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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Mac Dowell den lebhaften Wunsch hegte, diesen Neckereien ein Dementi zu
geben und im entscheidenden Angenblick der Sache der Union seine Mitwirkung
zuzuführen, welche der Sieg gewesen wäre. Auch war der erste Gedanke Mac
Clellans bei seiner Ankunft vor Richmond. sich zu versichern, was er von die¬
ser Seite zu erwarten habe. Keine officielle Benachrichtigung von Washington
oder von Mac Dowell selbst hatte jenen von der Anwesenheit der starken
unionistischen Streitmacht in Fredericksburg in Kenntniß gesetzt, obwohl die¬
selbe nur zwanzig Lieues entfernt war, aber die Meinung, daß Mac Dowell
sich vor der Bundesarmee befinden müsse, war in letzterer so verbreitet, und
diese Bewegung war durch die Umstände so evident geboten, daß der General
en Chef sich zu dem Versuch entschloß, sich mit ihm in Verbindung zu setzen."

Er ließ in der Nacht vom 26. zum 27. während eines furchtbaren Un¬
wetters den General Porter mit einer Division Infanterie und etlichen Schwa¬
dronen Reiterei nach Hannover Court House, einem etwa 20 englische Meilen
nördlich von Richmond gelegenen Dorfe da. wo die von Fredericksburg kommende
Eisenbahn den Pamunkey überschreitet, aufbrechen. Diese Truppen marschirten
rasch und langten um die Mitte des Tages vor Hannover Court House an,
welches sie durch eine feindliche Division unter General Brauch bewacht fanden.
Sie griffen dieselbe an, schlugen sie, nahmen ihr 500 Gefangne und eine
Kanone ab und setzte" sich in Besitz der Eisenbahnbrücke, sowie der Brücke,
über welche der Weg nach Gordonsville führt. Die Borposten Mac Dowells
standen bei Bowlinggreen, nur fünfzehn englische Meilen von hier. Man brauchte
nur zu wolle", und die Vereinigung seines Corps mit dem der Armee
Mac Clellans war vollzogen, die Einnahme Richmonds gesichert. Man wollte
leider nicht in Washington. Indem man von dort per Telegraph den Befehl
ertheilte, die eroberten Brücken zu verbrennen, sagte man der Potomac-Armee
deutlich, daß sie auf Unterstützung der in Obervirginien stehenden Truppen nicht
zählen dürfe. Der Grund dieser unseligen Maßregel war eine kühne Finte,
welche der conföderirte General Jackson am oberen Potomac gewagt hatte. Dieser
geschickte Führer hatte nämlich hier die in eine Menge von einander unabhän-
giger Corps unter Fremont. Banks, Sigel u. A. zersplitterten Unionisten
einzeln geschlagen und nach Zurückwerfung des Generals Banks auf die andere
Seite des Potomac eine solche Verwirrung angerichtet, daß man schon sein
Einrücken in Washington erwartete. Trotz der 40.000 Mann, die hier standen,
und trotz der starken Werke, mit denen die Stadt geschützt war. glaubte man
sich nicht sicher, und so rief man in aller Hast Mac Dowell herbei, um bei
der Verfolgung Jacksons zu helfen, wozu er natürlich zu spät kam. Der Be¬
fehl zur Zerstörung der Brücken war in der Uebereilung der Angst ertheilt
worden. Man meinte damit den Feind zu hindern, Jackson Verstärkungen zu
senden.


Mac Dowell den lebhaften Wunsch hegte, diesen Neckereien ein Dementi zu
geben und im entscheidenden Angenblick der Sache der Union seine Mitwirkung
zuzuführen, welche der Sieg gewesen wäre. Auch war der erste Gedanke Mac
Clellans bei seiner Ankunft vor Richmond. sich zu versichern, was er von die¬
ser Seite zu erwarten habe. Keine officielle Benachrichtigung von Washington
oder von Mac Dowell selbst hatte jenen von der Anwesenheit der starken
unionistischen Streitmacht in Fredericksburg in Kenntniß gesetzt, obwohl die¬
selbe nur zwanzig Lieues entfernt war, aber die Meinung, daß Mac Dowell
sich vor der Bundesarmee befinden müsse, war in letzterer so verbreitet, und
diese Bewegung war durch die Umstände so evident geboten, daß der General
en Chef sich zu dem Versuch entschloß, sich mit ihm in Verbindung zu setzen."

Er ließ in der Nacht vom 26. zum 27. während eines furchtbaren Un¬
wetters den General Porter mit einer Division Infanterie und etlichen Schwa¬
dronen Reiterei nach Hannover Court House, einem etwa 20 englische Meilen
nördlich von Richmond gelegenen Dorfe da. wo die von Fredericksburg kommende
Eisenbahn den Pamunkey überschreitet, aufbrechen. Diese Truppen marschirten
rasch und langten um die Mitte des Tages vor Hannover Court House an,
welches sie durch eine feindliche Division unter General Brauch bewacht fanden.
Sie griffen dieselbe an, schlugen sie, nahmen ihr 500 Gefangne und eine
Kanone ab und setzte» sich in Besitz der Eisenbahnbrücke, sowie der Brücke,
über welche der Weg nach Gordonsville führt. Die Borposten Mac Dowells
standen bei Bowlinggreen, nur fünfzehn englische Meilen von hier. Man brauchte
nur zu wolle», und die Vereinigung seines Corps mit dem der Armee
Mac Clellans war vollzogen, die Einnahme Richmonds gesichert. Man wollte
leider nicht in Washington. Indem man von dort per Telegraph den Befehl
ertheilte, die eroberten Brücken zu verbrennen, sagte man der Potomac-Armee
deutlich, daß sie auf Unterstützung der in Obervirginien stehenden Truppen nicht
zählen dürfe. Der Grund dieser unseligen Maßregel war eine kühne Finte,
welche der conföderirte General Jackson am oberen Potomac gewagt hatte. Dieser
geschickte Führer hatte nämlich hier die in eine Menge von einander unabhän-
giger Corps unter Fremont. Banks, Sigel u. A. zersplitterten Unionisten
einzeln geschlagen und nach Zurückwerfung des Generals Banks auf die andere
Seite des Potomac eine solche Verwirrung angerichtet, daß man schon sein
Einrücken in Washington erwartete. Trotz der 40.000 Mann, die hier standen,
und trotz der starken Werke, mit denen die Stadt geschützt war. glaubte man
sich nicht sicher, und so rief man in aller Hast Mac Dowell herbei, um bei
der Verfolgung Jacksons zu helfen, wozu er natürlich zu spät kam. Der Be¬
fehl zur Zerstörung der Brücken war in der Uebereilung der Angst ertheilt
worden. Man meinte damit den Feind zu hindern, Jackson Verstärkungen zu
senden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/441>, abgerufen am 27.09.2024.