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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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daher in Mecklenburg das absolutistisch-büreaukratische Regiment in prangend-
ster Blüthe und erstreckt seinen Einfluß überallhin, wo nicht ständische Privile¬
gien unmittelbar im Wege stehen. Der Mangel an Einheit tritt für Alle,
welche gewohnt sind, den Begriff des Staates in Verbindung mit einem Staats¬
haushalt und einem nach modernen Normen geregelten Budgetsystcm zu denken,
besonders auffallend im Gebiet der Finanzen hervor. Die Steuern sind zwar
vertragsmäßig festgestellt, und nur durch eine neue Vereinbarung kann daran
etwas geändert werden. Aber sie werden ohne irgend eine Kunde in Betreff
des Bedürfnisses und der speciellen Verwendung bewilligt und entrichtet. Ihre
Erträge und ebenso die sonstigen Einnahmen des Landesherrn aus Verpachtungen,
Regalien u. s. w. fließen in die großherzvgliche Kasse und Niemand erfährt,
wie hoch sich diese Einnahmen belaufen, noch für welche specielle Bedürfnisse sie
zur Verwendung kommen. Der Landesherr ist als solcher verpflichtet, alle
Kosten der Civil- und Militäradministration des Landes mit seinen Mitteln zu
bestreiten und was die Steuererträge dazu mitwirken, das wird nur als eine
aversionale Unterstützung des Landesherrn zur Erfüllung seiner Rcgierungs-
pflichten aufgefaßt. Daß die Pachtcinnahmen aus dein Dvmanium während der
letzten Jahrzehnte sich verdoppelt und verdreifacht haben, daß die Einnahme aus
der Post im Steigen begriffen ist, daß die Erträge aus den indirecten Steuern
weit über das frühere Maß hinausgegangen sind, ist eine Sache, um welche
die Stände sich nicht zu kümmern haben und welche für die Steuerzahlung gar
nicht in Betracht kommt.

Aber auch in den Grenzen, welche dem Einflüsse der Landesvertretung
durch die Verfassung gesetzt sind, kann von einer Vertretung allgemeiner Staats¬
interessen nicht die Rede sein. Die Stände vertreten vielmehr keine anderen
Interessen als ihre eigenen, die Ritter das ritterschaftliche, die Städte das
städtische Interesse, und zwar in dem Sinne, daß jeder Ritter und jede Stadt
zunächst für ihr ganz individuelles Interesse einstehen. Die Landesvertretung
ist durch ihre Natur auf Sonderinteressen angewiesen, und da diese Sonder¬
interessen auch in der illo in Mi-tW und in den aus dem Unionsverhältniß
zwischen den schwerinschen und strelitzschen Ständen sich ergebenden Hemmun¬
gen die Mittel besitzen, sich gegen abweichende Interessen zu behaupten, so er¬
klärt es sich, wie man z. B. über die Reform der Handelssteuer und die Ab¬
lösung der Zölle, ungeachtet allseitigen Einverständnisses über das dringende
Bedürfniß dieser Maßnahmen, vier Jahrzehnte lang hat verhandeln können, ohne
zu einer Einigung zu gelangen.

Dazu kommt, daß hinsichtlich der Persönlichkeiten der Vertreter es an jeder
Garantie fehlt, daß sie ihrer Aufgabe gewachsen und des öffentlichen Vertrauens
werth sind. Bei dem Ritter ist das Landstandschaftsrecht lediglich von dem
Besitz abhängig und das ererbte oder erkaufte Gut liefert ihn so weise oder


daher in Mecklenburg das absolutistisch-büreaukratische Regiment in prangend-
ster Blüthe und erstreckt seinen Einfluß überallhin, wo nicht ständische Privile¬
gien unmittelbar im Wege stehen. Der Mangel an Einheit tritt für Alle,
welche gewohnt sind, den Begriff des Staates in Verbindung mit einem Staats¬
haushalt und einem nach modernen Normen geregelten Budgetsystcm zu denken,
besonders auffallend im Gebiet der Finanzen hervor. Die Steuern sind zwar
vertragsmäßig festgestellt, und nur durch eine neue Vereinbarung kann daran
etwas geändert werden. Aber sie werden ohne irgend eine Kunde in Betreff
des Bedürfnisses und der speciellen Verwendung bewilligt und entrichtet. Ihre
Erträge und ebenso die sonstigen Einnahmen des Landesherrn aus Verpachtungen,
Regalien u. s. w. fließen in die großherzvgliche Kasse und Niemand erfährt,
wie hoch sich diese Einnahmen belaufen, noch für welche specielle Bedürfnisse sie
zur Verwendung kommen. Der Landesherr ist als solcher verpflichtet, alle
Kosten der Civil- und Militäradministration des Landes mit seinen Mitteln zu
bestreiten und was die Steuererträge dazu mitwirken, das wird nur als eine
aversionale Unterstützung des Landesherrn zur Erfüllung seiner Rcgierungs-
pflichten aufgefaßt. Daß die Pachtcinnahmen aus dein Dvmanium während der
letzten Jahrzehnte sich verdoppelt und verdreifacht haben, daß die Einnahme aus
der Post im Steigen begriffen ist, daß die Erträge aus den indirecten Steuern
weit über das frühere Maß hinausgegangen sind, ist eine Sache, um welche
die Stände sich nicht zu kümmern haben und welche für die Steuerzahlung gar
nicht in Betracht kommt.

Aber auch in den Grenzen, welche dem Einflüsse der Landesvertretung
durch die Verfassung gesetzt sind, kann von einer Vertretung allgemeiner Staats¬
interessen nicht die Rede sein. Die Stände vertreten vielmehr keine anderen
Interessen als ihre eigenen, die Ritter das ritterschaftliche, die Städte das
städtische Interesse, und zwar in dem Sinne, daß jeder Ritter und jede Stadt
zunächst für ihr ganz individuelles Interesse einstehen. Die Landesvertretung
ist durch ihre Natur auf Sonderinteressen angewiesen, und da diese Sonder¬
interessen auch in der illo in Mi-tW und in den aus dem Unionsverhältniß
zwischen den schwerinschen und strelitzschen Ständen sich ergebenden Hemmun¬
gen die Mittel besitzen, sich gegen abweichende Interessen zu behaupten, so er¬
klärt es sich, wie man z. B. über die Reform der Handelssteuer und die Ab¬
lösung der Zölle, ungeachtet allseitigen Einverständnisses über das dringende
Bedürfniß dieser Maßnahmen, vier Jahrzehnte lang hat verhandeln können, ohne
zu einer Einigung zu gelangen.

Dazu kommt, daß hinsichtlich der Persönlichkeiten der Vertreter es an jeder
Garantie fehlt, daß sie ihrer Aufgabe gewachsen und des öffentlichen Vertrauens
werth sind. Bei dem Ritter ist das Landstandschaftsrecht lediglich von dem
Besitz abhängig und das ererbte oder erkaufte Gut liefert ihn so weise oder


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[0338] daher in Mecklenburg das absolutistisch-büreaukratische Regiment in prangend- ster Blüthe und erstreckt seinen Einfluß überallhin, wo nicht ständische Privile¬ gien unmittelbar im Wege stehen. Der Mangel an Einheit tritt für Alle, welche gewohnt sind, den Begriff des Staates in Verbindung mit einem Staats¬ haushalt und einem nach modernen Normen geregelten Budgetsystcm zu denken, besonders auffallend im Gebiet der Finanzen hervor. Die Steuern sind zwar vertragsmäßig festgestellt, und nur durch eine neue Vereinbarung kann daran etwas geändert werden. Aber sie werden ohne irgend eine Kunde in Betreff des Bedürfnisses und der speciellen Verwendung bewilligt und entrichtet. Ihre Erträge und ebenso die sonstigen Einnahmen des Landesherrn aus Verpachtungen, Regalien u. s. w. fließen in die großherzvgliche Kasse und Niemand erfährt, wie hoch sich diese Einnahmen belaufen, noch für welche specielle Bedürfnisse sie zur Verwendung kommen. Der Landesherr ist als solcher verpflichtet, alle Kosten der Civil- und Militäradministration des Landes mit seinen Mitteln zu bestreiten und was die Steuererträge dazu mitwirken, das wird nur als eine aversionale Unterstützung des Landesherrn zur Erfüllung seiner Rcgierungs- pflichten aufgefaßt. Daß die Pachtcinnahmen aus dein Dvmanium während der letzten Jahrzehnte sich verdoppelt und verdreifacht haben, daß die Einnahme aus der Post im Steigen begriffen ist, daß die Erträge aus den indirecten Steuern weit über das frühere Maß hinausgegangen sind, ist eine Sache, um welche die Stände sich nicht zu kümmern haben und welche für die Steuerzahlung gar nicht in Betracht kommt. Aber auch in den Grenzen, welche dem Einflüsse der Landesvertretung durch die Verfassung gesetzt sind, kann von einer Vertretung allgemeiner Staats¬ interessen nicht die Rede sein. Die Stände vertreten vielmehr keine anderen Interessen als ihre eigenen, die Ritter das ritterschaftliche, die Städte das städtische Interesse, und zwar in dem Sinne, daß jeder Ritter und jede Stadt zunächst für ihr ganz individuelles Interesse einstehen. Die Landesvertretung ist durch ihre Natur auf Sonderinteressen angewiesen, und da diese Sonder¬ interessen auch in der illo in Mi-tW und in den aus dem Unionsverhältniß zwischen den schwerinschen und strelitzschen Ständen sich ergebenden Hemmun¬ gen die Mittel besitzen, sich gegen abweichende Interessen zu behaupten, so er¬ klärt es sich, wie man z. B. über die Reform der Handelssteuer und die Ab¬ lösung der Zölle, ungeachtet allseitigen Einverständnisses über das dringende Bedürfniß dieser Maßnahmen, vier Jahrzehnte lang hat verhandeln können, ohne zu einer Einigung zu gelangen. Dazu kommt, daß hinsichtlich der Persönlichkeiten der Vertreter es an jeder Garantie fehlt, daß sie ihrer Aufgabe gewachsen und des öffentlichen Vertrauens werth sind. Bei dem Ritter ist das Landstandschaftsrecht lediglich von dem Besitz abhängig und das ererbte oder erkaufte Gut liefert ihn so weise oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/338>, abgerufen am 27.09.2024.