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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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seinen Vortheil bewährt; dock) in den Details der Befolgung hat uns stets die
dringende Nothwendigkeit und fast nie ein eigener Entschluß angetrieben. Dies
ist denn auch der Grund, warum wir uns hier schlagen müssen!"

Nach der Vertreibung der Franzosen aus Nußland schmeichelte sich der
Prinz an die Spitze der Avantgarde gestellt zu werden, und das Commando
war ihm auch zugesagt worden. Er gedachte an der Spitze eines Befreiungs-
hceres in Deutschland einzurücken und knüpfte an diese Stellung sehr phan¬
tastische Zukunftspläne. Wie man aus seinen Andeutungen schließen muß,
rechnete er darauf, daß sich Deutsche in großer Zahl um sein Banner schaa-
ren und im Stande sein würden, ein Heer zu bilden, mit dem er eine selb¬
ständige Rolle neben Preußen und Oestreich spielen und dem ganzen Kriege
das deutsche Ziel geben wollte, das er namentlich bei den preußischen Heer¬
führern und Staatsmännern schmerzlich vermißt. Das kann doch nur heißen,
daß er den sogenannten rcindcutschen Staaten, denselben, die allein der fran¬
zösischen Macht nicht hatten widerstehen können und die willenlos die Gebote
des fremden Siegers gegen Preußen und Oestreich, die doch auch Deutsche
waren, ausgeführt hätten, die Präponderanz in dem neuen deutschen Reiche zu¬
wenden wollte. Daß er bei solchen Plänen gar nicht gut auf Stein, Scharnhorst
und Gneisenau zu sprechen ist, versteht sich von selbst. Es zeigen aber zugleich
diese Pläne, wie wenig er bei seiner unzweifelhaften militärischen Begabung
politisch befähigt war zu der Rolle, die er gern gespielt hätte- Gegen seine
heißesten Wünsche und gegen die bestimmten Zusagen, die ihm geworden waren,
erhielt aber General Wintzingerode das Commando der Avantgarde -- wieder
ein Beispiel, wie geringfügig sein Einfluß auf die bestimmenden Persönlichkeiten
war, den er selbst für so groß hält. Als tapferer Feldherr nahm er dann
höchst rühmlichen Antheil an den Schlachten bei Lützen und Bautzen, doch erlaubt
uns der Raum nicht in das Einzelne seiner Thätigkeit auf diesen blutigen
Schlachtfeldern einzugehen. Wir heben vielmehr zur eingehenderen Schilderung
die Tage zwischen den Schlachten von Dresden und Kulm heraus, wo es ihm
vergönnt war, auf die Schicksale der großen Armee einen entscheidenden Ein¬
fluß auszuüben, und thun dies um so lieber, als die meisten Geschichtsbücher
das ihm gebührende Verdienst nicht genügend hervorheben und es sogar auf
Andere übertragen.

Während die böhmische Armee gegen Dresden vorrückte, sollte Prinz Eugen
mit seinem Armeecorps und einem Detachement der 14. Division, zusammen
13,000 Mann und 26 Geschützen, die Elbübergänge bei Königsstcin beobachten.
Diese Aufgabe gewann am ersten Schlachttage bei Dresden, am 26., dadurch an
Bedeutung, daß General Vandamme bei Königsstcin die Elbe überschritt und
mit seiner dem Prinzen sehr überlegenen Macht die Hauptcommunication der
verbündeten Armee nach Böhmen bedrohte. Hier trat nun ein Zwischenfall


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seinen Vortheil bewährt; dock) in den Details der Befolgung hat uns stets die
dringende Nothwendigkeit und fast nie ein eigener Entschluß angetrieben. Dies
ist denn auch der Grund, warum wir uns hier schlagen müssen!"

Nach der Vertreibung der Franzosen aus Nußland schmeichelte sich der
Prinz an die Spitze der Avantgarde gestellt zu werden, und das Commando
war ihm auch zugesagt worden. Er gedachte an der Spitze eines Befreiungs-
hceres in Deutschland einzurücken und knüpfte an diese Stellung sehr phan¬
tastische Zukunftspläne. Wie man aus seinen Andeutungen schließen muß,
rechnete er darauf, daß sich Deutsche in großer Zahl um sein Banner schaa-
ren und im Stande sein würden, ein Heer zu bilden, mit dem er eine selb¬
ständige Rolle neben Preußen und Oestreich spielen und dem ganzen Kriege
das deutsche Ziel geben wollte, das er namentlich bei den preußischen Heer¬
führern und Staatsmännern schmerzlich vermißt. Das kann doch nur heißen,
daß er den sogenannten rcindcutschen Staaten, denselben, die allein der fran¬
zösischen Macht nicht hatten widerstehen können und die willenlos die Gebote
des fremden Siegers gegen Preußen und Oestreich, die doch auch Deutsche
waren, ausgeführt hätten, die Präponderanz in dem neuen deutschen Reiche zu¬
wenden wollte. Daß er bei solchen Plänen gar nicht gut auf Stein, Scharnhorst
und Gneisenau zu sprechen ist, versteht sich von selbst. Es zeigen aber zugleich
diese Pläne, wie wenig er bei seiner unzweifelhaften militärischen Begabung
politisch befähigt war zu der Rolle, die er gern gespielt hätte- Gegen seine
heißesten Wünsche und gegen die bestimmten Zusagen, die ihm geworden waren,
erhielt aber General Wintzingerode das Commando der Avantgarde — wieder
ein Beispiel, wie geringfügig sein Einfluß auf die bestimmenden Persönlichkeiten
war, den er selbst für so groß hält. Als tapferer Feldherr nahm er dann
höchst rühmlichen Antheil an den Schlachten bei Lützen und Bautzen, doch erlaubt
uns der Raum nicht in das Einzelne seiner Thätigkeit auf diesen blutigen
Schlachtfeldern einzugehen. Wir heben vielmehr zur eingehenderen Schilderung
die Tage zwischen den Schlachten von Dresden und Kulm heraus, wo es ihm
vergönnt war, auf die Schicksale der großen Armee einen entscheidenden Ein¬
fluß auszuüben, und thun dies um so lieber, als die meisten Geschichtsbücher
das ihm gebührende Verdienst nicht genügend hervorheben und es sogar auf
Andere übertragen.

Während die böhmische Armee gegen Dresden vorrückte, sollte Prinz Eugen
mit seinem Armeecorps und einem Detachement der 14. Division, zusammen
13,000 Mann und 26 Geschützen, die Elbübergänge bei Königsstcin beobachten.
Diese Aufgabe gewann am ersten Schlachttage bei Dresden, am 26., dadurch an
Bedeutung, daß General Vandamme bei Königsstcin die Elbe überschritt und
mit seiner dem Prinzen sehr überlegenen Macht die Hauptcommunication der
verbündeten Armee nach Böhmen bedrohte. Hier trat nun ein Zwischenfall


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[0175] seinen Vortheil bewährt; dock) in den Details der Befolgung hat uns stets die dringende Nothwendigkeit und fast nie ein eigener Entschluß angetrieben. Dies ist denn auch der Grund, warum wir uns hier schlagen müssen!" Nach der Vertreibung der Franzosen aus Nußland schmeichelte sich der Prinz an die Spitze der Avantgarde gestellt zu werden, und das Commando war ihm auch zugesagt worden. Er gedachte an der Spitze eines Befreiungs- hceres in Deutschland einzurücken und knüpfte an diese Stellung sehr phan¬ tastische Zukunftspläne. Wie man aus seinen Andeutungen schließen muß, rechnete er darauf, daß sich Deutsche in großer Zahl um sein Banner schaa- ren und im Stande sein würden, ein Heer zu bilden, mit dem er eine selb¬ ständige Rolle neben Preußen und Oestreich spielen und dem ganzen Kriege das deutsche Ziel geben wollte, das er namentlich bei den preußischen Heer¬ führern und Staatsmännern schmerzlich vermißt. Das kann doch nur heißen, daß er den sogenannten rcindcutschen Staaten, denselben, die allein der fran¬ zösischen Macht nicht hatten widerstehen können und die willenlos die Gebote des fremden Siegers gegen Preußen und Oestreich, die doch auch Deutsche waren, ausgeführt hätten, die Präponderanz in dem neuen deutschen Reiche zu¬ wenden wollte. Daß er bei solchen Plänen gar nicht gut auf Stein, Scharnhorst und Gneisenau zu sprechen ist, versteht sich von selbst. Es zeigen aber zugleich diese Pläne, wie wenig er bei seiner unzweifelhaften militärischen Begabung politisch befähigt war zu der Rolle, die er gern gespielt hätte- Gegen seine heißesten Wünsche und gegen die bestimmten Zusagen, die ihm geworden waren, erhielt aber General Wintzingerode das Commando der Avantgarde — wieder ein Beispiel, wie geringfügig sein Einfluß auf die bestimmenden Persönlichkeiten war, den er selbst für so groß hält. Als tapferer Feldherr nahm er dann höchst rühmlichen Antheil an den Schlachten bei Lützen und Bautzen, doch erlaubt uns der Raum nicht in das Einzelne seiner Thätigkeit auf diesen blutigen Schlachtfeldern einzugehen. Wir heben vielmehr zur eingehenderen Schilderung die Tage zwischen den Schlachten von Dresden und Kulm heraus, wo es ihm vergönnt war, auf die Schicksale der großen Armee einen entscheidenden Ein¬ fluß auszuüben, und thun dies um so lieber, als die meisten Geschichtsbücher das ihm gebührende Verdienst nicht genügend hervorheben und es sogar auf Andere übertragen. Während die böhmische Armee gegen Dresden vorrückte, sollte Prinz Eugen mit seinem Armeecorps und einem Detachement der 14. Division, zusammen 13,000 Mann und 26 Geschützen, die Elbübergänge bei Königsstcin beobachten. Diese Aufgabe gewann am ersten Schlachttage bei Dresden, am 26., dadurch an Bedeutung, daß General Vandamme bei Königsstcin die Elbe überschritt und mit seiner dem Prinzen sehr überlegenen Macht die Hauptcommunication der verbündeten Armee nach Böhmen bedrohte. Hier trat nun ein Zwischenfall 22*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/175>, abgerufen am 27.09.2024.