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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Me Clellans Erdrückungstheorie dadurch zu unterstützen, daß man Stationen an
der Seeküste der rebellischen Staaten errichtete, von diesen aus nach dem Innern
operirte und so den Feind zu zwingen suchte, einen Theil seiner Streitkräfte
von dem eigentlichen Mittelpunkte des Krieges zurückzuziehen.

Die erste derartige Expedition ging nach Cap Hatteras an der Küste von
Nordcarolina, das jedoch rvegen des ungünstigen Terrains und der schwierigen
Landung, welche die dort stationirten Truppen häusig ohne allen Proviant lies!,
nach wenigen unbedeutenden Tressen so gut wie aufgegeben werden mußte.
Im November 1861 gingen Gerüchte über eine zweite, weit bedeutendere Flottcn-
expeditivn, welche einen entscheidenden Schlag führen sollte, und die Vorberei¬
tungen, welche bei Hamptvn Roads unter der Festung Monroe getroffen wurden,
ließen in der That Großartiges erwarten. Täglich schlugen neue Regimenter
ihr Lager bei Annapolis, dem Einschiffungsplatze, auf; täglich mehrten sich die
Kriegsschiffe, welche sich mit ihren Feuerschlünden unter die Kanonen der Festung
legten; jeder neue Morgen sah mehr Transportschiffe sich auf der Rhede wiegen,
und das Ordonnanzdepartement entwickelte eine wahrhaft fabelhafte Thätigkeit.
Wohin geht diese Armada? fragte sich der ganze Norden. Wohin? fragten sich
die Commandeure selbst, welche mit versiegelten Ordres in See gehn und
erst dort den Ort ihrer Bestimmung erfahren sollten. Einer glaubte, es sei
auf New-Orleans abgesehn; der Andere schickte die Expedition nach Pensacola
und Mohne, ein Dritter bewies haarklein, daß sie für den Nappahannock und
Jamesriver bestimmt sei, um unmittelbar mit Me Clellan zusammen zu operiren;
kurz Alles strotzte von strategischer Weisheit, und namentlich die Presse ließ es
sich außerordentlich angelegen sein, das Kriegsministerium über die beste und
wirksamste Verwendung der gesammelten Streitkräfte aufzuklären.

Da waren eines schönen Morgens sämmtliche Truppen aus Annapolis
verschwunden, und die stolze Flotte hatte bis auf wenige Schiffe die Rhede
Perlassen.

Mit athemloser Spannung wartete man auf Nachrichten von ihrem Auf¬
tauchen; aber Tag für Tag verging, ohne daß etwas verlautete; furchtbare
Stürme wütheten die ganze gefährliche Südküste entlang, und fast jeden Tag
kam ein Transportschiff zurück mit traurigen, entmutigenden Nachrichten. Eine
Menge Schiffe waren an den zahllosen Klippen Nordcarolina's zu Grunde
gegangen, und man hatte die ganze Expedition beinahe schon aufgegeben, als
Commodore Dupont durch seine Depesche über die Einnahme von Port Roya!
in Südcarolina im ganzen Norden einen endlosen Jubel hervorrief. Und in
der That war diese Nachricht wohl geeignet, den loyalen Norden zu erfreuen;
denn der Punkt zum Eindringen in das eigentliche Herz des Feindes konnte
nicht besser gewählt sein, und die Affaire an und für sich hatte etwas Glän¬
zendes, Ritterliches, was der Kriegführung des Nordens bis dahin ganz und


Me Clellans Erdrückungstheorie dadurch zu unterstützen, daß man Stationen an
der Seeküste der rebellischen Staaten errichtete, von diesen aus nach dem Innern
operirte und so den Feind zu zwingen suchte, einen Theil seiner Streitkräfte
von dem eigentlichen Mittelpunkte des Krieges zurückzuziehen.

Die erste derartige Expedition ging nach Cap Hatteras an der Küste von
Nordcarolina, das jedoch rvegen des ungünstigen Terrains und der schwierigen
Landung, welche die dort stationirten Truppen häusig ohne allen Proviant lies!,
nach wenigen unbedeutenden Tressen so gut wie aufgegeben werden mußte.
Im November 1861 gingen Gerüchte über eine zweite, weit bedeutendere Flottcn-
expeditivn, welche einen entscheidenden Schlag führen sollte, und die Vorberei¬
tungen, welche bei Hamptvn Roads unter der Festung Monroe getroffen wurden,
ließen in der That Großartiges erwarten. Täglich schlugen neue Regimenter
ihr Lager bei Annapolis, dem Einschiffungsplatze, auf; täglich mehrten sich die
Kriegsschiffe, welche sich mit ihren Feuerschlünden unter die Kanonen der Festung
legten; jeder neue Morgen sah mehr Transportschiffe sich auf der Rhede wiegen,
und das Ordonnanzdepartement entwickelte eine wahrhaft fabelhafte Thätigkeit.
Wohin geht diese Armada? fragte sich der ganze Norden. Wohin? fragten sich
die Commandeure selbst, welche mit versiegelten Ordres in See gehn und
erst dort den Ort ihrer Bestimmung erfahren sollten. Einer glaubte, es sei
auf New-Orleans abgesehn; der Andere schickte die Expedition nach Pensacola
und Mohne, ein Dritter bewies haarklein, daß sie für den Nappahannock und
Jamesriver bestimmt sei, um unmittelbar mit Me Clellan zusammen zu operiren;
kurz Alles strotzte von strategischer Weisheit, und namentlich die Presse ließ es
sich außerordentlich angelegen sein, das Kriegsministerium über die beste und
wirksamste Verwendung der gesammelten Streitkräfte aufzuklären.

Da waren eines schönen Morgens sämmtliche Truppen aus Annapolis
verschwunden, und die stolze Flotte hatte bis auf wenige Schiffe die Rhede
Perlassen.

Mit athemloser Spannung wartete man auf Nachrichten von ihrem Auf¬
tauchen; aber Tag für Tag verging, ohne daß etwas verlautete; furchtbare
Stürme wütheten die ganze gefährliche Südküste entlang, und fast jeden Tag
kam ein Transportschiff zurück mit traurigen, entmutigenden Nachrichten. Eine
Menge Schiffe waren an den zahllosen Klippen Nordcarolina's zu Grunde
gegangen, und man hatte die ganze Expedition beinahe schon aufgegeben, als
Commodore Dupont durch seine Depesche über die Einnahme von Port Roya!
in Südcarolina im ganzen Norden einen endlosen Jubel hervorrief. Und in
der That war diese Nachricht wohl geeignet, den loyalen Norden zu erfreuen;
denn der Punkt zum Eindringen in das eigentliche Herz des Feindes konnte
nicht besser gewählt sein, und die Affaire an und für sich hatte etwas Glän¬
zendes, Ritterliches, was der Kriegführung des Nordens bis dahin ganz und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/95>, abgerufen am 27.09.2024.