Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.war ihre Politik bestimmt, sie durften in dieser Frage nicht nachgeben, sie müssen Nun sind wir allerdings der Meinung, daß der Stavenhagen-Tochter'sche Aber eine Bitte legen wir den Mitgliedern der Majorität an das Herz. Die Aufregung in der letzten Zeit hat das Auge für Mängel der preußi¬ war ihre Politik bestimmt, sie durften in dieser Frage nicht nachgeben, sie müssen Nun sind wir allerdings der Meinung, daß der Stavenhagen-Tochter'sche Aber eine Bitte legen wir den Mitgliedern der Majorität an das Herz. Die Aufregung in der letzten Zeit hat das Auge für Mängel der preußi¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0038" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114894"/> <p xml:id="ID_104" prev="#ID_103"> war ihre Politik bestimmt, sie durften in dieser Frage nicht nachgeben, sie müssen<lb/> den Kampf durchführen, wenn sie nicht sich selbst vernichten und, was wichtiger<lb/> ist. das Vertrauen des Volkes zu seiner guten Sache vernichten wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_105"> Nun sind wir allerdings der Meinung, daß der Stavenhagen-Tochter'sche<lb/> Antrag in der Sache selbst, d. h. in der Militärorganisationsfrage, das etwa<lb/> jetzt Erreichbare zweckmäßig formulirte. so sehr wir überzeugt sind, daß die Er¬<lb/> sparnisse, welche durch ihn bewirkt werden könnten, schon durch die nächsten<lb/> der Opposition wünschenswerthen Verbesserungen, z. B. Erhöhung des Tracta-<lb/> ments, des Servises und durch bessere Stellung des Unteroffiziercorps voll¬<lb/> ständig aufgewogen werden würden. Auch hätte es andere Uebelstände der<lb/> preußischen Heeresorganisation gegeben, welche für einen aussöhnenden Ver¬<lb/> mittlungsvorschlag ebenso gut geeignet waren, z. B. Aufhebung der ausge¬<lb/> dehnten Militärgerichtsbarkeit. Aber das Hauptziel des Kampfes war durchaus<lb/> nicht ein momentaner Vergleich, der mit dem gegenwärtigen Ministerium ge¬<lb/> schlossen wurde, sondern die Beseitigung des nach jeder Richtung unzeitgemäßer<lb/> Ministeriums selbst, ein Ziel, welches zu erreichen im wahren Interesse des<lb/> Staates lag. Es war deshalb durchaus richtige Taktik der Fortschrittspartei,<lb/> daß sie zur Zeit auf einen sachgemäßen Compromiß nicht einging. Festhalten<lb/> war das Einzige, was sie thun konnte und durfte. Daß sie nicht in einer<lb/> parlamentarischen Schlacht erreichen würde, was für Preußen die beste Hülse<lb/> wäre, einen völligen Umschlag der Stimmungen in den höchsten Kreisen,<lb/> das war vorauszusehen. Noch ist sie weit vom Siege entfernt, ja sie steht<lb/> erst im Anfang der ernstesten Verwickelungen. Aber gerade deshalb muß<lb/> jetzt fester, cousequenter gesetzlicher Widerstand ihre Politik sein. Es handelt<lb/> sich in Preußen sicher nicht darum, ob Krone, ob Parlament, sondern darum,<lb/> ob das erlauchte Haus der Hohenzollern mit dem Volk oder ohne Volk regieren<lb/> kann. Im ersten Fall wird es Freude, Stolz, Hoffnung Deutschlands, eine<lb/> maßgebende Stimme im Rathe Europa's, im andern Falle ein deutsches Fürsten-<lb/> geschlecht, wie andere auch, nur in weit gefährlicherer Stellung. Für das preu¬<lb/> ßische Königsthum, seine Dauer und seine höchsten Aufgaben kämpft jetzt die<lb/> Opposition, und am besten, wenn sie fest bleibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_106"> Aber eine Bitte legen wir den Mitgliedern der Majorität an das Herz.<lb/> Sie betrifft die Organisation des Heeres selbst. Wenn der Zeitpunkt kommt, wo<lb/> eine Versöhnung mit der Regierung möglich und für besonnenes Urtheil ge¬<lb/> boten ist, dann möge die nationale Partei der preußischen Volksvertreter die<lb/> schwierige Frage der Militärverfassung so behandeln, wie ihre Haltung in der<lb/> letzten Debatte war. mit Mäßigung.</p><lb/> <p xml:id="ID_107" next="#ID_108"> Die Aufregung in der letzten Zeit hat das Auge für Mängel der preußi¬<lb/> schen Heerverfassung sehr geschärft, und die Preußen scheinen zuweilen zu ver¬<lb/> gessen, wie vortrefflich trotz aller einzelnen Uebelstände auch jetzt noch die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
war ihre Politik bestimmt, sie durften in dieser Frage nicht nachgeben, sie müssen
den Kampf durchführen, wenn sie nicht sich selbst vernichten und, was wichtiger
ist. das Vertrauen des Volkes zu seiner guten Sache vernichten wollen.
Nun sind wir allerdings der Meinung, daß der Stavenhagen-Tochter'sche
Antrag in der Sache selbst, d. h. in der Militärorganisationsfrage, das etwa
jetzt Erreichbare zweckmäßig formulirte. so sehr wir überzeugt sind, daß die Er¬
sparnisse, welche durch ihn bewirkt werden könnten, schon durch die nächsten
der Opposition wünschenswerthen Verbesserungen, z. B. Erhöhung des Tracta-
ments, des Servises und durch bessere Stellung des Unteroffiziercorps voll¬
ständig aufgewogen werden würden. Auch hätte es andere Uebelstände der
preußischen Heeresorganisation gegeben, welche für einen aussöhnenden Ver¬
mittlungsvorschlag ebenso gut geeignet waren, z. B. Aufhebung der ausge¬
dehnten Militärgerichtsbarkeit. Aber das Hauptziel des Kampfes war durchaus
nicht ein momentaner Vergleich, der mit dem gegenwärtigen Ministerium ge¬
schlossen wurde, sondern die Beseitigung des nach jeder Richtung unzeitgemäßer
Ministeriums selbst, ein Ziel, welches zu erreichen im wahren Interesse des
Staates lag. Es war deshalb durchaus richtige Taktik der Fortschrittspartei,
daß sie zur Zeit auf einen sachgemäßen Compromiß nicht einging. Festhalten
war das Einzige, was sie thun konnte und durfte. Daß sie nicht in einer
parlamentarischen Schlacht erreichen würde, was für Preußen die beste Hülse
wäre, einen völligen Umschlag der Stimmungen in den höchsten Kreisen,
das war vorauszusehen. Noch ist sie weit vom Siege entfernt, ja sie steht
erst im Anfang der ernstesten Verwickelungen. Aber gerade deshalb muß
jetzt fester, cousequenter gesetzlicher Widerstand ihre Politik sein. Es handelt
sich in Preußen sicher nicht darum, ob Krone, ob Parlament, sondern darum,
ob das erlauchte Haus der Hohenzollern mit dem Volk oder ohne Volk regieren
kann. Im ersten Fall wird es Freude, Stolz, Hoffnung Deutschlands, eine
maßgebende Stimme im Rathe Europa's, im andern Falle ein deutsches Fürsten-
geschlecht, wie andere auch, nur in weit gefährlicherer Stellung. Für das preu¬
ßische Königsthum, seine Dauer und seine höchsten Aufgaben kämpft jetzt die
Opposition, und am besten, wenn sie fest bleibt.
Aber eine Bitte legen wir den Mitgliedern der Majorität an das Herz.
Sie betrifft die Organisation des Heeres selbst. Wenn der Zeitpunkt kommt, wo
eine Versöhnung mit der Regierung möglich und für besonnenes Urtheil ge¬
boten ist, dann möge die nationale Partei der preußischen Volksvertreter die
schwierige Frage der Militärverfassung so behandeln, wie ihre Haltung in der
letzten Debatte war. mit Mäßigung.
Die Aufregung in der letzten Zeit hat das Auge für Mängel der preußi¬
schen Heerverfassung sehr geschärft, und die Preußen scheinen zuweilen zu ver¬
gessen, wie vortrefflich trotz aller einzelnen Uebelstände auch jetzt noch die
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