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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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des Adels entschieden, und der Adel erlangte damit für seine politische Stel¬
lung eine neue, dauerhafte Stütze.

Mit welcher Erbitterung die beiden Parteien gegen einander kämpften,
dies ersieht man besonders aus vielen landesherrlichen Erlassen, nicht blos des
leidenschaftlichen Herzogs Karl Leopold, der wiederholt in den Ausdrücken
schwersten Zornes die "rebellische" Ritterschaft zurechtwies, sondern auch des
milden und besonnenen Herzogs Christian Ludwig. Der Letztere erließ jenes
Cassationsrescript vom 16. April 1749. welches eine schon am 20. Nov. 1733
unter dem Namen der neuen Union vom Adel gestiftete politische Verbindung
als eine "neuerliche Zusammenthuung" bezeichnet und für "nichtig und unver¬
bindlich, mithin ihrem ganzen Inhalte nach unkräftig und von UnWürden" er¬
klärt. In eben diesem Rescript wird den Mitgliedern der Verbindung vor¬
geworfen, daß sie dabei "die gedoppelten Pflichten der Unterthanen und Vasallen
gänzlich aus den Augen gesetzt" hätten, daß ihre Verbindung "einen Zunder
zu unauslöschlichen Streitigkeiten zwischen Haupt und Gliedern" enthalte, und
daß aus derselben "nichts Anderes als eine gleichsam erblich zu verpflanzende
Neigung gegen Frieden und Vertrag" sich ergebe, und es wird die ganze Welt
zu Zeugen angerufen, "ob im Reiche jemals eine Union der Unterthanen sich
eigentlicher als die vom 20. Nov. 1733 zu dem in der kaiserlichen Wahl-
capitulation Art. 15 §. 6 ausgedrückten Verhängniß wider unziemliche, gehässige
Verbündnisse, Verstrickungen und Zusammenthuungen der Unterthanen qualifi-
ciren könne."

Der beständige Unfriede, in welchem die "getreue" Ritterschaft mit den
Landesfürsten lebte, ist auch aus den zahllosen Processen ersichtlich, welche
zwischen beiden vor den Reichsgerichten geführt wurden. Der Adel verwandte
auf dieselben große Summen. Ein Proceß vor dem Reichshofrath wegen einer
Contribution kostete allein in dem Zeitraum von 1677 bis 1691 den Ständen
die Summe von 122,086 Fi. 6 Schill. 9 Pf. Die Ritterschaft hielt in Wien
meistens einen eigenen Agenten, welcher auch zu den üblichen Geschenken an
die Richter und Sachwalter die erforderlichen Gelder erhielt. Ein solcher Agent
war der Landrath Adolph Friedrich von Maltzan. welcher, zur Abwendung der
geforderten Beiträge zu den Garnisonskosten, im Jahre 1692, wie er selbst
an seine Committenten schreibt, sogar einen Versuch eingeleitet hatte, den Kaiser
selbst zu bestechen. (Franck Altes und N. Meckl. Bd. 16. S. 37). Auch der
Abschluß des Erbvergleichs von 1755 ward durch Verkeilung einer Summe
von 30,000 Thlr. an die Unterhändler besiegelt, wovon namentlich die landes¬
fürstlichen Commissarien beträchtliche Quoten erhielten.

Ebenso wenig wie der Adel mit den Landesfürsten in Einigkeit lebte,
herrschte zwischen ihm und seinem Mitstande, den Städten, ein friedliches Ver.
hältniß. Gegenseitige Beschuldigungen und Klagen beginnen schon im Sees-


des Adels entschieden, und der Adel erlangte damit für seine politische Stel¬
lung eine neue, dauerhafte Stütze.

Mit welcher Erbitterung die beiden Parteien gegen einander kämpften,
dies ersieht man besonders aus vielen landesherrlichen Erlassen, nicht blos des
leidenschaftlichen Herzogs Karl Leopold, der wiederholt in den Ausdrücken
schwersten Zornes die „rebellische" Ritterschaft zurechtwies, sondern auch des
milden und besonnenen Herzogs Christian Ludwig. Der Letztere erließ jenes
Cassationsrescript vom 16. April 1749. welches eine schon am 20. Nov. 1733
unter dem Namen der neuen Union vom Adel gestiftete politische Verbindung
als eine „neuerliche Zusammenthuung" bezeichnet und für „nichtig und unver¬
bindlich, mithin ihrem ganzen Inhalte nach unkräftig und von UnWürden" er¬
klärt. In eben diesem Rescript wird den Mitgliedern der Verbindung vor¬
geworfen, daß sie dabei „die gedoppelten Pflichten der Unterthanen und Vasallen
gänzlich aus den Augen gesetzt" hätten, daß ihre Verbindung „einen Zunder
zu unauslöschlichen Streitigkeiten zwischen Haupt und Gliedern" enthalte, und
daß aus derselben „nichts Anderes als eine gleichsam erblich zu verpflanzende
Neigung gegen Frieden und Vertrag" sich ergebe, und es wird die ganze Welt
zu Zeugen angerufen, „ob im Reiche jemals eine Union der Unterthanen sich
eigentlicher als die vom 20. Nov. 1733 zu dem in der kaiserlichen Wahl-
capitulation Art. 15 §. 6 ausgedrückten Verhängniß wider unziemliche, gehässige
Verbündnisse, Verstrickungen und Zusammenthuungen der Unterthanen qualifi-
ciren könne."

Der beständige Unfriede, in welchem die „getreue" Ritterschaft mit den
Landesfürsten lebte, ist auch aus den zahllosen Processen ersichtlich, welche
zwischen beiden vor den Reichsgerichten geführt wurden. Der Adel verwandte
auf dieselben große Summen. Ein Proceß vor dem Reichshofrath wegen einer
Contribution kostete allein in dem Zeitraum von 1677 bis 1691 den Ständen
die Summe von 122,086 Fi. 6 Schill. 9 Pf. Die Ritterschaft hielt in Wien
meistens einen eigenen Agenten, welcher auch zu den üblichen Geschenken an
die Richter und Sachwalter die erforderlichen Gelder erhielt. Ein solcher Agent
war der Landrath Adolph Friedrich von Maltzan. welcher, zur Abwendung der
geforderten Beiträge zu den Garnisonskosten, im Jahre 1692, wie er selbst
an seine Committenten schreibt, sogar einen Versuch eingeleitet hatte, den Kaiser
selbst zu bestechen. (Franck Altes und N. Meckl. Bd. 16. S. 37). Auch der
Abschluß des Erbvergleichs von 1755 ward durch Verkeilung einer Summe
von 30,000 Thlr. an die Unterhändler besiegelt, wovon namentlich die landes¬
fürstlichen Commissarien beträchtliche Quoten erhielten.

Ebenso wenig wie der Adel mit den Landesfürsten in Einigkeit lebte,
herrschte zwischen ihm und seinem Mitstande, den Städten, ein friedliches Ver.
hältniß. Gegenseitige Beschuldigungen und Klagen beginnen schon im Sees-


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[0303] des Adels entschieden, und der Adel erlangte damit für seine politische Stel¬ lung eine neue, dauerhafte Stütze. Mit welcher Erbitterung die beiden Parteien gegen einander kämpften, dies ersieht man besonders aus vielen landesherrlichen Erlassen, nicht blos des leidenschaftlichen Herzogs Karl Leopold, der wiederholt in den Ausdrücken schwersten Zornes die „rebellische" Ritterschaft zurechtwies, sondern auch des milden und besonnenen Herzogs Christian Ludwig. Der Letztere erließ jenes Cassationsrescript vom 16. April 1749. welches eine schon am 20. Nov. 1733 unter dem Namen der neuen Union vom Adel gestiftete politische Verbindung als eine „neuerliche Zusammenthuung" bezeichnet und für „nichtig und unver¬ bindlich, mithin ihrem ganzen Inhalte nach unkräftig und von UnWürden" er¬ klärt. In eben diesem Rescript wird den Mitgliedern der Verbindung vor¬ geworfen, daß sie dabei „die gedoppelten Pflichten der Unterthanen und Vasallen gänzlich aus den Augen gesetzt" hätten, daß ihre Verbindung „einen Zunder zu unauslöschlichen Streitigkeiten zwischen Haupt und Gliedern" enthalte, und daß aus derselben „nichts Anderes als eine gleichsam erblich zu verpflanzende Neigung gegen Frieden und Vertrag" sich ergebe, und es wird die ganze Welt zu Zeugen angerufen, „ob im Reiche jemals eine Union der Unterthanen sich eigentlicher als die vom 20. Nov. 1733 zu dem in der kaiserlichen Wahl- capitulation Art. 15 §. 6 ausgedrückten Verhängniß wider unziemliche, gehässige Verbündnisse, Verstrickungen und Zusammenthuungen der Unterthanen qualifi- ciren könne." Der beständige Unfriede, in welchem die „getreue" Ritterschaft mit den Landesfürsten lebte, ist auch aus den zahllosen Processen ersichtlich, welche zwischen beiden vor den Reichsgerichten geführt wurden. Der Adel verwandte auf dieselben große Summen. Ein Proceß vor dem Reichshofrath wegen einer Contribution kostete allein in dem Zeitraum von 1677 bis 1691 den Ständen die Summe von 122,086 Fi. 6 Schill. 9 Pf. Die Ritterschaft hielt in Wien meistens einen eigenen Agenten, welcher auch zu den üblichen Geschenken an die Richter und Sachwalter die erforderlichen Gelder erhielt. Ein solcher Agent war der Landrath Adolph Friedrich von Maltzan. welcher, zur Abwendung der geforderten Beiträge zu den Garnisonskosten, im Jahre 1692, wie er selbst an seine Committenten schreibt, sogar einen Versuch eingeleitet hatte, den Kaiser selbst zu bestechen. (Franck Altes und N. Meckl. Bd. 16. S. 37). Auch der Abschluß des Erbvergleichs von 1755 ward durch Verkeilung einer Summe von 30,000 Thlr. an die Unterhändler besiegelt, wovon namentlich die landes¬ fürstlichen Commissarien beträchtliche Quoten erhielten. Ebenso wenig wie der Adel mit den Landesfürsten in Einigkeit lebte, herrschte zwischen ihm und seinem Mitstande, den Städten, ein friedliches Ver. hältniß. Gegenseitige Beschuldigungen und Klagen beginnen schon im Sees-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/303>, abgerufen am 27.09.2024.