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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Unterstützung des polnischen Aufruhrs unter den Gesichtspunkt des Hochverraths
stellen. Ob sie damit im formalen Rechte sei, wird sich nur durch die Cor-
respondenzen der Revolutionäre beweisen lassen, wenn solche in die Hände der
Behörden fallen. Darin.aber, daß die Polen nie und nirgends müde werden,
von der Integrität ihres Reiches zu reden, darin, daß sie ohne jede Rücksicht
auf die Convention jeder Zeit versichern: "wir kennen keine Grenzen", findet
der Argwohn, es habe auch diese Empörung die Herstellung Polens in seinen
alten Grenzen zum letzten Ziele, einigen Anhalt, ich sage nicht: seine Recht¬
fertigung. Hat doch auch unser werther Freund, der Herr Dr. Metzig in Lissa,
"der glühende und achtbare Vertreter des Rechts und der Freiheit", wie ihn die
polnischen Blätter nennen, wieder seine Feder gespitzt und in einem Send¬
schreiben an den Grafen v. Bernstorff zur Beruhigung Europas: "die Wieder¬
einsetzung Johanns von Sachsen in sein volles Recht, als legitimen Königs
von Polen mit dessen rechtlichen Grenzen von 1772" verlangt.

In den ersten Tagen des Februar begannen sich unsre Polen zu regen.
Ihre Abgeordneten kehrten vom berliner Landtage zurück; auf Jagden, bei
Gesellschaften fand sich Gelegenheit, gemeinsame Maßnahmen zu bespreche";
es wurde auch ein Versuch zu einer öffentlichen Zusammenkunft gemacht. Weil
Anderes mißlang, sollte der Verein zur Unterstützung der lernenden Jugend
am 4. Februar eine Versammlung in Pinscher halten. Die Polizei versagte
die Genehmigung, und so suchte und fand man andre Wege. Inzwischen be¬
gann auch bald genug der Streit. Der Priester Kajsiewicz hatte am si. Drei¬
königstage eine donnernde Strafpredigt an den polnischen Klerus erlassen, in
Form und Inhalt das Stärkste, was diesen Herren über ihr "verbrecherisches"
Treiben, über den Zwiespalt zwischen den Pflichten des Amtes, das den Frie¬
den predigt und ihrem Beginnen, sowie über die Folgen desselben gesagt wor¬
den ist. Er hatte sie offen herausgefordert, das geistliche Gewand abzulegen
und auf dem Schlachtfelde der Revolution dem ihr Knie zu beugen, dem ihre
Herzen gehörten. Dieser Brief, welcher natürlich eine furchtbare Bitterkeit er¬
regt hat, ist in dem Tygvdnik katolicki des Propstes von Prusinowsti abgedruckt
worden. Bald darauf gingen Gerüchte von Reisen, welche hervorragende Mit¬
glieder der klerikalen Partei, der Weißen, nach Warschau und von da in das
Lager von Langiewicz unternommen hätten. Nur theilweise hat Graf Plater
diese Nachrichten durch seine Erklärungen zu dementiren vermocht. Nach einigen
Tagen erschien endlich ein anonymes Blatt, dessen Herausgeber man indessen
kannte und welches zur Niederlegung der Waffen ermahnte. Da war natür¬
lich keine Rede von Verbrechen, sondern nur von zu warmer Begeisterung; es
wurde erzählt, wie große, günstige Wirkung die muthige That der Erhebung
auf Polen, auf Rußland, auf ganz Europa hervorgebracht; aber nun sei es
auch über und über genug, was noch fehle, müsse man der diplomatischen Ver-


Unterstützung des polnischen Aufruhrs unter den Gesichtspunkt des Hochverraths
stellen. Ob sie damit im formalen Rechte sei, wird sich nur durch die Cor-
respondenzen der Revolutionäre beweisen lassen, wenn solche in die Hände der
Behörden fallen. Darin.aber, daß die Polen nie und nirgends müde werden,
von der Integrität ihres Reiches zu reden, darin, daß sie ohne jede Rücksicht
auf die Convention jeder Zeit versichern: „wir kennen keine Grenzen", findet
der Argwohn, es habe auch diese Empörung die Herstellung Polens in seinen
alten Grenzen zum letzten Ziele, einigen Anhalt, ich sage nicht: seine Recht¬
fertigung. Hat doch auch unser werther Freund, der Herr Dr. Metzig in Lissa,
„der glühende und achtbare Vertreter des Rechts und der Freiheit", wie ihn die
polnischen Blätter nennen, wieder seine Feder gespitzt und in einem Send¬
schreiben an den Grafen v. Bernstorff zur Beruhigung Europas: „die Wieder¬
einsetzung Johanns von Sachsen in sein volles Recht, als legitimen Königs
von Polen mit dessen rechtlichen Grenzen von 1772" verlangt.

In den ersten Tagen des Februar begannen sich unsre Polen zu regen.
Ihre Abgeordneten kehrten vom berliner Landtage zurück; auf Jagden, bei
Gesellschaften fand sich Gelegenheit, gemeinsame Maßnahmen zu bespreche»;
es wurde auch ein Versuch zu einer öffentlichen Zusammenkunft gemacht. Weil
Anderes mißlang, sollte der Verein zur Unterstützung der lernenden Jugend
am 4. Februar eine Versammlung in Pinscher halten. Die Polizei versagte
die Genehmigung, und so suchte und fand man andre Wege. Inzwischen be¬
gann auch bald genug der Streit. Der Priester Kajsiewicz hatte am si. Drei¬
königstage eine donnernde Strafpredigt an den polnischen Klerus erlassen, in
Form und Inhalt das Stärkste, was diesen Herren über ihr „verbrecherisches"
Treiben, über den Zwiespalt zwischen den Pflichten des Amtes, das den Frie¬
den predigt und ihrem Beginnen, sowie über die Folgen desselben gesagt wor¬
den ist. Er hatte sie offen herausgefordert, das geistliche Gewand abzulegen
und auf dem Schlachtfelde der Revolution dem ihr Knie zu beugen, dem ihre
Herzen gehörten. Dieser Brief, welcher natürlich eine furchtbare Bitterkeit er¬
regt hat, ist in dem Tygvdnik katolicki des Propstes von Prusinowsti abgedruckt
worden. Bald darauf gingen Gerüchte von Reisen, welche hervorragende Mit¬
glieder der klerikalen Partei, der Weißen, nach Warschau und von da in das
Lager von Langiewicz unternommen hätten. Nur theilweise hat Graf Plater
diese Nachrichten durch seine Erklärungen zu dementiren vermocht. Nach einigen
Tagen erschien endlich ein anonymes Blatt, dessen Herausgeber man indessen
kannte und welches zur Niederlegung der Waffen ermahnte. Da war natür¬
lich keine Rede von Verbrechen, sondern nur von zu warmer Begeisterung; es
wurde erzählt, wie große, günstige Wirkung die muthige That der Erhebung
auf Polen, auf Rußland, auf ganz Europa hervorgebracht; aber nun sei es
auch über und über genug, was noch fehle, müsse man der diplomatischen Ver-


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[0166] Unterstützung des polnischen Aufruhrs unter den Gesichtspunkt des Hochverraths stellen. Ob sie damit im formalen Rechte sei, wird sich nur durch die Cor- respondenzen der Revolutionäre beweisen lassen, wenn solche in die Hände der Behörden fallen. Darin.aber, daß die Polen nie und nirgends müde werden, von der Integrität ihres Reiches zu reden, darin, daß sie ohne jede Rücksicht auf die Convention jeder Zeit versichern: „wir kennen keine Grenzen", findet der Argwohn, es habe auch diese Empörung die Herstellung Polens in seinen alten Grenzen zum letzten Ziele, einigen Anhalt, ich sage nicht: seine Recht¬ fertigung. Hat doch auch unser werther Freund, der Herr Dr. Metzig in Lissa, „der glühende und achtbare Vertreter des Rechts und der Freiheit", wie ihn die polnischen Blätter nennen, wieder seine Feder gespitzt und in einem Send¬ schreiben an den Grafen v. Bernstorff zur Beruhigung Europas: „die Wieder¬ einsetzung Johanns von Sachsen in sein volles Recht, als legitimen Königs von Polen mit dessen rechtlichen Grenzen von 1772" verlangt. In den ersten Tagen des Februar begannen sich unsre Polen zu regen. Ihre Abgeordneten kehrten vom berliner Landtage zurück; auf Jagden, bei Gesellschaften fand sich Gelegenheit, gemeinsame Maßnahmen zu bespreche»; es wurde auch ein Versuch zu einer öffentlichen Zusammenkunft gemacht. Weil Anderes mißlang, sollte der Verein zur Unterstützung der lernenden Jugend am 4. Februar eine Versammlung in Pinscher halten. Die Polizei versagte die Genehmigung, und so suchte und fand man andre Wege. Inzwischen be¬ gann auch bald genug der Streit. Der Priester Kajsiewicz hatte am si. Drei¬ königstage eine donnernde Strafpredigt an den polnischen Klerus erlassen, in Form und Inhalt das Stärkste, was diesen Herren über ihr „verbrecherisches" Treiben, über den Zwiespalt zwischen den Pflichten des Amtes, das den Frie¬ den predigt und ihrem Beginnen, sowie über die Folgen desselben gesagt wor¬ den ist. Er hatte sie offen herausgefordert, das geistliche Gewand abzulegen und auf dem Schlachtfelde der Revolution dem ihr Knie zu beugen, dem ihre Herzen gehörten. Dieser Brief, welcher natürlich eine furchtbare Bitterkeit er¬ regt hat, ist in dem Tygvdnik katolicki des Propstes von Prusinowsti abgedruckt worden. Bald darauf gingen Gerüchte von Reisen, welche hervorragende Mit¬ glieder der klerikalen Partei, der Weißen, nach Warschau und von da in das Lager von Langiewicz unternommen hätten. Nur theilweise hat Graf Plater diese Nachrichten durch seine Erklärungen zu dementiren vermocht. Nach einigen Tagen erschien endlich ein anonymes Blatt, dessen Herausgeber man indessen kannte und welches zur Niederlegung der Waffen ermahnte. Da war natür¬ lich keine Rede von Verbrechen, sondern nur von zu warmer Begeisterung; es wurde erzählt, wie große, günstige Wirkung die muthige That der Erhebung auf Polen, auf Rußland, auf ganz Europa hervorgebracht; aber nun sei es auch über und über genug, was noch fehle, müsse man der diplomatischen Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/166>, abgerufen am 27.09.2024.