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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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üppige Leben nackter Mädchengestalten, in eine Gluth und Wollust der Farbe,
welche vollkommen blendend sind. Was Goethe in seiner Farbenlehre theore¬
tisch, das hat Riedel praktisch zu einer Kunst entwickelt. Kein anderer
Maler versteht wie er durch eigenthümliches Nebeneinandersetzen der anscheinend
einander am meisten widersprechenden Farben einen frappanten Effect hervorzu¬
bringen. Wir sahen im Frühjahr 18K1 in Riedels Atelier ein großes Genre¬
bild, die Figuren in Lebensgröße: "badende Mädchen unter einem von den
Strahlen der Sonne durchleuchteten Dickicht von blühenden Granaten, Olean¬
dern und Rosen." Es war ein fabelhafter Licht- und Farbeneffect in diesem
Bilde und in den jugendlichen Körperformen der Mädchen, in der Farbe des
Fleisches, in den Reflexen, die auf demselben spielten, ein unbeschreiblicher
Reiz. Dennoch gewährte das Bild nur wenigen der Beschauer eine innere
Befriedigung und vielfach hörte man die Ansicht aussprechen, daß der Künstler
auf der äußersten Grenze angekommen sei, wo die Kunst dem rein sinnlichen
Empfinden zu erliegen beginnt; daß ferner ein so trivialer Inhalt nicht in
so anspruchsvollen Umfange auftretendürfe. Was im Kleinen lieblich und reizend
sein mag, das erscheint im Großen vielleicht unschön und überladen, und diese Fülle
an Leinewand und Farbenpracht hätte Wohl einem großartigeren Motive zu Theil
werden können, wie Riedel es sonst in seiner Sacontala, Meuoka, Sopho-
nisbe :c. mit glücklichem Griffe zu finden wußte. Wir sahen dieses Bild spä¬
ter auf der Pariser Ausstellung wieder und können versichern, daß es dort Lar
keinen Eindruck hervorbrachte, sondern unter der Masse ähnlicher Motive auch
mit seiner Farbe und seinem Licht ganz unbeachtet blieb. Aus einem späteren
Bilde von Riedel. einer Sklavin, war zu erkennen, daß der Künstler auf dem
gefährlichen Wege weiter wandelt.

Riedels Manier hat eine Menge Nachahmer gefunden. Bis zu welchem
Grade diese sich verirren können, bemerken wir an Pollacks Bildern, eines
Künstlers, von welchem wir vor mehren Jahren Vortreffliches sahen, der aber
jetzt ohne Riedels Wissen und Talent bei der Carricatur angekommen ist.

Bon W. Wieder's früheren Bildern sind uns nur seine ungemein leben¬
digen und charakteristischen Scenen aus dem römischen Fasching erinnerlich.
Neuerdings sind drei größere Bilder aus seinem Atelier hervorgegangen, welche
in das historische Genre hineinreichen. Das vorzüglichste derselben hat nicht
blos in Rom die wohlverdiente Anerkennung gefunden, sondern auch ehrenvoll
seinen Platz auf der Pariser Ausstellung behauptet; wir meinen seine "Sünden¬
vergebung am grünen Donnerstag in S. Peter", vortrefflich in Wahl des
Gegenstandes, Komposition und Ausführung. Später vollendete er ein Pen¬
dant zu diesem Bilde, "die Einkleidung einer Nonne". Abgesehen davon, daß
der Gegenstand schon gar zu oft da gewesen ist, so waren hier die Beziehungen
der Figuren unter einander doch gar zu trivial. Auch im Ton und im Arran-


üppige Leben nackter Mädchengestalten, in eine Gluth und Wollust der Farbe,
welche vollkommen blendend sind. Was Goethe in seiner Farbenlehre theore¬
tisch, das hat Riedel praktisch zu einer Kunst entwickelt. Kein anderer
Maler versteht wie er durch eigenthümliches Nebeneinandersetzen der anscheinend
einander am meisten widersprechenden Farben einen frappanten Effect hervorzu¬
bringen. Wir sahen im Frühjahr 18K1 in Riedels Atelier ein großes Genre¬
bild, die Figuren in Lebensgröße: „badende Mädchen unter einem von den
Strahlen der Sonne durchleuchteten Dickicht von blühenden Granaten, Olean¬
dern und Rosen." Es war ein fabelhafter Licht- und Farbeneffect in diesem
Bilde und in den jugendlichen Körperformen der Mädchen, in der Farbe des
Fleisches, in den Reflexen, die auf demselben spielten, ein unbeschreiblicher
Reiz. Dennoch gewährte das Bild nur wenigen der Beschauer eine innere
Befriedigung und vielfach hörte man die Ansicht aussprechen, daß der Künstler
auf der äußersten Grenze angekommen sei, wo die Kunst dem rein sinnlichen
Empfinden zu erliegen beginnt; daß ferner ein so trivialer Inhalt nicht in
so anspruchsvollen Umfange auftretendürfe. Was im Kleinen lieblich und reizend
sein mag, das erscheint im Großen vielleicht unschön und überladen, und diese Fülle
an Leinewand und Farbenpracht hätte Wohl einem großartigeren Motive zu Theil
werden können, wie Riedel es sonst in seiner Sacontala, Meuoka, Sopho-
nisbe :c. mit glücklichem Griffe zu finden wußte. Wir sahen dieses Bild spä¬
ter auf der Pariser Ausstellung wieder und können versichern, daß es dort Lar
keinen Eindruck hervorbrachte, sondern unter der Masse ähnlicher Motive auch
mit seiner Farbe und seinem Licht ganz unbeachtet blieb. Aus einem späteren
Bilde von Riedel. einer Sklavin, war zu erkennen, daß der Künstler auf dem
gefährlichen Wege weiter wandelt.

Riedels Manier hat eine Menge Nachahmer gefunden. Bis zu welchem
Grade diese sich verirren können, bemerken wir an Pollacks Bildern, eines
Künstlers, von welchem wir vor mehren Jahren Vortreffliches sahen, der aber
jetzt ohne Riedels Wissen und Talent bei der Carricatur angekommen ist.

Bon W. Wieder's früheren Bildern sind uns nur seine ungemein leben¬
digen und charakteristischen Scenen aus dem römischen Fasching erinnerlich.
Neuerdings sind drei größere Bilder aus seinem Atelier hervorgegangen, welche
in das historische Genre hineinreichen. Das vorzüglichste derselben hat nicht
blos in Rom die wohlverdiente Anerkennung gefunden, sondern auch ehrenvoll
seinen Platz auf der Pariser Ausstellung behauptet; wir meinen seine „Sünden¬
vergebung am grünen Donnerstag in S. Peter", vortrefflich in Wahl des
Gegenstandes, Komposition und Ausführung. Später vollendete er ein Pen¬
dant zu diesem Bilde, „die Einkleidung einer Nonne". Abgesehen davon, daß
der Gegenstand schon gar zu oft da gewesen ist, so waren hier die Beziehungen
der Figuren unter einander doch gar zu trivial. Auch im Ton und im Arran-


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[0523] üppige Leben nackter Mädchengestalten, in eine Gluth und Wollust der Farbe, welche vollkommen blendend sind. Was Goethe in seiner Farbenlehre theore¬ tisch, das hat Riedel praktisch zu einer Kunst entwickelt. Kein anderer Maler versteht wie er durch eigenthümliches Nebeneinandersetzen der anscheinend einander am meisten widersprechenden Farben einen frappanten Effect hervorzu¬ bringen. Wir sahen im Frühjahr 18K1 in Riedels Atelier ein großes Genre¬ bild, die Figuren in Lebensgröße: „badende Mädchen unter einem von den Strahlen der Sonne durchleuchteten Dickicht von blühenden Granaten, Olean¬ dern und Rosen." Es war ein fabelhafter Licht- und Farbeneffect in diesem Bilde und in den jugendlichen Körperformen der Mädchen, in der Farbe des Fleisches, in den Reflexen, die auf demselben spielten, ein unbeschreiblicher Reiz. Dennoch gewährte das Bild nur wenigen der Beschauer eine innere Befriedigung und vielfach hörte man die Ansicht aussprechen, daß der Künstler auf der äußersten Grenze angekommen sei, wo die Kunst dem rein sinnlichen Empfinden zu erliegen beginnt; daß ferner ein so trivialer Inhalt nicht in so anspruchsvollen Umfange auftretendürfe. Was im Kleinen lieblich und reizend sein mag, das erscheint im Großen vielleicht unschön und überladen, und diese Fülle an Leinewand und Farbenpracht hätte Wohl einem großartigeren Motive zu Theil werden können, wie Riedel es sonst in seiner Sacontala, Meuoka, Sopho- nisbe :c. mit glücklichem Griffe zu finden wußte. Wir sahen dieses Bild spä¬ ter auf der Pariser Ausstellung wieder und können versichern, daß es dort Lar keinen Eindruck hervorbrachte, sondern unter der Masse ähnlicher Motive auch mit seiner Farbe und seinem Licht ganz unbeachtet blieb. Aus einem späteren Bilde von Riedel. einer Sklavin, war zu erkennen, daß der Künstler auf dem gefährlichen Wege weiter wandelt. Riedels Manier hat eine Menge Nachahmer gefunden. Bis zu welchem Grade diese sich verirren können, bemerken wir an Pollacks Bildern, eines Künstlers, von welchem wir vor mehren Jahren Vortreffliches sahen, der aber jetzt ohne Riedels Wissen und Talent bei der Carricatur angekommen ist. Bon W. Wieder's früheren Bildern sind uns nur seine ungemein leben¬ digen und charakteristischen Scenen aus dem römischen Fasching erinnerlich. Neuerdings sind drei größere Bilder aus seinem Atelier hervorgegangen, welche in das historische Genre hineinreichen. Das vorzüglichste derselben hat nicht blos in Rom die wohlverdiente Anerkennung gefunden, sondern auch ehrenvoll seinen Platz auf der Pariser Ausstellung behauptet; wir meinen seine „Sünden¬ vergebung am grünen Donnerstag in S. Peter", vortrefflich in Wahl des Gegenstandes, Komposition und Ausführung. Später vollendete er ein Pen¬ dant zu diesem Bilde, „die Einkleidung einer Nonne". Abgesehen davon, daß der Gegenstand schon gar zu oft da gewesen ist, so waren hier die Beziehungen der Figuren unter einander doch gar zu trivial. Auch im Ton und im Arran-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/523>, abgerufen am 27.09.2024.