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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Entschluß bewährt hat, um -- nach bester Einsicht -- eine Verstärkung der
preußischen Macht durchzusetzen. Aber ebenso unumstößlich ist im preußischen
Volk die Ueberzeugung, daß solches Geltendmachen einer persönlichen Ansicht
dem König selbst und dem Staate neue und unübersehbare Gefahren bereitet
habe. Der Beherrscher eines Staates, in welchem eine Volksvertretung bei
Regelung des. Staatshaushaltes und bei jedem Act der Gesetzgebung das Recht
zu bewilligen und zu verweigern hat, kann die königliche Würde schon deshalb
nicht als ein Agitationsmittel gegen die Majorität seiner Volksvertreter in den
Kampf werfen, weil er bei solchem^ Agitiren allein, ohne Hülfe einer Partei gar
nichts durchzusetzen vermag. Denn er 'hat mit organisirten Parteien zu rech¬
nen. Vielleicht wider seinen Willen wird im Kampf gegen eine Richtung die
andere sein Helfer. Unwiderstehlich machen sich Grundsätze und Zielpunkte
solcher Bundesgenossen in seiner Umgebung gellend, sie verrücken ihm selbst
die Stellung, und verändern, ohne daß er sich dessen bewußt wird, seine Ne-
gierungsprincipicn, und, was weit wichtiger ist, ihre praktische Anwendung.
König Wilhelm gewann seine Popularität, weil sein Volk die Hoffnung hatte,
durch ihn von der Herrschaft einer vorurtheilsvoller, tief verhaßten Hofcotcrie
erlöst zu werden. Er ist wenige Jahre nach dem Antritt seiner Negierung in
die Lage versetzt, fast nur in den Kreisen des Junkerthums und unter den
Schwachen, welche von diesem abhangig sind, Freunde und Anhänger seines
Lieblingsplans zu finden; und die ganze unermeßliche UnPopularität dieser
Partei, aller Widerwille, Haß und Verachtung, welchen dieselbe während
einer früheren Regierung gegen sich aufgeregt hat, legt sich jetzt erkältend und
trennend zwischen den König und sein Volk. Hätte vor Jahren Jemand dem Prinz
von Preußen, als derselbe zu Koblenz mit dem damaligen Oberpräsidenten
der Rheinprovinz unter einem Dach wohnte, gesagt, daß er einst denselben
Mann und seine Partei als die einzigen Helfer und Beförderer seiner Ne-
gierungsmaßregeln würde ertragen müssen, der Prinz hätte unwillig solche An¬
sicht abgewiesen. Und jetzt!

Für einen treuen Anhänger des erlauchten Hauses der Hohenzollern, für
jeden, welcher ihre Erhebung aus der unsicheren Stellung ersehnt, welche die
letzten Hülflosen Regierungen über den Staat gebracht haben, ist in dem gegen¬
wärtigen Streit zwischen Krone und Majorität des Volkes, die Wahl der
Partei zweifellos.

Denn die Frage, ob königlich, ob parlamentarisch, enthält in der gegen¬
wärtigen Situation Preußens doch nur folgende Alternative: Soll die Krone
Preußens mit Umgehung der gesetzlichen Factoren einen persönlichen Willen
gegen die Majorität des Volkes durchsetzen, oder soll sie die Pflicht erkennen,
ihren Willen nnr so weit in That umzusetzen, als durch gesetzliche Transaction
mit den Vertretern des Volkes möglich wird?


Entschluß bewährt hat, um — nach bester Einsicht — eine Verstärkung der
preußischen Macht durchzusetzen. Aber ebenso unumstößlich ist im preußischen
Volk die Ueberzeugung, daß solches Geltendmachen einer persönlichen Ansicht
dem König selbst und dem Staate neue und unübersehbare Gefahren bereitet
habe. Der Beherrscher eines Staates, in welchem eine Volksvertretung bei
Regelung des. Staatshaushaltes und bei jedem Act der Gesetzgebung das Recht
zu bewilligen und zu verweigern hat, kann die königliche Würde schon deshalb
nicht als ein Agitationsmittel gegen die Majorität seiner Volksvertreter in den
Kampf werfen, weil er bei solchem^ Agitiren allein, ohne Hülfe einer Partei gar
nichts durchzusetzen vermag. Denn er 'hat mit organisirten Parteien zu rech¬
nen. Vielleicht wider seinen Willen wird im Kampf gegen eine Richtung die
andere sein Helfer. Unwiderstehlich machen sich Grundsätze und Zielpunkte
solcher Bundesgenossen in seiner Umgebung gellend, sie verrücken ihm selbst
die Stellung, und verändern, ohne daß er sich dessen bewußt wird, seine Ne-
gierungsprincipicn, und, was weit wichtiger ist, ihre praktische Anwendung.
König Wilhelm gewann seine Popularität, weil sein Volk die Hoffnung hatte,
durch ihn von der Herrschaft einer vorurtheilsvoller, tief verhaßten Hofcotcrie
erlöst zu werden. Er ist wenige Jahre nach dem Antritt seiner Negierung in
die Lage versetzt, fast nur in den Kreisen des Junkerthums und unter den
Schwachen, welche von diesem abhangig sind, Freunde und Anhänger seines
Lieblingsplans zu finden; und die ganze unermeßliche UnPopularität dieser
Partei, aller Widerwille, Haß und Verachtung, welchen dieselbe während
einer früheren Regierung gegen sich aufgeregt hat, legt sich jetzt erkältend und
trennend zwischen den König und sein Volk. Hätte vor Jahren Jemand dem Prinz
von Preußen, als derselbe zu Koblenz mit dem damaligen Oberpräsidenten
der Rheinprovinz unter einem Dach wohnte, gesagt, daß er einst denselben
Mann und seine Partei als die einzigen Helfer und Beförderer seiner Ne-
gierungsmaßregeln würde ertragen müssen, der Prinz hätte unwillig solche An¬
sicht abgewiesen. Und jetzt!

Für einen treuen Anhänger des erlauchten Hauses der Hohenzollern, für
jeden, welcher ihre Erhebung aus der unsicheren Stellung ersehnt, welche die
letzten Hülflosen Regierungen über den Staat gebracht haben, ist in dem gegen¬
wärtigen Streit zwischen Krone und Majorität des Volkes, die Wahl der
Partei zweifellos.

Denn die Frage, ob königlich, ob parlamentarisch, enthält in der gegen¬
wärtigen Situation Preußens doch nur folgende Alternative: Soll die Krone
Preußens mit Umgehung der gesetzlichen Factoren einen persönlichen Willen
gegen die Majorität des Volkes durchsetzen, oder soll sie die Pflicht erkennen,
ihren Willen nnr so weit in That umzusetzen, als durch gesetzliche Transaction
mit den Vertretern des Volkes möglich wird?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/482>, abgerufen am 27.09.2024.