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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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von dem Gutsinspector P. die Wohnung gekündigt und ihm angezeigt, daß
er dieselbe zu Johannis desselben Jahres zu verlassen habe. Krischan Schule
zeigt aber an dem festgesetzten Termine dem Inspector an, er habe trotz aller
angestellten Nachforschungen keine neue Heimath finden können. "Das geht
mich nichts an," sagt der Inspector, "Er ist rechtzeitig gekündigt, die Woh¬
nung ist anderweitig vergeben, Er wird auf die Straße gesetzt." -- Ganz in
der Ordnung! -- Es geschieht und Krischan Schule sitzt eines schönen Juni-
iagcs mit Frau und sieben Kindern inmitten seiner Habseligkeiten auf der
Straße, "den Himmel über sich zum Zelt und um sich her die Nacht."

Aber das geht doch nicht, hier muß doch etwas geschehn. -- Krischan
Schule meldet sich bei dem Herrn Landrath in Demmin und klagt ihm seine
Noth.

"Wie lange hat Er in Käseke gewohnt?" fragt der Herr Landrath. --
"Nagen Johr", ist die Antwort. -- "Wo hat Er denn früher gewohnt?" --
"Mahnt heww ik vordem noch gor nich, ik bün ok so awer de Grenz gahn
un heww in Kcisch drum frigt." -- "Dann ist Er ja ein Mecklenburger." --
"Ja, ik bün ut den Jvenackschen. ut Bas'paul." -- "Ist Er denn naturalisirt?"
-- Dat weit ich gor nich, wat dat is." -- "Dann haben wir nichts mit Ihm
zu thun, dann MUß Er nach Basepohl wieder zurück."

Der betreffende Befehl wird gegeben, Krischan Schule wird mit Frau und
Kind, mit Sack und Pack aufgeladen und über' die Grenze nach Basepohl,
einem Gute des Grasen Plessen auf Jvenack, gefahren. -- Er meldet sich bei
dem Gutsinspector D.: "Gun Dag ok, Herr, nu bün ik wedder dir." -- "Wer
is Hei, und wat will Hei?" -- "Je, Herr, ik bün den oller Jochen Schul¬
ter sin Sahn und snow in Käses mahnt; ä'wer de Preußen wil'n mi dor nich
länger beHollen un hewwen mi mit min Fru un Kinner awer de Grenz
broche." -- "So? Also Fru und Kinner hett Hei ok noch? -- Wo lang' mahnt
Hei denn all in'n Preußschen?" -- "Nagen Johr." -- "Denn holl Hei sick
jo bileiwe nich up! denn seit Hei sik fix wedder up den Wagen, dat Hei lau
führen mit kümmt. -- Wi nehmen Em dir nich wedder up." -- Krischan
Schule setzt sich also wieder auf den Wagen und fährt nach Käseke zurück. --
"So. Herr," sagt er zudem Inspector P., "wat nu?" -- "Je, wat nu!" er¬
hält er zur Antwort, "ik nem Em dir nich wedder an." -- "Na, denn not
ik mi woll wedder en beten an den Herrn Landrath ranneswcnken," sagt
Krischan Schule und geht nach Demmin. -- "So, Herr, nu bün ik wedder
dir," sagt er zum Herrn Landrath. -- "Das sehe ich," erhält er zur Antwort;
"aber hier bleibt Er nicht. Er muß wieder über die Grenze." -- "Ja, denn
helpt dat nich,"^ sagt Krischan Schule, läßt sich mit Familie und Effecten wie¬
der ausladen, nimmt Abschied von Käseke und hört nur noch, wie der In-
spector P. dem Fuhrknecht den Befehl gibt, er solle die Gesellschaft über die


von dem Gutsinspector P. die Wohnung gekündigt und ihm angezeigt, daß
er dieselbe zu Johannis desselben Jahres zu verlassen habe. Krischan Schule
zeigt aber an dem festgesetzten Termine dem Inspector an, er habe trotz aller
angestellten Nachforschungen keine neue Heimath finden können. „Das geht
mich nichts an," sagt der Inspector, „Er ist rechtzeitig gekündigt, die Woh¬
nung ist anderweitig vergeben, Er wird auf die Straße gesetzt." — Ganz in
der Ordnung! — Es geschieht und Krischan Schule sitzt eines schönen Juni-
iagcs mit Frau und sieben Kindern inmitten seiner Habseligkeiten auf der
Straße, „den Himmel über sich zum Zelt und um sich her die Nacht."

Aber das geht doch nicht, hier muß doch etwas geschehn. — Krischan
Schule meldet sich bei dem Herrn Landrath in Demmin und klagt ihm seine
Noth.

„Wie lange hat Er in Käseke gewohnt?" fragt der Herr Landrath. —
„Nagen Johr", ist die Antwort. — „Wo hat Er denn früher gewohnt?" —
„Mahnt heww ik vordem noch gor nich, ik bün ok so awer de Grenz gahn
un heww in Kcisch drum frigt." — „Dann ist Er ja ein Mecklenburger." —
„Ja, ik bün ut den Jvenackschen. ut Bas'paul." — „Ist Er denn naturalisirt?"
— Dat weit ich gor nich, wat dat is." — „Dann haben wir nichts mit Ihm
zu thun, dann MUß Er nach Basepohl wieder zurück."

Der betreffende Befehl wird gegeben, Krischan Schule wird mit Frau und
Kind, mit Sack und Pack aufgeladen und über' die Grenze nach Basepohl,
einem Gute des Grasen Plessen auf Jvenack, gefahren. — Er meldet sich bei
dem Gutsinspector D.: „Gun Dag ok, Herr, nu bün ik wedder dir." — „Wer
is Hei, und wat will Hei?" — „Je, Herr, ik bün den oller Jochen Schul¬
ter sin Sahn und snow in Käses mahnt; ä'wer de Preußen wil'n mi dor nich
länger beHollen un hewwen mi mit min Fru un Kinner awer de Grenz
broche." — „So? Also Fru und Kinner hett Hei ok noch? — Wo lang' mahnt
Hei denn all in'n Preußschen?" — „Nagen Johr." — „Denn holl Hei sick
jo bileiwe nich up! denn seit Hei sik fix wedder up den Wagen, dat Hei lau
führen mit kümmt. — Wi nehmen Em dir nich wedder up." — Krischan
Schule setzt sich also wieder auf den Wagen und fährt nach Käseke zurück. —
„So. Herr," sagt er zudem Inspector P., „wat nu?" — „Je, wat nu!" er¬
hält er zur Antwort, „ik nem Em dir nich wedder an." — „Na, denn not
ik mi woll wedder en beten an den Herrn Landrath ranneswcnken," sagt
Krischan Schule und geht nach Demmin. — „So, Herr, nu bün ik wedder
dir," sagt er zum Herrn Landrath. — „Das sehe ich," erhält er zur Antwort;
„aber hier bleibt Er nicht. Er muß wieder über die Grenze." — „Ja, denn
helpt dat nich,"^ sagt Krischan Schule, läßt sich mit Familie und Effecten wie¬
der ausladen, nimmt Abschied von Käseke und hört nur noch, wie der In-
spector P. dem Fuhrknecht den Befehl gibt, er solle die Gesellschaft über die


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[0514] von dem Gutsinspector P. die Wohnung gekündigt und ihm angezeigt, daß er dieselbe zu Johannis desselben Jahres zu verlassen habe. Krischan Schule zeigt aber an dem festgesetzten Termine dem Inspector an, er habe trotz aller angestellten Nachforschungen keine neue Heimath finden können. „Das geht mich nichts an," sagt der Inspector, „Er ist rechtzeitig gekündigt, die Woh¬ nung ist anderweitig vergeben, Er wird auf die Straße gesetzt." — Ganz in der Ordnung! — Es geschieht und Krischan Schule sitzt eines schönen Juni- iagcs mit Frau und sieben Kindern inmitten seiner Habseligkeiten auf der Straße, „den Himmel über sich zum Zelt und um sich her die Nacht." Aber das geht doch nicht, hier muß doch etwas geschehn. — Krischan Schule meldet sich bei dem Herrn Landrath in Demmin und klagt ihm seine Noth. „Wie lange hat Er in Käseke gewohnt?" fragt der Herr Landrath. — „Nagen Johr", ist die Antwort. — „Wo hat Er denn früher gewohnt?" — „Mahnt heww ik vordem noch gor nich, ik bün ok so awer de Grenz gahn un heww in Kcisch drum frigt." — „Dann ist Er ja ein Mecklenburger." — „Ja, ik bün ut den Jvenackschen. ut Bas'paul." — „Ist Er denn naturalisirt?" — Dat weit ich gor nich, wat dat is." — „Dann haben wir nichts mit Ihm zu thun, dann MUß Er nach Basepohl wieder zurück." Der betreffende Befehl wird gegeben, Krischan Schule wird mit Frau und Kind, mit Sack und Pack aufgeladen und über' die Grenze nach Basepohl, einem Gute des Grasen Plessen auf Jvenack, gefahren. — Er meldet sich bei dem Gutsinspector D.: „Gun Dag ok, Herr, nu bün ik wedder dir." — „Wer is Hei, und wat will Hei?" — „Je, Herr, ik bün den oller Jochen Schul¬ ter sin Sahn und snow in Käses mahnt; ä'wer de Preußen wil'n mi dor nich länger beHollen un hewwen mi mit min Fru un Kinner awer de Grenz broche." — „So? Also Fru und Kinner hett Hei ok noch? — Wo lang' mahnt Hei denn all in'n Preußschen?" — „Nagen Johr." — „Denn holl Hei sick jo bileiwe nich up! denn seit Hei sik fix wedder up den Wagen, dat Hei lau führen mit kümmt. — Wi nehmen Em dir nich wedder up." — Krischan Schule setzt sich also wieder auf den Wagen und fährt nach Käseke zurück. — „So. Herr," sagt er zudem Inspector P., „wat nu?" — „Je, wat nu!" er¬ hält er zur Antwort, „ik nem Em dir nich wedder an." — „Na, denn not ik mi woll wedder en beten an den Herrn Landrath ranneswcnken," sagt Krischan Schule und geht nach Demmin. — „So, Herr, nu bün ik wedder dir," sagt er zum Herrn Landrath. — „Das sehe ich," erhält er zur Antwort; „aber hier bleibt Er nicht. Er muß wieder über die Grenze." — „Ja, denn helpt dat nich,"^ sagt Krischan Schule, läßt sich mit Familie und Effecten wie¬ der ausladen, nimmt Abschied von Käseke und hört nur noch, wie der In- spector P. dem Fuhrknecht den Befehl gibt, er solle die Gesellschaft über die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/514>, abgerufen am 27.09.2024.