Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein deutscher Fürst in russischen Diensten.
Memoiren des Herzogs von Würtemberg. -- Erster bis
dritter Theil.
1.

Prinzen, welche in einem Alter, wo sie noch die Nuthe des Schulmeisters hät¬
ten fürchten sollen, schon Regimenter commandirten oder Generalepauletts trugen,
waren früher, zumal im vorigen Jahrhunden eine ziemlich häufige Erscheinung.
Seltener waren unter ihnen diejenigen, welche mit der ihnen durch die Geburt
eingeräumten Bevorzugung Eigenschaften vereinigten, welche sie fähig machten
als Jünglinge den Nang würdig auszufüllen, den ihnen das Schicksal vorzeitig
in den Schoß geworfen. Zu diesen Wenigen gehörte der Prinz und spätere
Herzog Eugen von Würtemberg. Geboren am 8. Januar 1788, aus einem
Stamm, der sowohl dem deutschen Reiche wie dem aufstrebenden Königreich
Preußen ausgezeichnete Truppenführer geliefert, gewann er sich frühzeitig die
Gunst seines Onkels, des launenhaften Kaiser Paul und wurde von diesem im
. achten Lebensjahr zum russischen Oberst, im zehnten zum Generalmajor und
Regimentschef ernannt. So konnte er sich schon im Feldzug 1807 mit jugend-
snsclM Geistes- und Körperkräften in höheren Stellungen^ bethätigen und stand
bereits 1812 an der Spitze einer Division, 1813 und 1814 an der eines
Armeecorps. Von nicht unbedeutender militärischer Begabung, strebsam, besonnen
und tapfer, schwang er sich in den letzten drei Jahren zu einem der ausgezeich¬
netsten Führer des russischen Heeres empor und fand Gelegenheit von Moskau
bis Paris Thaten zu verrichten, die in der Geschichte jener Zeit Epoche
machen. 1814 war er bereits commandirender General und mit den höchsten
russischen Orden geschmückt, der Liebling des Heeres, von dem Kaiser Alexan¬
der mit Huld, von der Kaiserin Mutter mit mütterlicher Zärtlichkeit behandelt.
Aber so voll gefüllt, wie ihm auch das Glück seinen Becher darbot, mischten
sich doch bittere Tropfen hinein. Die Huld, die ihm der Kaiser schenkte, war
groß, die Selbstverläugnung, die er ihm zumuthete, war aber noch größer.
Seine schönsten Waffenthaten, der heldenmüthige, die ganze verbündete Armee


Grenzboten II. 1863. ig
Ein deutscher Fürst in russischen Diensten.
Memoiren des Herzogs von Würtemberg. — Erster bis
dritter Theil.
1.

Prinzen, welche in einem Alter, wo sie noch die Nuthe des Schulmeisters hät¬
ten fürchten sollen, schon Regimenter commandirten oder Generalepauletts trugen,
waren früher, zumal im vorigen Jahrhunden eine ziemlich häufige Erscheinung.
Seltener waren unter ihnen diejenigen, welche mit der ihnen durch die Geburt
eingeräumten Bevorzugung Eigenschaften vereinigten, welche sie fähig machten
als Jünglinge den Nang würdig auszufüllen, den ihnen das Schicksal vorzeitig
in den Schoß geworfen. Zu diesen Wenigen gehörte der Prinz und spätere
Herzog Eugen von Würtemberg. Geboren am 8. Januar 1788, aus einem
Stamm, der sowohl dem deutschen Reiche wie dem aufstrebenden Königreich
Preußen ausgezeichnete Truppenführer geliefert, gewann er sich frühzeitig die
Gunst seines Onkels, des launenhaften Kaiser Paul und wurde von diesem im
. achten Lebensjahr zum russischen Oberst, im zehnten zum Generalmajor und
Regimentschef ernannt. So konnte er sich schon im Feldzug 1807 mit jugend-
snsclM Geistes- und Körperkräften in höheren Stellungen^ bethätigen und stand
bereits 1812 an der Spitze einer Division, 1813 und 1814 an der eines
Armeecorps. Von nicht unbedeutender militärischer Begabung, strebsam, besonnen
und tapfer, schwang er sich in den letzten drei Jahren zu einem der ausgezeich¬
netsten Führer des russischen Heeres empor und fand Gelegenheit von Moskau
bis Paris Thaten zu verrichten, die in der Geschichte jener Zeit Epoche
machen. 1814 war er bereits commandirender General und mit den höchsten
russischen Orden geschmückt, der Liebling des Heeres, von dem Kaiser Alexan¬
der mit Huld, von der Kaiserin Mutter mit mütterlicher Zärtlichkeit behandelt.
Aber so voll gefüllt, wie ihm auch das Glück seinen Becher darbot, mischten
sich doch bittere Tropfen hinein. Die Huld, die ihm der Kaiser schenkte, war
groß, die Selbstverläugnung, die er ihm zumuthete, war aber noch größer.
Seine schönsten Waffenthaten, der heldenmüthige, die ganze verbündete Armee


Grenzboten II. 1863. ig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188152"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ein deutscher Fürst in russischen Diensten.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Memoiren des Herzogs von Würtemberg. &#x2014; Erster bis<lb/>
dritter Theil.</head><lb/>
            <div n="3">
              <head> 1.</head><lb/>
              <p xml:id="ID_402" next="#ID_403"> Prinzen, welche in einem Alter, wo sie noch die Nuthe des Schulmeisters hät¬<lb/>
ten fürchten sollen, schon Regimenter commandirten oder Generalepauletts trugen,<lb/>
waren früher, zumal im vorigen Jahrhunden eine ziemlich häufige Erscheinung.<lb/>
Seltener waren unter ihnen diejenigen, welche mit der ihnen durch die Geburt<lb/>
eingeräumten Bevorzugung Eigenschaften vereinigten, welche sie fähig machten<lb/>
als Jünglinge den Nang würdig auszufüllen, den ihnen das Schicksal vorzeitig<lb/>
in den Schoß geworfen. Zu diesen Wenigen gehörte der Prinz und spätere<lb/>
Herzog Eugen von Würtemberg. Geboren am 8. Januar 1788, aus einem<lb/>
Stamm, der sowohl dem deutschen Reiche wie dem aufstrebenden Königreich<lb/>
Preußen ausgezeichnete Truppenführer geliefert, gewann er sich frühzeitig die<lb/>
Gunst seines Onkels, des launenhaften Kaiser Paul und wurde von diesem im<lb/>
. achten Lebensjahr zum russischen Oberst, im zehnten zum Generalmajor und<lb/>
Regimentschef ernannt. So konnte er sich schon im Feldzug 1807 mit jugend-<lb/>
snsclM Geistes- und Körperkräften in höheren Stellungen^ bethätigen und stand<lb/>
bereits 1812 an der Spitze einer Division, 1813 und 1814 an der eines<lb/>
Armeecorps. Von nicht unbedeutender militärischer Begabung, strebsam, besonnen<lb/>
und tapfer, schwang er sich in den letzten drei Jahren zu einem der ausgezeich¬<lb/>
netsten Führer des russischen Heeres empor und fand Gelegenheit von Moskau<lb/>
bis Paris Thaten zu verrichten, die in der Geschichte jener Zeit Epoche<lb/>
machen. 1814 war er bereits commandirender General und mit den höchsten<lb/>
russischen Orden geschmückt, der Liebling des Heeres, von dem Kaiser Alexan¬<lb/>
der mit Huld, von der Kaiserin Mutter mit mütterlicher Zärtlichkeit behandelt.<lb/>
Aber so voll gefüllt, wie ihm auch das Glück seinen Becher darbot, mischten<lb/>
sich doch bittere Tropfen hinein. Die Huld, die ihm der Kaiser schenkte, war<lb/>
groß, die Selbstverläugnung, die er ihm zumuthete, war aber noch größer.<lb/>
Seine schönsten Waffenthaten, der heldenmüthige, die ganze verbündete Armee</p><lb/>
              <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1863. ig</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0125] Ein deutscher Fürst in russischen Diensten. Memoiren des Herzogs von Würtemberg. — Erster bis dritter Theil. 1. Prinzen, welche in einem Alter, wo sie noch die Nuthe des Schulmeisters hät¬ ten fürchten sollen, schon Regimenter commandirten oder Generalepauletts trugen, waren früher, zumal im vorigen Jahrhunden eine ziemlich häufige Erscheinung. Seltener waren unter ihnen diejenigen, welche mit der ihnen durch die Geburt eingeräumten Bevorzugung Eigenschaften vereinigten, welche sie fähig machten als Jünglinge den Nang würdig auszufüllen, den ihnen das Schicksal vorzeitig in den Schoß geworfen. Zu diesen Wenigen gehörte der Prinz und spätere Herzog Eugen von Würtemberg. Geboren am 8. Januar 1788, aus einem Stamm, der sowohl dem deutschen Reiche wie dem aufstrebenden Königreich Preußen ausgezeichnete Truppenführer geliefert, gewann er sich frühzeitig die Gunst seines Onkels, des launenhaften Kaiser Paul und wurde von diesem im . achten Lebensjahr zum russischen Oberst, im zehnten zum Generalmajor und Regimentschef ernannt. So konnte er sich schon im Feldzug 1807 mit jugend- snsclM Geistes- und Körperkräften in höheren Stellungen^ bethätigen und stand bereits 1812 an der Spitze einer Division, 1813 und 1814 an der eines Armeecorps. Von nicht unbedeutender militärischer Begabung, strebsam, besonnen und tapfer, schwang er sich in den letzten drei Jahren zu einem der ausgezeich¬ netsten Führer des russischen Heeres empor und fand Gelegenheit von Moskau bis Paris Thaten zu verrichten, die in der Geschichte jener Zeit Epoche machen. 1814 war er bereits commandirender General und mit den höchsten russischen Orden geschmückt, der Liebling des Heeres, von dem Kaiser Alexan¬ der mit Huld, von der Kaiserin Mutter mit mütterlicher Zärtlichkeit behandelt. Aber so voll gefüllt, wie ihm auch das Glück seinen Becher darbot, mischten sich doch bittere Tropfen hinein. Die Huld, die ihm der Kaiser schenkte, war groß, die Selbstverläugnung, die er ihm zumuthete, war aber noch größer. Seine schönsten Waffenthaten, der heldenmüthige, die ganze verbündete Armee Grenzboten II. 1863. ig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/125
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/125>, abgerufen am 27.09.2024.