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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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liebenswürdige Menschen von vortrefflich conservcitiver Gesinnung, die mit
deutscher Gründlichkeit die Augsburger Allgemeine studiren, und Ruhe und
Friede in Rom über Alles lieben. Oder wandle Abends in den deut¬
schen Verein im Palazzo Poli an der prachtvollen Fontana Trevi, wo
jeder Deutsche freundliche Aufnahme und in zahlreicher Gesellschaft alle ver¬
schiedenen Mundarten und Sitten des lieben Vaterlandes vertreten findet.
Wenn auch sonst nirgend, so wirst Du doch hier deutsche Einigkeit zur Wahr¬
heit geworden finden. Nur ein kleiner Theil dieser Gesellschaft ist in Rom
stabil angesessen, der größere regenerirt sich alljährlich. Die guten alten Zeiten
sind vorüber, und mancher "alte Römer" hat in den letzten Jahren sein Bün¬
del geschnürt, um dem heimathlichen Heerde zuzuziehen,' so namentlich Villers
der Landschastler. der Nestor der lebensfrischen Elemente unter den deutschen
Malern. Aber nach wie vor wandern die Jünger der Kunst über die Alpen,
entweder hoffnungsreich und lernbegierig dem gelobten römischen Lande zu,
oder von dort zurückkehrend mit dem Stein der Weisen in der Tasche und
mit der Sehnsucht nach der ewigen Stadt im Herzen. Von dem deutschen
Künstlerleben in Rom früherer Jahre ist kaum noch ein Schatten geblieben;
das Cervara-Fest, it Karnevale äei leäösedi, ist durch den letzten italienischen
Krieg zu Grabe getragen worden, und nur noch dem Scheidenden wird der
Abschiedstrank aus der Fontana Trevi gereicht.

Die in Rom stabil angesessenen Maler bilden die Maieraristokratie, welche
mit Selbstbewußtsein und Verachtung auf den Schwarm der Zugvögel herab¬
schaut. Sie kennt Rom und römisches Leben von Grund aus, zieht in ihren
alten Tagen nur ausnahmsweise hinaus in die Campagna, im Sommer höch¬
stens auf einige Wochen nach dem comfortablen Albano oder "ach Aricia zum
biederen Martorelli, nicht um den alten hergebrachten Schlendrian durch neue
Eindrücke zu erfrisclM, sondern um der Hitze in der Stadt und der al'i-z. es.t,-
lips. aus dem Wege zu gehen. Diese Maler sind es, deren luxuriös ausgestat¬
tete Ateliers mit vortheilhaft aufgestellten Bildern und Wohl arrangirten Album¬
tischen den Besuch der Fremden erwarten, welcher so sicher zu ihnen, wie zum
Vatikan und Colosseum vom Lohndiener geleitet wird. Höchst anständig, meist
mit tadellosem xoito prariM (Cylinderhut) und blanken Stiefeln geht diese
Aristokratie einher, speist in irgend einem Hotel um sechs Uhr zu Mittag und
verbringt ihren Abend auf den Routs von Fürsten, Cardinälen und Gesandten.
Unterhalb dieser Region bewegt sich mit breitrandigen Strohhut, gelben Schuhen,
in zwanglosen Manieren der plebejische Haufe der Zugvögel, oft geniale, talent¬
volle und tüchtige Menschen, die ihre Stipendien verzehren, nie ohne das
Skizzenbuch zu sehen sind und die Campagna mit ihren weißen Schirmen
beleben. In den Sommermonaten füllen sie die Lokanden der entfernteren,
von der Cultur noch wenig angehauchten Ortschaften des Vvlsker- und Sabiner-


liebenswürdige Menschen von vortrefflich conservcitiver Gesinnung, die mit
deutscher Gründlichkeit die Augsburger Allgemeine studiren, und Ruhe und
Friede in Rom über Alles lieben. Oder wandle Abends in den deut¬
schen Verein im Palazzo Poli an der prachtvollen Fontana Trevi, wo
jeder Deutsche freundliche Aufnahme und in zahlreicher Gesellschaft alle ver¬
schiedenen Mundarten und Sitten des lieben Vaterlandes vertreten findet.
Wenn auch sonst nirgend, so wirst Du doch hier deutsche Einigkeit zur Wahr¬
heit geworden finden. Nur ein kleiner Theil dieser Gesellschaft ist in Rom
stabil angesessen, der größere regenerirt sich alljährlich. Die guten alten Zeiten
sind vorüber, und mancher „alte Römer" hat in den letzten Jahren sein Bün¬
del geschnürt, um dem heimathlichen Heerde zuzuziehen,' so namentlich Villers
der Landschastler. der Nestor der lebensfrischen Elemente unter den deutschen
Malern. Aber nach wie vor wandern die Jünger der Kunst über die Alpen,
entweder hoffnungsreich und lernbegierig dem gelobten römischen Lande zu,
oder von dort zurückkehrend mit dem Stein der Weisen in der Tasche und
mit der Sehnsucht nach der ewigen Stadt im Herzen. Von dem deutschen
Künstlerleben in Rom früherer Jahre ist kaum noch ein Schatten geblieben;
das Cervara-Fest, it Karnevale äei leäösedi, ist durch den letzten italienischen
Krieg zu Grabe getragen worden, und nur noch dem Scheidenden wird der
Abschiedstrank aus der Fontana Trevi gereicht.

Die in Rom stabil angesessenen Maler bilden die Maieraristokratie, welche
mit Selbstbewußtsein und Verachtung auf den Schwarm der Zugvögel herab¬
schaut. Sie kennt Rom und römisches Leben von Grund aus, zieht in ihren
alten Tagen nur ausnahmsweise hinaus in die Campagna, im Sommer höch¬
stens auf einige Wochen nach dem comfortablen Albano oder »ach Aricia zum
biederen Martorelli, nicht um den alten hergebrachten Schlendrian durch neue
Eindrücke zu erfrisclM, sondern um der Hitze in der Stadt und der al'i-z. es.t,-
lips. aus dem Wege zu gehen. Diese Maler sind es, deren luxuriös ausgestat¬
tete Ateliers mit vortheilhaft aufgestellten Bildern und Wohl arrangirten Album¬
tischen den Besuch der Fremden erwarten, welcher so sicher zu ihnen, wie zum
Vatikan und Colosseum vom Lohndiener geleitet wird. Höchst anständig, meist
mit tadellosem xoito prariM (Cylinderhut) und blanken Stiefeln geht diese
Aristokratie einher, speist in irgend einem Hotel um sechs Uhr zu Mittag und
verbringt ihren Abend auf den Routs von Fürsten, Cardinälen und Gesandten.
Unterhalb dieser Region bewegt sich mit breitrandigen Strohhut, gelben Schuhen,
in zwanglosen Manieren der plebejische Haufe der Zugvögel, oft geniale, talent¬
volle und tüchtige Menschen, die ihre Stipendien verzehren, nie ohne das
Skizzenbuch zu sehen sind und die Campagna mit ihren weißen Schirmen
beleben. In den Sommermonaten füllen sie die Lokanden der entfernteren,
von der Cultur noch wenig angehauchten Ortschaften des Vvlsker- und Sabiner-


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[0521] liebenswürdige Menschen von vortrefflich conservcitiver Gesinnung, die mit deutscher Gründlichkeit die Augsburger Allgemeine studiren, und Ruhe und Friede in Rom über Alles lieben. Oder wandle Abends in den deut¬ schen Verein im Palazzo Poli an der prachtvollen Fontana Trevi, wo jeder Deutsche freundliche Aufnahme und in zahlreicher Gesellschaft alle ver¬ schiedenen Mundarten und Sitten des lieben Vaterlandes vertreten findet. Wenn auch sonst nirgend, so wirst Du doch hier deutsche Einigkeit zur Wahr¬ heit geworden finden. Nur ein kleiner Theil dieser Gesellschaft ist in Rom stabil angesessen, der größere regenerirt sich alljährlich. Die guten alten Zeiten sind vorüber, und mancher „alte Römer" hat in den letzten Jahren sein Bün¬ del geschnürt, um dem heimathlichen Heerde zuzuziehen,' so namentlich Villers der Landschastler. der Nestor der lebensfrischen Elemente unter den deutschen Malern. Aber nach wie vor wandern die Jünger der Kunst über die Alpen, entweder hoffnungsreich und lernbegierig dem gelobten römischen Lande zu, oder von dort zurückkehrend mit dem Stein der Weisen in der Tasche und mit der Sehnsucht nach der ewigen Stadt im Herzen. Von dem deutschen Künstlerleben in Rom früherer Jahre ist kaum noch ein Schatten geblieben; das Cervara-Fest, it Karnevale äei leäösedi, ist durch den letzten italienischen Krieg zu Grabe getragen worden, und nur noch dem Scheidenden wird der Abschiedstrank aus der Fontana Trevi gereicht. Die in Rom stabil angesessenen Maler bilden die Maieraristokratie, welche mit Selbstbewußtsein und Verachtung auf den Schwarm der Zugvögel herab¬ schaut. Sie kennt Rom und römisches Leben von Grund aus, zieht in ihren alten Tagen nur ausnahmsweise hinaus in die Campagna, im Sommer höch¬ stens auf einige Wochen nach dem comfortablen Albano oder »ach Aricia zum biederen Martorelli, nicht um den alten hergebrachten Schlendrian durch neue Eindrücke zu erfrisclM, sondern um der Hitze in der Stadt und der al'i-z. es.t,- lips. aus dem Wege zu gehen. Diese Maler sind es, deren luxuriös ausgestat¬ tete Ateliers mit vortheilhaft aufgestellten Bildern und Wohl arrangirten Album¬ tischen den Besuch der Fremden erwarten, welcher so sicher zu ihnen, wie zum Vatikan und Colosseum vom Lohndiener geleitet wird. Höchst anständig, meist mit tadellosem xoito prariM (Cylinderhut) und blanken Stiefeln geht diese Aristokratie einher, speist in irgend einem Hotel um sechs Uhr zu Mittag und verbringt ihren Abend auf den Routs von Fürsten, Cardinälen und Gesandten. Unterhalb dieser Region bewegt sich mit breitrandigen Strohhut, gelben Schuhen, in zwanglosen Manieren der plebejische Haufe der Zugvögel, oft geniale, talent¬ volle und tüchtige Menschen, die ihre Stipendien verzehren, nie ohne das Skizzenbuch zu sehen sind und die Campagna mit ihren weißen Schirmen beleben. In den Sommermonaten füllen sie die Lokanden der entfernteren, von der Cultur noch wenig angehauchten Ortschaften des Vvlsker- und Sabiner-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/521>, abgerufen am 27.09.2024.