Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.
oder wie es gleich darauf heißt:
Wie unendlich verschieden dagegen ist Gedanke und Klang in Freiligraths
Die friedliche, anmuthige, einladende Stille der Oase klingt uns gleich¬
Sehr treffend bemerkt über dieses Gedicht Poggel: "In den Reimklängen
oder wie es gleich darauf heißt:
Wie unendlich verschieden dagegen ist Gedanke und Klang in Freiligraths
Die friedliche, anmuthige, einladende Stille der Oase klingt uns gleich¬
Sehr treffend bemerkt über dieses Gedicht Poggel: „In den Reimklängen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114924"/> <quote> <lg xml:id="POEMID_1" type="poem"> <l> Die Schollen rollten Schuß auf Schuß,<lb/> Von beiden Usern hier und dort,<lb/> Von beiden Usern riß der Fluß<lb/> Die Pfeiler sammt den Bogen fort;</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_196" prev="#ID_195"> oder wie es gleich darauf heißt:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <l> Zerborsten und zertrümmert schoß<lb/> Ein Pfeiler nach dem andern fort.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_197"> Wie unendlich verschieden dagegen ist Gedanke und Klang in Freiligraths<lb/> Worten:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l> Fremdling, laß deine Stute grasen;<lb/> O zieh nicht weiter diese Nacht!<lb/> Dies ist die schönste der Oasen;<lb/> Im gelben Sandmeer glänzt ihr Rasen<lb/> Wie zwischen schimmernden Topasen<lb/> Ein grüner glänzender Smaragd.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_198"> Die friedliche, anmuthige, einladende Stille der Oase klingt uns gleich¬<lb/> sam schon aus den Worten entgegen, und an einem solchen Beispiele wird auch<lb/> dem Unachtsamen leicht klar, wie wohl begründet das oben über den Cha¬<lb/> rakter des a Gesagte ist. Man denke überall ein u statt eines a — und der<lb/> Eindruck ist ein total verschiedener. Bekanntlich ist al oder das gleichklingende<lb/> el ein Schmerzenslaut; nun lese man das Gebet Gretchens im Faust: Ach<lb/> neige — du schmerzensreiche u. s. w. und sehe, wie der Laut el immer und<lb/> immer darin wiederkehrt; sollte das ohne Bedeutung und Absicht sein? In<lb/> Wilhelm Meisters Lehrjahren singen Mignon und der Harfenspieler ein Lied,<lb/> das wir ganz mittheilen wollen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l> Nur wer die Sehnsucht kennt.<lb/> Weiß was ich leide i<lb/> Allein und abgetrennt<lb/> Von aller Freude,<lb/> Seh' ich ans Firmament<lb/> Nach jener Seite.'<lb/> Ach! der mich liebt und kennt,<lb/> Ist in der Weite!<lb/> Es schwindet mir, es brennt<lb/> Mein Eingeweide.<lb/> Nur wer die Sehnsucht kennt.<lb/> Weiß was ich leide.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_199" next="#ID_200"> Sehr treffend bemerkt über dieses Gedicht Poggel: „In den Reimklängen<lb/> dieses Gedichtes, in den harten, abgebrochenen Lauten kennt, brennt u. s. w.<lb/> und den weich und innig andringenden leide. Freude. Seite, Weite liegt etwas</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
Die Schollen rollten Schuß auf Schuß,
Von beiden Usern hier und dort,
Von beiden Usern riß der Fluß
Die Pfeiler sammt den Bogen fort;
oder wie es gleich darauf heißt:
Zerborsten und zertrümmert schoß
Ein Pfeiler nach dem andern fort.
Wie unendlich verschieden dagegen ist Gedanke und Klang in Freiligraths
Worten:
Fremdling, laß deine Stute grasen;
O zieh nicht weiter diese Nacht!
Dies ist die schönste der Oasen;
Im gelben Sandmeer glänzt ihr Rasen
Wie zwischen schimmernden Topasen
Ein grüner glänzender Smaragd.
Die friedliche, anmuthige, einladende Stille der Oase klingt uns gleich¬
sam schon aus den Worten entgegen, und an einem solchen Beispiele wird auch
dem Unachtsamen leicht klar, wie wohl begründet das oben über den Cha¬
rakter des a Gesagte ist. Man denke überall ein u statt eines a — und der
Eindruck ist ein total verschiedener. Bekanntlich ist al oder das gleichklingende
el ein Schmerzenslaut; nun lese man das Gebet Gretchens im Faust: Ach
neige — du schmerzensreiche u. s. w. und sehe, wie der Laut el immer und
immer darin wiederkehrt; sollte das ohne Bedeutung und Absicht sein? In
Wilhelm Meisters Lehrjahren singen Mignon und der Harfenspieler ein Lied,
das wir ganz mittheilen wollen:
Nur wer die Sehnsucht kennt.
Weiß was ich leide i
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh' ich ans Firmament
Nach jener Seite.'
Ach! der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite!
Es schwindet mir, es brennt
Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt.
Weiß was ich leide.
Sehr treffend bemerkt über dieses Gedicht Poggel: „In den Reimklängen
dieses Gedichtes, in den harten, abgebrochenen Lauten kennt, brennt u. s. w.
und den weich und innig andringenden leide. Freude. Seite, Weite liegt etwas
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