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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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So vergingen die acht Tage bis zum 24. Juli meinerseits zum Theil in der
Verwunderung darüber, daß der Gegner so lange auf sich warten lasse, 'und
weil mir das nur erklärlich schien, wenn ich annahm, daß seine Concentrirung.
obschon sie ganz ohne Widerstand vor sich gehen konnte, manche Schwierigkeit
gefunden haben mußte, zum Theil auch in mancher Anwandlung von Reue
darüber, meinen ersten kühnen Plan aufgegeben zu haben. Denn war eine
Ursache des Zauderns beim Feinde, wie es leicht sein konnte, auch Unsicherheit
und Ungeschick in der Leitung, so lag es auf der Hand, welch glänzender Erfolg
aus dem Wege vorliegen konnte, den ich vielleicht in zu großer Besorgniß über
den Zustand und die Fähigkeit meiner Truppen aufgegeben hatte.

Das Abwarten in der Stellung gab auch noch Gelegenheit, die letzten Ab¬
theilungen der kleinen Armee von Rendsburg und Eckernförde, sechs Compagnien
Infanterie stark, heranzuholen, was auf Wagen geschah, um sie nicht zu er¬
müden. Die erste Regel aller guten Kriegführung, seine Kräfte zusammen zu
haben, wurde also mit dem entschiedensten Zurücksetzen aller Nebeninteressen auf
das Aeußerste befolgt, obschon es Geschrei genug gab, daß im Rücken Alles den
Unternehmungen der dänischen Flotte Preis gegeben sei, sogar die Hauptstadt
und der Sitz der Regierung, Kiel.

Am 24. Juli endlich gingen bestimmte Nachrichten über das Anrücken der
Dänen ein. Die zweite Brigade, welche Abtheilungen bis über soll hinaus vor¬
geschoben hatte, erhielt Befehl, sich gegen Süderfahrenstedt und Wedelspang
zurückzuziehn und das Debouchä sich offen zu erhalten. Die Avantgarde ging in
die Stellung von Jdstedt zurück, was sie fechtend, in nicht besonderer Haltung
that. Spät am Nachmittag ging auch die Meldung von Solbro ein, daß der
dortige Posten, eine Jägercvmpagnic, von einer starken Uebermacht angegriffen
worden sei und sich genöthigt gesehen habe, seine Stellung zu verlassen. Dadurch
war der Uebergang über die Treene dem Feinde geöffnet. Ein Borgehen von da
führte ihn in Flanke und Rücken meiner Aufstellung. In der Front schien sich der¬
selbe damit zu begnügen, sich vor der Stellung festzusetzen. Einer augenblick¬
lichen Umkehr eines Theils meiner Avantgarde zum Angriff war er leicht wieder
gewichen, wodurch es klarwurde, daß er noch nicht mit seiner Hauptmacht zur
Hand war. Dennoch glaubte ich sicher annehmen zu müssen, daß der folgende Tag
zum Angriff bestimmt sei. Dazu aber durfte ihm der Uebergang bei Solbro
nicht gelassen werden.

Nachdem ich also die übrigen Brigaden in der Stellung geordnet hatte,
befahl ich der ersten unter dem tapfern General Baudissin nach Solbro vor¬
zugehen und den Feind womöglich wieder über die Treene zurückzuwerfen, ich
ließ den größten Theil der Reservecavallerie über Jubel folgen und ritt selbst
nach, sobald ich sicher zu sein glaubte, die Dänen würden an dem Tage, nichts
mehr gegen meine Hauptstellung unternehmen. Ais ich gegen acht Uhr Abends


So vergingen die acht Tage bis zum 24. Juli meinerseits zum Theil in der
Verwunderung darüber, daß der Gegner so lange auf sich warten lasse, 'und
weil mir das nur erklärlich schien, wenn ich annahm, daß seine Concentrirung.
obschon sie ganz ohne Widerstand vor sich gehen konnte, manche Schwierigkeit
gefunden haben mußte, zum Theil auch in mancher Anwandlung von Reue
darüber, meinen ersten kühnen Plan aufgegeben zu haben. Denn war eine
Ursache des Zauderns beim Feinde, wie es leicht sein konnte, auch Unsicherheit
und Ungeschick in der Leitung, so lag es auf der Hand, welch glänzender Erfolg
aus dem Wege vorliegen konnte, den ich vielleicht in zu großer Besorgniß über
den Zustand und die Fähigkeit meiner Truppen aufgegeben hatte.

Das Abwarten in der Stellung gab auch noch Gelegenheit, die letzten Ab¬
theilungen der kleinen Armee von Rendsburg und Eckernförde, sechs Compagnien
Infanterie stark, heranzuholen, was auf Wagen geschah, um sie nicht zu er¬
müden. Die erste Regel aller guten Kriegführung, seine Kräfte zusammen zu
haben, wurde also mit dem entschiedensten Zurücksetzen aller Nebeninteressen auf
das Aeußerste befolgt, obschon es Geschrei genug gab, daß im Rücken Alles den
Unternehmungen der dänischen Flotte Preis gegeben sei, sogar die Hauptstadt
und der Sitz der Regierung, Kiel.

Am 24. Juli endlich gingen bestimmte Nachrichten über das Anrücken der
Dänen ein. Die zweite Brigade, welche Abtheilungen bis über soll hinaus vor¬
geschoben hatte, erhielt Befehl, sich gegen Süderfahrenstedt und Wedelspang
zurückzuziehn und das Debouchä sich offen zu erhalten. Die Avantgarde ging in
die Stellung von Jdstedt zurück, was sie fechtend, in nicht besonderer Haltung
that. Spät am Nachmittag ging auch die Meldung von Solbro ein, daß der
dortige Posten, eine Jägercvmpagnic, von einer starken Uebermacht angegriffen
worden sei und sich genöthigt gesehen habe, seine Stellung zu verlassen. Dadurch
war der Uebergang über die Treene dem Feinde geöffnet. Ein Borgehen von da
führte ihn in Flanke und Rücken meiner Aufstellung. In der Front schien sich der¬
selbe damit zu begnügen, sich vor der Stellung festzusetzen. Einer augenblick¬
lichen Umkehr eines Theils meiner Avantgarde zum Angriff war er leicht wieder
gewichen, wodurch es klarwurde, daß er noch nicht mit seiner Hauptmacht zur
Hand war. Dennoch glaubte ich sicher annehmen zu müssen, daß der folgende Tag
zum Angriff bestimmt sei. Dazu aber durfte ihm der Uebergang bei Solbro
nicht gelassen werden.

Nachdem ich also die übrigen Brigaden in der Stellung geordnet hatte,
befahl ich der ersten unter dem tapfern General Baudissin nach Solbro vor¬
zugehen und den Feind womöglich wieder über die Treene zurückzuwerfen, ich
ließ den größten Theil der Reservecavallerie über Jubel folgen und ritt selbst
nach, sobald ich sicher zu sein glaubte, die Dänen würden an dem Tage, nichts
mehr gegen meine Hauptstellung unternehmen. Ais ich gegen acht Uhr Abends


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[0258] So vergingen die acht Tage bis zum 24. Juli meinerseits zum Theil in der Verwunderung darüber, daß der Gegner so lange auf sich warten lasse, 'und weil mir das nur erklärlich schien, wenn ich annahm, daß seine Concentrirung. obschon sie ganz ohne Widerstand vor sich gehen konnte, manche Schwierigkeit gefunden haben mußte, zum Theil auch in mancher Anwandlung von Reue darüber, meinen ersten kühnen Plan aufgegeben zu haben. Denn war eine Ursache des Zauderns beim Feinde, wie es leicht sein konnte, auch Unsicherheit und Ungeschick in der Leitung, so lag es auf der Hand, welch glänzender Erfolg aus dem Wege vorliegen konnte, den ich vielleicht in zu großer Besorgniß über den Zustand und die Fähigkeit meiner Truppen aufgegeben hatte. Das Abwarten in der Stellung gab auch noch Gelegenheit, die letzten Ab¬ theilungen der kleinen Armee von Rendsburg und Eckernförde, sechs Compagnien Infanterie stark, heranzuholen, was auf Wagen geschah, um sie nicht zu er¬ müden. Die erste Regel aller guten Kriegführung, seine Kräfte zusammen zu haben, wurde also mit dem entschiedensten Zurücksetzen aller Nebeninteressen auf das Aeußerste befolgt, obschon es Geschrei genug gab, daß im Rücken Alles den Unternehmungen der dänischen Flotte Preis gegeben sei, sogar die Hauptstadt und der Sitz der Regierung, Kiel. Am 24. Juli endlich gingen bestimmte Nachrichten über das Anrücken der Dänen ein. Die zweite Brigade, welche Abtheilungen bis über soll hinaus vor¬ geschoben hatte, erhielt Befehl, sich gegen Süderfahrenstedt und Wedelspang zurückzuziehn und das Debouchä sich offen zu erhalten. Die Avantgarde ging in die Stellung von Jdstedt zurück, was sie fechtend, in nicht besonderer Haltung that. Spät am Nachmittag ging auch die Meldung von Solbro ein, daß der dortige Posten, eine Jägercvmpagnic, von einer starken Uebermacht angegriffen worden sei und sich genöthigt gesehen habe, seine Stellung zu verlassen. Dadurch war der Uebergang über die Treene dem Feinde geöffnet. Ein Borgehen von da führte ihn in Flanke und Rücken meiner Aufstellung. In der Front schien sich der¬ selbe damit zu begnügen, sich vor der Stellung festzusetzen. Einer augenblick¬ lichen Umkehr eines Theils meiner Avantgarde zum Angriff war er leicht wieder gewichen, wodurch es klarwurde, daß er noch nicht mit seiner Hauptmacht zur Hand war. Dennoch glaubte ich sicher annehmen zu müssen, daß der folgende Tag zum Angriff bestimmt sei. Dazu aber durfte ihm der Uebergang bei Solbro nicht gelassen werden. Nachdem ich also die übrigen Brigaden in der Stellung geordnet hatte, befahl ich der ersten unter dem tapfern General Baudissin nach Solbro vor¬ zugehen und den Feind womöglich wieder über die Treene zurückzuwerfen, ich ließ den größten Theil der Reservecavallerie über Jubel folgen und ritt selbst nach, sobald ich sicher zu sein glaubte, die Dänen würden an dem Tage, nichts mehr gegen meine Hauptstellung unternehmen. Ais ich gegen acht Uhr Abends

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/258>, abgerufen am 27.09.2024.