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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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zehnten Jahrhunderts die mecklenburgischen Lehensleute sehr zahlreich im Heere
des Herzogs Alba Kriegsdienste nahmen. Herzog Johann Albrecht von
Mecklenburg sah es sehr ungern, daß das römisch-katholische Interesse des
Königs von Spanien auf diese Weise von seinen Lehensleuten mit den Waffen
in der Hand verfochten und unterstützt mürbe, und erließ daher Abmahnungs¬
schreiben an mehrere seiner Vasallen, namentlich an Ricke von Oertzen, Bart¬
hold von Lützow. Wigand Maltzan, Curt Pertz. Aber Herzog Alba legte auf
die Dienste der mecklenburgischen Edelleute in seiner Armee einigen Werth und
verwendete sich daher in einem Schreiben vom 29. März 1569 für die unter
ihm dienenden mecklenburgischen Lehenmänner, namentlich für Barthold von
Lützow und Viele von Oertzen, wobei er, anscheinend nicht ohne Ironie, dem
Herzog Johann Albrecht die Mittheilung machte, daß er kürzlich ein vom Papste
in der Christnacht geweihtes Schwert zur Verbreitung des wahren Glaubens
empfangen habe.

Einen zweiten großen Schlag zur Stärkung seiner materiellen Wohlfahrt
auf Kosten der Gesammtheit führte der Adel durch Erwirkung der verstärkten
Privilegien, welche ihm in den landesherrlichen Reversalen vom Jahre 1621
ertheilt wurden. Das wichtigste dieser Privilegien war das ihnen verliehene
Recht der Einziehung ihrer Bauerngehöfte, wogegen der Bauer selbst durch den
Nachweis unvordenklichen Besitzes nicht geschützt sein sollte. Der Kaufpreis
für diese Reversalen bestand wiederum in einer den Herzogen zur Tilgung ihrer
Schulden bewilligten Summe von einer Million Gulden, welche, so weit die
Ritterschaft davon betroffen ward, von eben den Bauern aufgebracht werden
mußte, die durch diesen Vertrag den Rittern geopfert wurden. Namenloses
Elend ist durch jenes den Gutsherrn -verliehene Recht über zahlreiche Bauern-
samilien gekommen, und das ganze Land hat schwer darunter gelitten. Von
12,000 ritterschaftlichen Bauern, die man noch im Jahre 1628 zählte, ist kaum
noch der zehnte Theil übrig geblieben, und auch die wenigen noch vorhandenen
führen eine Existenz, deren precärer rechtlicher Charakter durch die neuesten
Acte der Gesetzgebung nur wiederholt sanctionirt worden ist.

Schon die vorangegangenen Jahrhunderte zeigen in dem Verhältniß zwischen
den Landesherren und der Ritterschaft nichts als eine Reihe von Streitigkeiten,
die, kaum durch einen Vertrag erledigt, stets von Neuem wieder ausbrachen
Zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts nahmen diese Kämpfe eine sehr
schroffe Gestalt an und brachten in ihrem weiteren Verlauf das Land in die
schwersten Zerrüttungen und unter den Druck einer langwierigen und zehrenden
Reichsexecution. Es handelte sich dabei hauptsächlich um die von der Ritter¬
schaft behauptete Steuerfreiheit. Das Ergebniß der langen Kämpfe war der
landesgrundgesetzliche Erbvergleich vom 18. April 1755. In allen wesent¬
lichen Punkten wurden in diesem Vergleich die streitigen Fragen zu Gunsten


zehnten Jahrhunderts die mecklenburgischen Lehensleute sehr zahlreich im Heere
des Herzogs Alba Kriegsdienste nahmen. Herzog Johann Albrecht von
Mecklenburg sah es sehr ungern, daß das römisch-katholische Interesse des
Königs von Spanien auf diese Weise von seinen Lehensleuten mit den Waffen
in der Hand verfochten und unterstützt mürbe, und erließ daher Abmahnungs¬
schreiben an mehrere seiner Vasallen, namentlich an Ricke von Oertzen, Bart¬
hold von Lützow. Wigand Maltzan, Curt Pertz. Aber Herzog Alba legte auf
die Dienste der mecklenburgischen Edelleute in seiner Armee einigen Werth und
verwendete sich daher in einem Schreiben vom 29. März 1569 für die unter
ihm dienenden mecklenburgischen Lehenmänner, namentlich für Barthold von
Lützow und Viele von Oertzen, wobei er, anscheinend nicht ohne Ironie, dem
Herzog Johann Albrecht die Mittheilung machte, daß er kürzlich ein vom Papste
in der Christnacht geweihtes Schwert zur Verbreitung des wahren Glaubens
empfangen habe.

Einen zweiten großen Schlag zur Stärkung seiner materiellen Wohlfahrt
auf Kosten der Gesammtheit führte der Adel durch Erwirkung der verstärkten
Privilegien, welche ihm in den landesherrlichen Reversalen vom Jahre 1621
ertheilt wurden. Das wichtigste dieser Privilegien war das ihnen verliehene
Recht der Einziehung ihrer Bauerngehöfte, wogegen der Bauer selbst durch den
Nachweis unvordenklichen Besitzes nicht geschützt sein sollte. Der Kaufpreis
für diese Reversalen bestand wiederum in einer den Herzogen zur Tilgung ihrer
Schulden bewilligten Summe von einer Million Gulden, welche, so weit die
Ritterschaft davon betroffen ward, von eben den Bauern aufgebracht werden
mußte, die durch diesen Vertrag den Rittern geopfert wurden. Namenloses
Elend ist durch jenes den Gutsherrn -verliehene Recht über zahlreiche Bauern-
samilien gekommen, und das ganze Land hat schwer darunter gelitten. Von
12,000 ritterschaftlichen Bauern, die man noch im Jahre 1628 zählte, ist kaum
noch der zehnte Theil übrig geblieben, und auch die wenigen noch vorhandenen
führen eine Existenz, deren precärer rechtlicher Charakter durch die neuesten
Acte der Gesetzgebung nur wiederholt sanctionirt worden ist.

Schon die vorangegangenen Jahrhunderte zeigen in dem Verhältniß zwischen
den Landesherren und der Ritterschaft nichts als eine Reihe von Streitigkeiten,
die, kaum durch einen Vertrag erledigt, stets von Neuem wieder ausbrachen
Zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts nahmen diese Kämpfe eine sehr
schroffe Gestalt an und brachten in ihrem weiteren Verlauf das Land in die
schwersten Zerrüttungen und unter den Druck einer langwierigen und zehrenden
Reichsexecution. Es handelte sich dabei hauptsächlich um die von der Ritter¬
schaft behauptete Steuerfreiheit. Das Ergebniß der langen Kämpfe war der
landesgrundgesetzliche Erbvergleich vom 18. April 1755. In allen wesent¬
lichen Punkten wurden in diesem Vergleich die streitigen Fragen zu Gunsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/302>, abgerufen am 27.09.2024.