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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Richtung nach Fort Monroe, d. h. in die Freiheit. Alle öffentlichen Gebäude,
die Kirchen, das College am Hauptplatz der Stadt, zeigten auf dem Dach die
gelbe Flagge (der Spitäler) und waren mit zurückgelassenen Verwundeten an¬
gefüllt.

Der erste Gedanke des Generals Mac Clellan war. für die Milderung
von so viel Elend zu sorgen. Man schickte an die Nachhut der Conföderirtcn
einen Parlamentär ab, um die Chirurgen unter Zusicherung vollkommner Un-
verletzlichkeit einzuladen, für ihre Verwundeten Sorge, zu tragen. Bald er¬
schienen denn auch eine Anzahl derselben in hechtgrauer Uniform mit grünem
Kragen, in der sie an östreichische Jägerossiziere erinnerten. Dann wurden in
allen Straßen Schildwachen ausgestellt, um die strengste Mannszucht zu wahren.
Diese Vorsichtsmaßregel war überflüssig; denn so viel auch der Gehorsam des
Soldaten gegen seinen Offizier zu wünschen übrig ließ, was den Respect vor
der Person und dem Eigenthum der Landesbewohner betrifft, glaube ich nicht,
daß je eine Armee es weniger daran fehlen ließ. Die ganze Zeit über, wo
ich der Potomac-Armee folgte, kam mir nur ein einziges Beispiel derartiger
Unordnung zu Ohren, und das war die Plünderung eines Vorraths von fei¬
nem Virginischer Tabak, der in einer verlassenen Scheune entdeckt wurde.

Die Umstände machten dieses Verhalten noch verdienstlicher. Die Truppen,
welche um Williamsburg lagerten, waren an dem Tage, von d?in wir sprechen,
in Folge der Unpassirbarkeit der Straßen kärglich mit Lebensmitteln versehen
und sie ertrugen mit Resignation die feindselige Haltung der Einwohner, welche
auf ihr Verlangen, ihnen gegen sofortige baare Bezahlung Provisionen zu überlassen,
mit einmüthiger Weigerung antworteten. Als die erste Furcht vorüber und
man überzeugt war, daß man keine Gefahr etes, sah man Damen der Stadt
sich daran machen, mit Affectation ihren Verwundeten Erfrischungen zuzutragen,
welche sie für die föderalistischen Verwundeten nicht hatten, und wenn sie, ge¬
folgt von Negern mit Körben voll Lebensmittel, auf dem Trottoir einem unio-
nistischen Soldaten begegneten, nahmen sie mit Ostentation die Falten ihrer
Kleider zusammen, wie wenn sie fürchteten, sich durch die Berührung mit einem
unreinlichen Thiere zu besudeln. Die Sieger beschränkten sich darauf,' über
diese Unarten übel erzogener Kinder zu lachen. Andere an ihrer Stelle hätten
sich vielleicht weniger geduldig gezeigt."

Der General schlug sein Hauptquartier in Williamsburg in dem Hause
auf, wo Johnston, der Oberbefehlshaber des conföderirten Heeres am Tage
vorher gewohnt. Die Bundesarmee blieb hier drei Tage, um ihre in den
Wäldern verlorenen Verwundeten aufzusuchen und ihre Todten zu begraben.
Die Verwundeten wurden Dank den Creeks, welche sich durch das Land hin¬
ziehen, fast unmittelbar von den Stellen, wo' sie liegen geblieben, zu Wasser aus
große, bequem eingerichtete Dampfer gebracht, die sie nach den Städten des


Richtung nach Fort Monroe, d. h. in die Freiheit. Alle öffentlichen Gebäude,
die Kirchen, das College am Hauptplatz der Stadt, zeigten auf dem Dach die
gelbe Flagge (der Spitäler) und waren mit zurückgelassenen Verwundeten an¬
gefüllt.

Der erste Gedanke des Generals Mac Clellan war. für die Milderung
von so viel Elend zu sorgen. Man schickte an die Nachhut der Conföderirtcn
einen Parlamentär ab, um die Chirurgen unter Zusicherung vollkommner Un-
verletzlichkeit einzuladen, für ihre Verwundeten Sorge, zu tragen. Bald er¬
schienen denn auch eine Anzahl derselben in hechtgrauer Uniform mit grünem
Kragen, in der sie an östreichische Jägerossiziere erinnerten. Dann wurden in
allen Straßen Schildwachen ausgestellt, um die strengste Mannszucht zu wahren.
Diese Vorsichtsmaßregel war überflüssig; denn so viel auch der Gehorsam des
Soldaten gegen seinen Offizier zu wünschen übrig ließ, was den Respect vor
der Person und dem Eigenthum der Landesbewohner betrifft, glaube ich nicht,
daß je eine Armee es weniger daran fehlen ließ. Die ganze Zeit über, wo
ich der Potomac-Armee folgte, kam mir nur ein einziges Beispiel derartiger
Unordnung zu Ohren, und das war die Plünderung eines Vorraths von fei¬
nem Virginischer Tabak, der in einer verlassenen Scheune entdeckt wurde.

Die Umstände machten dieses Verhalten noch verdienstlicher. Die Truppen,
welche um Williamsburg lagerten, waren an dem Tage, von d?in wir sprechen,
in Folge der Unpassirbarkeit der Straßen kärglich mit Lebensmitteln versehen
und sie ertrugen mit Resignation die feindselige Haltung der Einwohner, welche
auf ihr Verlangen, ihnen gegen sofortige baare Bezahlung Provisionen zu überlassen,
mit einmüthiger Weigerung antworteten. Als die erste Furcht vorüber und
man überzeugt war, daß man keine Gefahr etes, sah man Damen der Stadt
sich daran machen, mit Affectation ihren Verwundeten Erfrischungen zuzutragen,
welche sie für die föderalistischen Verwundeten nicht hatten, und wenn sie, ge¬
folgt von Negern mit Körben voll Lebensmittel, auf dem Trottoir einem unio-
nistischen Soldaten begegneten, nahmen sie mit Ostentation die Falten ihrer
Kleider zusammen, wie wenn sie fürchteten, sich durch die Berührung mit einem
unreinlichen Thiere zu besudeln. Die Sieger beschränkten sich darauf,' über
diese Unarten übel erzogener Kinder zu lachen. Andere an ihrer Stelle hätten
sich vielleicht weniger geduldig gezeigt."

Der General schlug sein Hauptquartier in Williamsburg in dem Hause
auf, wo Johnston, der Oberbefehlshaber des conföderirten Heeres am Tage
vorher gewohnt. Die Bundesarmee blieb hier drei Tage, um ihre in den
Wäldern verlorenen Verwundeten aufzusuchen und ihre Todten zu begraben.
Die Verwundeten wurden Dank den Creeks, welche sich durch das Land hin¬
ziehen, fast unmittelbar von den Stellen, wo' sie liegen geblieben, zu Wasser aus
große, bequem eingerichtete Dampfer gebracht, die sie nach den Städten des


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[0434] Richtung nach Fort Monroe, d. h. in die Freiheit. Alle öffentlichen Gebäude, die Kirchen, das College am Hauptplatz der Stadt, zeigten auf dem Dach die gelbe Flagge (der Spitäler) und waren mit zurückgelassenen Verwundeten an¬ gefüllt. Der erste Gedanke des Generals Mac Clellan war. für die Milderung von so viel Elend zu sorgen. Man schickte an die Nachhut der Conföderirtcn einen Parlamentär ab, um die Chirurgen unter Zusicherung vollkommner Un- verletzlichkeit einzuladen, für ihre Verwundeten Sorge, zu tragen. Bald er¬ schienen denn auch eine Anzahl derselben in hechtgrauer Uniform mit grünem Kragen, in der sie an östreichische Jägerossiziere erinnerten. Dann wurden in allen Straßen Schildwachen ausgestellt, um die strengste Mannszucht zu wahren. Diese Vorsichtsmaßregel war überflüssig; denn so viel auch der Gehorsam des Soldaten gegen seinen Offizier zu wünschen übrig ließ, was den Respect vor der Person und dem Eigenthum der Landesbewohner betrifft, glaube ich nicht, daß je eine Armee es weniger daran fehlen ließ. Die ganze Zeit über, wo ich der Potomac-Armee folgte, kam mir nur ein einziges Beispiel derartiger Unordnung zu Ohren, und das war die Plünderung eines Vorraths von fei¬ nem Virginischer Tabak, der in einer verlassenen Scheune entdeckt wurde. Die Umstände machten dieses Verhalten noch verdienstlicher. Die Truppen, welche um Williamsburg lagerten, waren an dem Tage, von d?in wir sprechen, in Folge der Unpassirbarkeit der Straßen kärglich mit Lebensmitteln versehen und sie ertrugen mit Resignation die feindselige Haltung der Einwohner, welche auf ihr Verlangen, ihnen gegen sofortige baare Bezahlung Provisionen zu überlassen, mit einmüthiger Weigerung antworteten. Als die erste Furcht vorüber und man überzeugt war, daß man keine Gefahr etes, sah man Damen der Stadt sich daran machen, mit Affectation ihren Verwundeten Erfrischungen zuzutragen, welche sie für die föderalistischen Verwundeten nicht hatten, und wenn sie, ge¬ folgt von Negern mit Körben voll Lebensmittel, auf dem Trottoir einem unio- nistischen Soldaten begegneten, nahmen sie mit Ostentation die Falten ihrer Kleider zusammen, wie wenn sie fürchteten, sich durch die Berührung mit einem unreinlichen Thiere zu besudeln. Die Sieger beschränkten sich darauf,' über diese Unarten übel erzogener Kinder zu lachen. Andere an ihrer Stelle hätten sich vielleicht weniger geduldig gezeigt." Der General schlug sein Hauptquartier in Williamsburg in dem Hause auf, wo Johnston, der Oberbefehlshaber des conföderirten Heeres am Tage vorher gewohnt. Die Bundesarmee blieb hier drei Tage, um ihre in den Wäldern verlorenen Verwundeten aufzusuchen und ihre Todten zu begraben. Die Verwundeten wurden Dank den Creeks, welche sich durch das Land hin¬ ziehen, fast unmittelbar von den Stellen, wo' sie liegen geblieben, zu Wasser aus große, bequem eingerichtete Dampfer gebracht, die sie nach den Städten des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/434>, abgerufen am 27.09.2024.