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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Thorheit, mit etwa 25,000 Mann 40.000 in einer stark verschanzten Stellung
mit den schwierigsten Zugängen anzugreifen. Ich war also gleich lieber bereit
meine Stellung aufzugeben, als so gegen meine Ueberzeugung zu handeln.

Als der Feind aber gegen meine Wünsche und Hoffnungen mir gegenüber
in fortwährender Unthätigkeit verharrte, sann ich auf Mittel, ihn zu einem An¬
griff auf mich zu verlocken, und das ist der Gedanke, welcher den beiden viel
besprochenen und n^eist falsch beurtheilten Unternehmungen auf Missunde und
Friedrichsstadt zu Grunde lag. Eine etwas unvorsichtige Aufstellung einer feind¬
lichen Brigade bei Kvchendorf sollte dazu benutzt werden, sie mit Uebermacht
zu erdrücken, den Feind über die Schley zurückzudrängen und ihn glauben zu
machen, ich beabsichtige über die Schley zu gehen und seine Stellung bei Schles¬
wig von hinten her anzugreifen; gewiß der einzig richtige Weg, wenn überhaupt
an einen Angriff hätte gedacht werden dürfen. Dieser Zug auf Missunde aber
sollte den Feind bewegen, als Gegenzug, wie es offenbar das Richtige gewesen
wäre, meine Stellung an der Sorge anzugreifen, und das sollte dann Gelegen¬
heit geben, ihm wie bei Jdstedt in die Parade zu stoßen.

Zu dem Ende wurde nun der Angriff auf das dänische Lager bei Kochen¬
dorf mit überlegener Macht in drei Colonnen angeordnet. Zwei sollten es von
Gr.-Wittensee und Marienthal her in der Front angreifen und beschäftigen, wäh¬
rend die dritte und stärkste den Feind über Holm umgehen, im Rücken nehmen
und ihn wo möglich von Missunde abschneiden sollte. Alle Colonnen sollten
dann rasch gegen die Schley vordringen. Die Truppen wurden am Abend
vorher eng zusammengezogen, und mit dem Tage sollte der Angriff beginnen.

Theils um diese Bewegung dem Feinde bei Schleswig zu verbergen und
um ihn ganz aus der Nähe zu beobachten, bekam der nicht zum Angriff verwen¬
dete Theil der Armee den Auftrag, näher an die Hauptstellung der Dänen heran¬
zurücken, etwa bis Gcttorf und Jagel hin.

Der Angriff aber hatte nicht den gewünschten Erfolg. Die Haupt-Colonne,
nur wenig oder gar nicht vom Feinde aufgehalten, ging nicht rasch genug über
Holm vor; die in der Front fanden zuerst manche Hindernisse, welche der
Feind vor seiner Front eingerichtet, und gingen dann zwar rasch und entschieden vor,
machten aber, nachdem die Dänen in größter Eile ihr schön eingerichtetes Lager
verlassen hatten, in dem Irrthume Halt, daß sie das Windebyer Noor für die
Schley und also ihre Aufgabe für gelöst hielten. Als der Irrthum sich auf¬
klärte, war der Feind entkommen und, nicht durch eine directe schnelle Verfol¬
gung festgehalten, wie es geschehen sollte, konnte er sich der dritten Colonne
durch große Eile entziehen. So kam man bis vor die Verschanzung, welche die
Gegner als Brückenkopf bei Missunde aufgeworfen hatten. Es war von Hause
aus nicht meine Absicht, sie etwa zu nehmen und dem Feind hier das Debouch6
zu schließen, weil ich immer seinen getrennten Angriff wünschte. Ich ließ also


Thorheit, mit etwa 25,000 Mann 40.000 in einer stark verschanzten Stellung
mit den schwierigsten Zugängen anzugreifen. Ich war also gleich lieber bereit
meine Stellung aufzugeben, als so gegen meine Ueberzeugung zu handeln.

Als der Feind aber gegen meine Wünsche und Hoffnungen mir gegenüber
in fortwährender Unthätigkeit verharrte, sann ich auf Mittel, ihn zu einem An¬
griff auf mich zu verlocken, und das ist der Gedanke, welcher den beiden viel
besprochenen und n^eist falsch beurtheilten Unternehmungen auf Missunde und
Friedrichsstadt zu Grunde lag. Eine etwas unvorsichtige Aufstellung einer feind¬
lichen Brigade bei Kvchendorf sollte dazu benutzt werden, sie mit Uebermacht
zu erdrücken, den Feind über die Schley zurückzudrängen und ihn glauben zu
machen, ich beabsichtige über die Schley zu gehen und seine Stellung bei Schles¬
wig von hinten her anzugreifen; gewiß der einzig richtige Weg, wenn überhaupt
an einen Angriff hätte gedacht werden dürfen. Dieser Zug auf Missunde aber
sollte den Feind bewegen, als Gegenzug, wie es offenbar das Richtige gewesen
wäre, meine Stellung an der Sorge anzugreifen, und das sollte dann Gelegen¬
heit geben, ihm wie bei Jdstedt in die Parade zu stoßen.

Zu dem Ende wurde nun der Angriff auf das dänische Lager bei Kochen¬
dorf mit überlegener Macht in drei Colonnen angeordnet. Zwei sollten es von
Gr.-Wittensee und Marienthal her in der Front angreifen und beschäftigen, wäh¬
rend die dritte und stärkste den Feind über Holm umgehen, im Rücken nehmen
und ihn wo möglich von Missunde abschneiden sollte. Alle Colonnen sollten
dann rasch gegen die Schley vordringen. Die Truppen wurden am Abend
vorher eng zusammengezogen, und mit dem Tage sollte der Angriff beginnen.

Theils um diese Bewegung dem Feinde bei Schleswig zu verbergen und
um ihn ganz aus der Nähe zu beobachten, bekam der nicht zum Angriff verwen¬
dete Theil der Armee den Auftrag, näher an die Hauptstellung der Dänen heran¬
zurücken, etwa bis Gcttorf und Jagel hin.

Der Angriff aber hatte nicht den gewünschten Erfolg. Die Haupt-Colonne,
nur wenig oder gar nicht vom Feinde aufgehalten, ging nicht rasch genug über
Holm vor; die in der Front fanden zuerst manche Hindernisse, welche der
Feind vor seiner Front eingerichtet, und gingen dann zwar rasch und entschieden vor,
machten aber, nachdem die Dänen in größter Eile ihr schön eingerichtetes Lager
verlassen hatten, in dem Irrthume Halt, daß sie das Windebyer Noor für die
Schley und also ihre Aufgabe für gelöst hielten. Als der Irrthum sich auf¬
klärte, war der Feind entkommen und, nicht durch eine directe schnelle Verfol¬
gung festgehalten, wie es geschehen sollte, konnte er sich der dritten Colonne
durch große Eile entziehen. So kam man bis vor die Verschanzung, welche die
Gegner als Brückenkopf bei Missunde aufgeworfen hatten. Es war von Hause
aus nicht meine Absicht, sie etwa zu nehmen und dem Feind hier das Debouch6
zu schließen, weil ich immer seinen getrennten Angriff wünschte. Ich ließ also


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/406>, abgerufen am 27.09.2024.