutz
zuerst die Garden und dann die übrigen Truppen auf der großen teplitzer
Straße abziehen sollten.


das allein Vandamme abhalten konnte, der von Dresden sich zurückziehenden
geschlagenen Hauptarmee in den Rücken zu fallen und sie in den DefUccn des
Erzgebirges zu vernichten.

Die Art. wie der Prinz Eugen die Anstellung des Grafen Ostcrmann zu
erklären versucht, wirft ein seltsames Licht auf die Verhältnisse im russischen
Hauptquartier. Graf Wittgenstein entschuldigte sich einige Tage später beim
Prinzen mit den Worten: „Glauben Sie denn wirklich, daß ich Ihnen aus
eignem Antriebe den Narren auf den Hals geschickt hätte? Der Befehl kam von
Barklay. Ich glaubte, man hätte den Kopf im Hauptquartier verloren. Im
Grunde war es ein Mißverständnis;." Das war es denn auch; aus Barklays
eignem Munde erfuhr der Prinz später, daß dem Grafen Ostcrmann auf Be¬
fehl des Kaisers am 25. August „die Blockade des Königssteins" übertragen
worden war. An jenem Tage legte man aus diesen Posten noch keine beson¬
dere Wichtigkeit, da man von Vandammes gefahrdrohender Bewegung noch
nicht unterrichtet war. Man hielt ihn vollständig gesichert durch die sieben
Bataillone des General Helfreich und wußte gar nicht, daß sich das zweite
Corps dort befand, das man schon nach Dresden unterwegs glaubte. Graf
Wittgenstein aber, der recht gut wußte, daß der Prinz Eugen vor Kvnigsstcin
stand, fertigte den Befehl, obgleich er seine äußerste Verwunderung erregte, als
einen direct vom Kaiser ausgehenden, ohne Anstand aus.

Der 26. verlief ruhig für den Prinzen, und am 27. bei Tagesanbruch stieß
die erste Gardcdivisivu unter General Uermoloff zu ihm. Da diese nicht zu dem zwei¬
ten Corps gehörte, stellte sich ihr Cvmmandirendcr unter den Befehl des Grafen
Ostcrmann, und da er ein ehrgeiziger, sich gern geltend machender Mann war, traf
er in des Grafen Namen auf eigene Faust Anordnungen, welche die Ursache neuer
Verwirrung wurden. Dies konnte sehr verhängnisvoll werden, als am 28.
Mittags Oberst v. Wolzogen in directem Auftrage des Kaisers zu dem Prinzen
kam und ihn von der unglücklichen Schlacht bei Dresden und dem schon begon¬
nenen Rückzug der Hauptarmee nach Böhmen unterrichtete, während Graf
Ostcrmann von Barklay direct schon den Befehl zum Rückzug erhalten hatte
und zwar über Maxen, wogegen der Prinz den Marsch über Peterswalde für
unumgänglich zur Rettung der Armee erkannte; denn schon hatte der linke
Flügel des Feindes einen Vorsprung nach den Dcsilcen des Gebirges. Auf
den durch Wolzogen vom Kaiser direct überbrachten Auftrag gestützt, traf nun
der Prinz seine Anordnungen, die bei so verwirrten Befchlsvcrhältnisscn natür¬
lich nicht ohne Einspruch blieben. Er wollte mit dem zweiten Corps vereint
mit dem General Helfreich einen Scheinangriff gegen das Dorf Kritschwitz
unternehmen, sowie einen zweiten gegen den Hausberg, unter deren Schutz
zuerst die Garden und dann die übrigen Truppen auf der großen teplitzer
Straße abziehen sollten.


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[0177] das allein Vandamme abhalten konnte, der von Dresden sich zurückziehenden geschlagenen Hauptarmee in den Rücken zu fallen und sie in den DefUccn des Erzgebirges zu vernichten. Die Art. wie der Prinz Eugen die Anstellung des Grafen Ostcrmann zu erklären versucht, wirft ein seltsames Licht auf die Verhältnisse im russischen Hauptquartier. Graf Wittgenstein entschuldigte sich einige Tage später beim Prinzen mit den Worten: „Glauben Sie denn wirklich, daß ich Ihnen aus eignem Antriebe den Narren auf den Hals geschickt hätte? Der Befehl kam von Barklay. Ich glaubte, man hätte den Kopf im Hauptquartier verloren. Im Grunde war es ein Mißverständnis;." Das war es denn auch; aus Barklays eignem Munde erfuhr der Prinz später, daß dem Grafen Ostcrmann auf Be¬ fehl des Kaisers am 25. August „die Blockade des Königssteins" übertragen worden war. An jenem Tage legte man aus diesen Posten noch keine beson¬ dere Wichtigkeit, da man von Vandammes gefahrdrohender Bewegung noch nicht unterrichtet war. Man hielt ihn vollständig gesichert durch die sieben Bataillone des General Helfreich und wußte gar nicht, daß sich das zweite Corps dort befand, das man schon nach Dresden unterwegs glaubte. Graf Wittgenstein aber, der recht gut wußte, daß der Prinz Eugen vor Kvnigsstcin stand, fertigte den Befehl, obgleich er seine äußerste Verwunderung erregte, als einen direct vom Kaiser ausgehenden, ohne Anstand aus. Der 26. verlief ruhig für den Prinzen, und am 27. bei Tagesanbruch stieß die erste Gardcdivisivu unter General Uermoloff zu ihm. Da diese nicht zu dem zwei¬ ten Corps gehörte, stellte sich ihr Cvmmandirendcr unter den Befehl des Grafen Ostcrmann, und da er ein ehrgeiziger, sich gern geltend machender Mann war, traf er in des Grafen Namen auf eigene Faust Anordnungen, welche die Ursache neuer Verwirrung wurden. Dies konnte sehr verhängnisvoll werden, als am 28. Mittags Oberst v. Wolzogen in directem Auftrage des Kaisers zu dem Prinzen kam und ihn von der unglücklichen Schlacht bei Dresden und dem schon begon¬ nenen Rückzug der Hauptarmee nach Böhmen unterrichtete, während Graf Ostcrmann von Barklay direct schon den Befehl zum Rückzug erhalten hatte und zwar über Maxen, wogegen der Prinz den Marsch über Peterswalde für unumgänglich zur Rettung der Armee erkannte; denn schon hatte der linke Flügel des Feindes einen Vorsprung nach den Dcsilcen des Gebirges. Auf den durch Wolzogen vom Kaiser direct überbrachten Auftrag gestützt, traf nun der Prinz seine Anordnungen, die bei so verwirrten Befchlsvcrhältnisscn natür¬ lich nicht ohne Einspruch blieben. Er wollte mit dem zweiten Corps vereint mit dem General Helfreich einen Scheinangriff gegen das Dorf Kritschwitz unternehmen, sowie einen zweiten gegen den Hausberg, unter deren Schutz zuerst die Garden und dann die übrigen Truppen auf der großen teplitzer Straße abziehen sollten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/177>, abgerufen am 27.09.2024.