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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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mein. Mehr als sein Eingreifen wirkte die Erinnerung an Benningsens frühe¬
ren Befehl, der bereits Pultusk als Rendezvous angegeben hatte, und wie in¬
stinktmäßig richteten die sich selbst überlassenen Commandeure ihren Marsch
diesem Orte zu.

Am Morgen des 26. war die Armee wieder leidlich beisammen, als Ka>-
mensky von Neuem erschien. Er erklärte sich jetzt für verwundet und schien
geneigt, dabei seine Kleiber aufzuknöpfen, um den beim Fahren und Reiten er¬
littenen Schaden sehen zu lassen. Man hatte alle Mühe, ihn von diesem Aeußer-
sten abzuhalten und ihn durch Complimente los zu werden. Bevor er wieder
weg fuhr, sagte er sich jedoch von aller Verantwortlichkeit los und erklärte, sich
in weiter Nichts mischen zu wollen. Auf einer Station zwischen Lomza und
Ostrolenka kam er dann noch einmal zum Vorschein, und erst in Grodno er¬
eilte ihn ein kaiserlicher Befehl, der ihn auf seine Güter verwies, wo er später
von seinen Bauern erschlagen wurde.

Der Ausgang der Schlacht von Pultusk war eine Nachwirkung von Ka-
menskys Verrücktheit. Benningscn stand dort mit 66 Bataillonen (zu 600 Mann)
und entsprechender Reiterei, den allerdings etwas stärkeren 32 Bataillonen und
30 Schwadronen des Marschall Lannes (dieser hatte außer seinem eigenen
Corps noch eine Division von Davoust bei sich) gegenüber und war dem Feind
an Artillerie unendlich überlegen. Aber weil er gar nicht wußte, wo sich die
andern russischen Heerestheile befanden, hielt er es für sicherer, den Rückzug
anzutreten. Erst anderen Tags entdeckte er, welche große Vortheile er aus der
Hand gegeben hatte. Er hatte die ganze ihm gegenüberstehende französische
Heeresmacht in die Weichsel werfen können.

Der Schlacht bei Eilau (7. und 8. Februar) wohnte Prinz Eugen eben¬
falls im Gefolge Benningsens bei. Am Vorabende des blutigen Kampfes machte
er den Oberfeldherrn auf die hohe Wichtigkeit der Kreegeberge zur Anlehnung
für die linke Flanke der russischen Armee aufmerksam. In Befolgung seines
Rathes wurde auch die Division Kamcnsky zur Besetzung des wichtigen Postens
abgeschickt. Leider blieb sie aber nicht dort stehen, sondern wurde zur Ver¬
stärkung des rechten Flügels wieder zurückgenommen.¬

Von dem Beginn des ersten Schlachttages entwirft der Prinz ein lebendi
ges Bild. "Um die Mittagszeit," erzählt er, "näherte sich die Kanonade von
der Arrieregarde her, und die äußersten Grenzen unseres Gesichtskreises füllten
sich mit plänkelnden Neiterhaufen. -- Ich konnte dies von meinem auf einige
Augenblicke bezogenen Quartier am Ausgange der Stadt Eilau deutlich be¬
merken, schwang mich zu Pferde und traf dann den General schon bei der
großen Batterie des Obersten Uermolow auf den Hügeln dicht hinter dem Orte.

Die den Feind mit sich bringende Arrieregarde lieferte uns ein immer
deutlicher sich entwickelndes Schlachtenbild, woraus man einen kräftigen, besönne-


mein. Mehr als sein Eingreifen wirkte die Erinnerung an Benningsens frühe¬
ren Befehl, der bereits Pultusk als Rendezvous angegeben hatte, und wie in¬
stinktmäßig richteten die sich selbst überlassenen Commandeure ihren Marsch
diesem Orte zu.

Am Morgen des 26. war die Armee wieder leidlich beisammen, als Ka>-
mensky von Neuem erschien. Er erklärte sich jetzt für verwundet und schien
geneigt, dabei seine Kleiber aufzuknöpfen, um den beim Fahren und Reiten er¬
littenen Schaden sehen zu lassen. Man hatte alle Mühe, ihn von diesem Aeußer-
sten abzuhalten und ihn durch Complimente los zu werden. Bevor er wieder
weg fuhr, sagte er sich jedoch von aller Verantwortlichkeit los und erklärte, sich
in weiter Nichts mischen zu wollen. Auf einer Station zwischen Lomza und
Ostrolenka kam er dann noch einmal zum Vorschein, und erst in Grodno er¬
eilte ihn ein kaiserlicher Befehl, der ihn auf seine Güter verwies, wo er später
von seinen Bauern erschlagen wurde.

Der Ausgang der Schlacht von Pultusk war eine Nachwirkung von Ka-
menskys Verrücktheit. Benningscn stand dort mit 66 Bataillonen (zu 600 Mann)
und entsprechender Reiterei, den allerdings etwas stärkeren 32 Bataillonen und
30 Schwadronen des Marschall Lannes (dieser hatte außer seinem eigenen
Corps noch eine Division von Davoust bei sich) gegenüber und war dem Feind
an Artillerie unendlich überlegen. Aber weil er gar nicht wußte, wo sich die
andern russischen Heerestheile befanden, hielt er es für sicherer, den Rückzug
anzutreten. Erst anderen Tags entdeckte er, welche große Vortheile er aus der
Hand gegeben hatte. Er hatte die ganze ihm gegenüberstehende französische
Heeresmacht in die Weichsel werfen können.

Der Schlacht bei Eilau (7. und 8. Februar) wohnte Prinz Eugen eben¬
falls im Gefolge Benningsens bei. Am Vorabende des blutigen Kampfes machte
er den Oberfeldherrn auf die hohe Wichtigkeit der Kreegeberge zur Anlehnung
für die linke Flanke der russischen Armee aufmerksam. In Befolgung seines
Rathes wurde auch die Division Kamcnsky zur Besetzung des wichtigen Postens
abgeschickt. Leider blieb sie aber nicht dort stehen, sondern wurde zur Ver¬
stärkung des rechten Flügels wieder zurückgenommen.¬

Von dem Beginn des ersten Schlachttages entwirft der Prinz ein lebendi
ges Bild. „Um die Mittagszeit," erzählt er, „näherte sich die Kanonade von
der Arrieregarde her, und die äußersten Grenzen unseres Gesichtskreises füllten
sich mit plänkelnden Neiterhaufen. — Ich konnte dies von meinem auf einige
Augenblicke bezogenen Quartier am Ausgange der Stadt Eilau deutlich be¬
merken, schwang mich zu Pferde und traf dann den General schon bei der
großen Batterie des Obersten Uermolow auf den Hügeln dicht hinter dem Orte.

Die den Feind mit sich bringende Arrieregarde lieferte uns ein immer
deutlicher sich entwickelndes Schlachtenbild, woraus man einen kräftigen, besönne-


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[0136] mein. Mehr als sein Eingreifen wirkte die Erinnerung an Benningsens frühe¬ ren Befehl, der bereits Pultusk als Rendezvous angegeben hatte, und wie in¬ stinktmäßig richteten die sich selbst überlassenen Commandeure ihren Marsch diesem Orte zu. Am Morgen des 26. war die Armee wieder leidlich beisammen, als Ka>- mensky von Neuem erschien. Er erklärte sich jetzt für verwundet und schien geneigt, dabei seine Kleiber aufzuknöpfen, um den beim Fahren und Reiten er¬ littenen Schaden sehen zu lassen. Man hatte alle Mühe, ihn von diesem Aeußer- sten abzuhalten und ihn durch Complimente los zu werden. Bevor er wieder weg fuhr, sagte er sich jedoch von aller Verantwortlichkeit los und erklärte, sich in weiter Nichts mischen zu wollen. Auf einer Station zwischen Lomza und Ostrolenka kam er dann noch einmal zum Vorschein, und erst in Grodno er¬ eilte ihn ein kaiserlicher Befehl, der ihn auf seine Güter verwies, wo er später von seinen Bauern erschlagen wurde. Der Ausgang der Schlacht von Pultusk war eine Nachwirkung von Ka- menskys Verrücktheit. Benningscn stand dort mit 66 Bataillonen (zu 600 Mann) und entsprechender Reiterei, den allerdings etwas stärkeren 32 Bataillonen und 30 Schwadronen des Marschall Lannes (dieser hatte außer seinem eigenen Corps noch eine Division von Davoust bei sich) gegenüber und war dem Feind an Artillerie unendlich überlegen. Aber weil er gar nicht wußte, wo sich die andern russischen Heerestheile befanden, hielt er es für sicherer, den Rückzug anzutreten. Erst anderen Tags entdeckte er, welche große Vortheile er aus der Hand gegeben hatte. Er hatte die ganze ihm gegenüberstehende französische Heeresmacht in die Weichsel werfen können. Der Schlacht bei Eilau (7. und 8. Februar) wohnte Prinz Eugen eben¬ falls im Gefolge Benningsens bei. Am Vorabende des blutigen Kampfes machte er den Oberfeldherrn auf die hohe Wichtigkeit der Kreegeberge zur Anlehnung für die linke Flanke der russischen Armee aufmerksam. In Befolgung seines Rathes wurde auch die Division Kamcnsky zur Besetzung des wichtigen Postens abgeschickt. Leider blieb sie aber nicht dort stehen, sondern wurde zur Ver¬ stärkung des rechten Flügels wieder zurückgenommen.¬ Von dem Beginn des ersten Schlachttages entwirft der Prinz ein lebendi ges Bild. „Um die Mittagszeit," erzählt er, „näherte sich die Kanonade von der Arrieregarde her, und die äußersten Grenzen unseres Gesichtskreises füllten sich mit plänkelnden Neiterhaufen. — Ich konnte dies von meinem auf einige Augenblicke bezogenen Quartier am Ausgange der Stadt Eilau deutlich be¬ merken, schwang mich zu Pferde und traf dann den General schon bei der großen Batterie des Obersten Uermolow auf den Hügeln dicht hinter dem Orte. Die den Feind mit sich bringende Arrieregarde lieferte uns ein immer deutlicher sich entwickelndes Schlachtenbild, woraus man einen kräftigen, besönne-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/136>, abgerufen am 27.09.2024.