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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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das erste gut heißt und lobt, aber das andere verdammt und als dem Begriff
des Königthums widerstrebend hinstellt, hat wenig von seiner Bedeutung be¬
griffen." -- Auch der in unsern Tagen wieder so stark mißbrauchte Ausdruck
"von Gottes Gnaden" wird auf seinen wahren Sinn zurückgeführt. "Der
Staat ist eine göttliche Institution, wie Familie und Kirche, aber nicht in dem
Sinne, daß Gott dem einzelnen Staat, oder gar der einzelnen Staatsform,
der einzelnen Staatsgewalt eine besondere Weihe ertheilt hat." Dann weiter:
"Theokratische Vorstellungen (monarchisch, wenn der Herrscher, der an der Spitze
des Staates steht, als der unmittelbare Stellvertreter Gottes oder selbst als
ein göttliches Wesen angesehen wird) sind mit dem Judenthum zu den christ¬
lichen Völkern des Abendlandes gekommen, widersprechen aber, wie dem ger¬
manischen Sinn, so auch dem wahren Wesen des Christenthums" . . . "Eine
Salbung oder Krönung, wo sie hergebracht, gibt kein anderes oder höheres Recht,
als an sich in dem Königthum liegt. Der Ausdruck "von Gottes Gnaden"
hat historische Berechtigung, drückt aber richtig verstanden nicht ein besonderes
göttliches Recht des Königs aus." Dies sind Stellen aus den Grundzügen.
In der zweiten Ausführung kömmt der Verfasser auf die jetzt wieder in Umlauf
gesetzten falschen Auslegungen des Ausdruckes zurück und fährt dann fort: "Nicht
ein Königthum, sondern nur Könige von Gottes Gnaden kennt die Geschichte.
Und es war dies eine Bezeichnung mehr der Demuth als der Erhebung. Der gnä¬
digen Fügung Gottes wurde es zugeschrieben, daß diese bestimmte Person die
Herrschaft bekommen, zu der Würde gelangt sei. Es geschah das von dem ge¬
wählten wie von dem erblichen König, ebenso wie es von dem Bischof oder
mitunter selbst von solchen geschah, die ein Amt aus der Hand des Königs
empfangen. Es hatte noch weniger einen Bezug auf das Recht und die Macht
des Königs; auch wo wenig Anderes als der Name übrig geblieben, ist jene
Bezeichnung ungeändert gelassen. Oft genug sind Könige von Gottes Gnaden
von ihren Ländern bekämpft und bewältigt worden. Theokratische, nicht christ¬
liche, sondern jüdische Vorstellungen sind es, die man heutzutage manchmal mit
jenem Wort verbindet, unklare phantastische Bilder, die man sich von einem
Königthum entwirft, das göttlich sein soll, noch in einem andern Sinne als
alle Ordnung der menschlichen Dinge göttlich ist -- von einem Königthum wie
es nie in der Geschichte, am wenigsten in der deutschen Geschichte gewesen ist.
Von solchen Täuschungen muß man sich los machen, wenn man endlich die
historische Bedeutung des Königthums erfassen und ihm seine wahre Stellung
im Leben der Völker anweisen will. Aber indem man es thut, tritt man nicht
seiner Würde, seiner Heiligkeit zu nahe, man gibt derselben die rechte Grund¬
lage, indem man ihm die Selbständigkeit vindicirr."

Die Rechte der Krone und der Ausdruck von Gottes Gnaden gehören
dem Capitel von der monarchischen Form des Einheitsstaates an und werden


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das erste gut heißt und lobt, aber das andere verdammt und als dem Begriff
des Königthums widerstrebend hinstellt, hat wenig von seiner Bedeutung be¬
griffen." — Auch der in unsern Tagen wieder so stark mißbrauchte Ausdruck
„von Gottes Gnaden" wird auf seinen wahren Sinn zurückgeführt. „Der
Staat ist eine göttliche Institution, wie Familie und Kirche, aber nicht in dem
Sinne, daß Gott dem einzelnen Staat, oder gar der einzelnen Staatsform,
der einzelnen Staatsgewalt eine besondere Weihe ertheilt hat." Dann weiter:
„Theokratische Vorstellungen (monarchisch, wenn der Herrscher, der an der Spitze
des Staates steht, als der unmittelbare Stellvertreter Gottes oder selbst als
ein göttliches Wesen angesehen wird) sind mit dem Judenthum zu den christ¬
lichen Völkern des Abendlandes gekommen, widersprechen aber, wie dem ger¬
manischen Sinn, so auch dem wahren Wesen des Christenthums" . . . „Eine
Salbung oder Krönung, wo sie hergebracht, gibt kein anderes oder höheres Recht,
als an sich in dem Königthum liegt. Der Ausdruck „von Gottes Gnaden"
hat historische Berechtigung, drückt aber richtig verstanden nicht ein besonderes
göttliches Recht des Königs aus." Dies sind Stellen aus den Grundzügen.
In der zweiten Ausführung kömmt der Verfasser auf die jetzt wieder in Umlauf
gesetzten falschen Auslegungen des Ausdruckes zurück und fährt dann fort: „Nicht
ein Königthum, sondern nur Könige von Gottes Gnaden kennt die Geschichte.
Und es war dies eine Bezeichnung mehr der Demuth als der Erhebung. Der gnä¬
digen Fügung Gottes wurde es zugeschrieben, daß diese bestimmte Person die
Herrschaft bekommen, zu der Würde gelangt sei. Es geschah das von dem ge¬
wählten wie von dem erblichen König, ebenso wie es von dem Bischof oder
mitunter selbst von solchen geschah, die ein Amt aus der Hand des Königs
empfangen. Es hatte noch weniger einen Bezug auf das Recht und die Macht
des Königs; auch wo wenig Anderes als der Name übrig geblieben, ist jene
Bezeichnung ungeändert gelassen. Oft genug sind Könige von Gottes Gnaden
von ihren Ländern bekämpft und bewältigt worden. Theokratische, nicht christ¬
liche, sondern jüdische Vorstellungen sind es, die man heutzutage manchmal mit
jenem Wort verbindet, unklare phantastische Bilder, die man sich von einem
Königthum entwirft, das göttlich sein soll, noch in einem andern Sinne als
alle Ordnung der menschlichen Dinge göttlich ist — von einem Königthum wie
es nie in der Geschichte, am wenigsten in der deutschen Geschichte gewesen ist.
Von solchen Täuschungen muß man sich los machen, wenn man endlich die
historische Bedeutung des Königthums erfassen und ihm seine wahre Stellung
im Leben der Völker anweisen will. Aber indem man es thut, tritt man nicht
seiner Würde, seiner Heiligkeit zu nahe, man gibt derselben die rechte Grund¬
lage, indem man ihm die Selbständigkeit vindicirr."

Die Rechte der Krone und der Ausdruck von Gottes Gnaden gehören
dem Capitel von der monarchischen Form des Einheitsstaates an und werden


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[0511] das erste gut heißt und lobt, aber das andere verdammt und als dem Begriff des Königthums widerstrebend hinstellt, hat wenig von seiner Bedeutung be¬ griffen." — Auch der in unsern Tagen wieder so stark mißbrauchte Ausdruck „von Gottes Gnaden" wird auf seinen wahren Sinn zurückgeführt. „Der Staat ist eine göttliche Institution, wie Familie und Kirche, aber nicht in dem Sinne, daß Gott dem einzelnen Staat, oder gar der einzelnen Staatsform, der einzelnen Staatsgewalt eine besondere Weihe ertheilt hat." Dann weiter: „Theokratische Vorstellungen (monarchisch, wenn der Herrscher, der an der Spitze des Staates steht, als der unmittelbare Stellvertreter Gottes oder selbst als ein göttliches Wesen angesehen wird) sind mit dem Judenthum zu den christ¬ lichen Völkern des Abendlandes gekommen, widersprechen aber, wie dem ger¬ manischen Sinn, so auch dem wahren Wesen des Christenthums" . . . „Eine Salbung oder Krönung, wo sie hergebracht, gibt kein anderes oder höheres Recht, als an sich in dem Königthum liegt. Der Ausdruck „von Gottes Gnaden" hat historische Berechtigung, drückt aber richtig verstanden nicht ein besonderes göttliches Recht des Königs aus." Dies sind Stellen aus den Grundzügen. In der zweiten Ausführung kömmt der Verfasser auf die jetzt wieder in Umlauf gesetzten falschen Auslegungen des Ausdruckes zurück und fährt dann fort: „Nicht ein Königthum, sondern nur Könige von Gottes Gnaden kennt die Geschichte. Und es war dies eine Bezeichnung mehr der Demuth als der Erhebung. Der gnä¬ digen Fügung Gottes wurde es zugeschrieben, daß diese bestimmte Person die Herrschaft bekommen, zu der Würde gelangt sei. Es geschah das von dem ge¬ wählten wie von dem erblichen König, ebenso wie es von dem Bischof oder mitunter selbst von solchen geschah, die ein Amt aus der Hand des Königs empfangen. Es hatte noch weniger einen Bezug auf das Recht und die Macht des Königs; auch wo wenig Anderes als der Name übrig geblieben, ist jene Bezeichnung ungeändert gelassen. Oft genug sind Könige von Gottes Gnaden von ihren Ländern bekämpft und bewältigt worden. Theokratische, nicht christ¬ liche, sondern jüdische Vorstellungen sind es, die man heutzutage manchmal mit jenem Wort verbindet, unklare phantastische Bilder, die man sich von einem Königthum entwirft, das göttlich sein soll, noch in einem andern Sinne als alle Ordnung der menschlichen Dinge göttlich ist — von einem Königthum wie es nie in der Geschichte, am wenigsten in der deutschen Geschichte gewesen ist. Von solchen Täuschungen muß man sich los machen, wenn man endlich die historische Bedeutung des Königthums erfassen und ihm seine wahre Stellung im Leben der Völker anweisen will. Aber indem man es thut, tritt man nicht seiner Würde, seiner Heiligkeit zu nahe, man gibt derselben die rechte Grund¬ lage, indem man ihm die Selbständigkeit vindicirr." Die Rechte der Krone und der Ausdruck von Gottes Gnaden gehören dem Capitel von der monarchischen Form des Einheitsstaates an und werden 63*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/511>, abgerufen am 27.09.2024.