Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gewann, verlor sie wieder durch die große Hitze dieser Tage, welche einen
Theil des Moors bei Jdstedt so austrocknete, daß es für Infanterie gangbar
wurde. Indeß war dieselbe im Centrum durch ihre wie eine Bastion vorge¬
schobne Lage so stark, daß man zuversichtlich hoffen konnte, sie auch nach einem
mißlungnen Stoße aus ihr heraus halten zu können. Als die schwache Seite
. zeigte sich von Haus aus die an der Treene (linker Flügel), die doch wegen
ihrer großen Entfernung nicht genügend besetzt werden konnte.

Doch lassen wir von jetzt an den General ohne Unterbrechung selbst erzählen.

"Die Vertheilung der Truppen in der Stellung und ihre Einrichtung hatte
natürlich von Anfang an die doppelte Absichtim Auge, mit der dieselbe überhaupt
bezogen war: aus ihr hervorzubrechen und erst später sie zu vertheidigen. Des
Feindes Hauptangriff schien nothwendig gegen einen meiner Flügel gerichtet
werden zu müssen, entweder also auf Wedelspang oder Solbro, vielleicht richtete
er ihn sogar im Vertrauen auf seine Ueberlegenheit auf beide. In jedem Falle
erschien das Hervorbrechen aus dem Centrum der Stellung das Nichtige, und
in der Aussicht, daß es dazu kommen müsse, geschah Alles und unterblieb Alles,
was geschah oder unterblieb. Deshalb wurde die Laufbrücke über den Lang¬
see gebaut, darum die Ausgänge frei gehalten, darum die ganze zweite Brigade
bei Wedelspang gelassen und Solbro und die ganze Linie bis Engbrück nur
schwach besetzt. Wenn weniger für die bloße Verstärkung der Stellung als
Vertheidigungsstellung geschah, als geschehen ist, so geschah es theils eben der
Vorherrschenden offensiven Absicht wegen, theils aus Mangel an Mitteln, und
weil ich es für mehr geboten hielt, die Zeit, welche der Feind uns ließ, zur
bessern Ausbildung der Gefechtsfähigkeit der Truppen zu verwenden, als um
einige Verschanzungen aufzuwerfen, in deren Bau man vielleicht gestört worden
wäre, und die bei einem richtig geleiteten Angriff doch nichts geholfen hätten.
Habe ich hier einen Fehler begangen, so ist es der. daß ich mich selbst zu
ausschließlich mit dem Angriffsgedanken beschäftigte und es unterließ, die Führer
auch auf den Fall der bloßen Vertheidigung der Stellung, wie sie gleich von
Hause aus oder im. Verlaufe der Begebenheiten nach einem mißlungenen offen¬
siven Stoß eintreten konnte, zu instruiren. Bei der kleinen, so eng zusammen¬
gedrängten Armee dachte ich, werde sich das zur Zeit von selber finden, und
das zu viele Instruiren auf alle möglichen Fälle macht die Leute oft nur unsicher
und verwirrt. Die Avantgarde, die erste, dritte und vierte Brigade waren völlig
concentrirt in der Mitte der Stellung, und nur die zweite Brigade einige Tausend
Schritte entfernt, und zwar in der doppelten Absicht, in welcher die Aufstellung
überhaupt gewählt war. Die Avantgarde war mit der Weisung bis Helligbek
vorgeschoben, sich bei einem Andringen des Feindes sofort in die Hauptstellung
zurückzuziehen, was bei der Beschaffenheit des Terrains keine Schwierigkeit
haben konnte.


Grenzboten IV. 1862. 32

gewann, verlor sie wieder durch die große Hitze dieser Tage, welche einen
Theil des Moors bei Jdstedt so austrocknete, daß es für Infanterie gangbar
wurde. Indeß war dieselbe im Centrum durch ihre wie eine Bastion vorge¬
schobne Lage so stark, daß man zuversichtlich hoffen konnte, sie auch nach einem
mißlungnen Stoße aus ihr heraus halten zu können. Als die schwache Seite
. zeigte sich von Haus aus die an der Treene (linker Flügel), die doch wegen
ihrer großen Entfernung nicht genügend besetzt werden konnte.

Doch lassen wir von jetzt an den General ohne Unterbrechung selbst erzählen.

„Die Vertheilung der Truppen in der Stellung und ihre Einrichtung hatte
natürlich von Anfang an die doppelte Absichtim Auge, mit der dieselbe überhaupt
bezogen war: aus ihr hervorzubrechen und erst später sie zu vertheidigen. Des
Feindes Hauptangriff schien nothwendig gegen einen meiner Flügel gerichtet
werden zu müssen, entweder also auf Wedelspang oder Solbro, vielleicht richtete
er ihn sogar im Vertrauen auf seine Ueberlegenheit auf beide. In jedem Falle
erschien das Hervorbrechen aus dem Centrum der Stellung das Nichtige, und
in der Aussicht, daß es dazu kommen müsse, geschah Alles und unterblieb Alles,
was geschah oder unterblieb. Deshalb wurde die Laufbrücke über den Lang¬
see gebaut, darum die Ausgänge frei gehalten, darum die ganze zweite Brigade
bei Wedelspang gelassen und Solbro und die ganze Linie bis Engbrück nur
schwach besetzt. Wenn weniger für die bloße Verstärkung der Stellung als
Vertheidigungsstellung geschah, als geschehen ist, so geschah es theils eben der
Vorherrschenden offensiven Absicht wegen, theils aus Mangel an Mitteln, und
weil ich es für mehr geboten hielt, die Zeit, welche der Feind uns ließ, zur
bessern Ausbildung der Gefechtsfähigkeit der Truppen zu verwenden, als um
einige Verschanzungen aufzuwerfen, in deren Bau man vielleicht gestört worden
wäre, und die bei einem richtig geleiteten Angriff doch nichts geholfen hätten.
Habe ich hier einen Fehler begangen, so ist es der. daß ich mich selbst zu
ausschließlich mit dem Angriffsgedanken beschäftigte und es unterließ, die Führer
auch auf den Fall der bloßen Vertheidigung der Stellung, wie sie gleich von
Hause aus oder im. Verlaufe der Begebenheiten nach einem mißlungenen offen¬
siven Stoß eintreten konnte, zu instruiren. Bei der kleinen, so eng zusammen¬
gedrängten Armee dachte ich, werde sich das zur Zeit von selber finden, und
das zu viele Instruiren auf alle möglichen Fälle macht die Leute oft nur unsicher
und verwirrt. Die Avantgarde, die erste, dritte und vierte Brigade waren völlig
concentrirt in der Mitte der Stellung, und nur die zweite Brigade einige Tausend
Schritte entfernt, und zwar in der doppelten Absicht, in welcher die Aufstellung
überhaupt gewählt war. Die Avantgarde war mit der Weisung bis Helligbek
vorgeschoben, sich bei einem Andringen des Feindes sofort in die Hauptstellung
zurückzuziehen, was bei der Beschaffenheit des Terrains keine Schwierigkeit
haben konnte.


Grenzboten IV. 1862. 32
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115109"/>
            <p xml:id="ID_806" prev="#ID_805"> gewann, verlor sie wieder durch die große Hitze dieser Tage, welche einen<lb/>
Theil des Moors bei Jdstedt so austrocknete, daß es für Infanterie gangbar<lb/>
wurde. Indeß war dieselbe im Centrum durch ihre wie eine Bastion vorge¬<lb/>
schobne Lage so stark, daß man zuversichtlich hoffen konnte, sie auch nach einem<lb/>
mißlungnen Stoße aus ihr heraus halten zu können. Als die schwache Seite<lb/>
. zeigte sich von Haus aus die an der Treene (linker Flügel), die doch wegen<lb/>
ihrer großen Entfernung nicht genügend besetzt werden konnte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_807"> Doch lassen wir von jetzt an den General ohne Unterbrechung selbst erzählen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_808"> &#x201E;Die Vertheilung der Truppen in der Stellung und ihre Einrichtung hatte<lb/>
natürlich von Anfang an die doppelte Absichtim Auge, mit der dieselbe überhaupt<lb/>
bezogen war: aus ihr hervorzubrechen und erst später sie zu vertheidigen. Des<lb/>
Feindes Hauptangriff schien nothwendig gegen einen meiner Flügel gerichtet<lb/>
werden zu müssen, entweder also auf Wedelspang oder Solbro, vielleicht richtete<lb/>
er ihn sogar im Vertrauen auf seine Ueberlegenheit auf beide. In jedem Falle<lb/>
erschien das Hervorbrechen aus dem Centrum der Stellung das Nichtige, und<lb/>
in der Aussicht, daß es dazu kommen müsse, geschah Alles und unterblieb Alles,<lb/>
was geschah oder unterblieb. Deshalb wurde die Laufbrücke über den Lang¬<lb/>
see gebaut, darum die Ausgänge frei gehalten, darum die ganze zweite Brigade<lb/>
bei Wedelspang gelassen und Solbro und die ganze Linie bis Engbrück nur<lb/>
schwach besetzt. Wenn weniger für die bloße Verstärkung der Stellung als<lb/>
Vertheidigungsstellung geschah, als geschehen ist, so geschah es theils eben der<lb/>
Vorherrschenden offensiven Absicht wegen, theils aus Mangel an Mitteln, und<lb/>
weil ich es für mehr geboten hielt, die Zeit, welche der Feind uns ließ, zur<lb/>
bessern Ausbildung der Gefechtsfähigkeit der Truppen zu verwenden, als um<lb/>
einige Verschanzungen aufzuwerfen, in deren Bau man vielleicht gestört worden<lb/>
wäre, und die bei einem richtig geleiteten Angriff doch nichts geholfen hätten.<lb/>
Habe ich hier einen Fehler begangen, so ist es der. daß ich mich selbst zu<lb/>
ausschließlich mit dem Angriffsgedanken beschäftigte und es unterließ, die Führer<lb/>
auch auf den Fall der bloßen Vertheidigung der Stellung, wie sie gleich von<lb/>
Hause aus oder im. Verlaufe der Begebenheiten nach einem mißlungenen offen¬<lb/>
siven Stoß eintreten konnte, zu instruiren. Bei der kleinen, so eng zusammen¬<lb/>
gedrängten Armee dachte ich, werde sich das zur Zeit von selber finden, und<lb/>
das zu viele Instruiren auf alle möglichen Fälle macht die Leute oft nur unsicher<lb/>
und verwirrt. Die Avantgarde, die erste, dritte und vierte Brigade waren völlig<lb/>
concentrirt in der Mitte der Stellung, und nur die zweite Brigade einige Tausend<lb/>
Schritte entfernt, und zwar in der doppelten Absicht, in welcher die Aufstellung<lb/>
überhaupt gewählt war. Die Avantgarde war mit der Weisung bis Helligbek<lb/>
vorgeschoben, sich bei einem Andringen des Feindes sofort in die Hauptstellung<lb/>
zurückzuziehen, was bei der Beschaffenheit des Terrains keine Schwierigkeit<lb/>
haben konnte.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1862. 32</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0257] gewann, verlor sie wieder durch die große Hitze dieser Tage, welche einen Theil des Moors bei Jdstedt so austrocknete, daß es für Infanterie gangbar wurde. Indeß war dieselbe im Centrum durch ihre wie eine Bastion vorge¬ schobne Lage so stark, daß man zuversichtlich hoffen konnte, sie auch nach einem mißlungnen Stoße aus ihr heraus halten zu können. Als die schwache Seite . zeigte sich von Haus aus die an der Treene (linker Flügel), die doch wegen ihrer großen Entfernung nicht genügend besetzt werden konnte. Doch lassen wir von jetzt an den General ohne Unterbrechung selbst erzählen. „Die Vertheilung der Truppen in der Stellung und ihre Einrichtung hatte natürlich von Anfang an die doppelte Absichtim Auge, mit der dieselbe überhaupt bezogen war: aus ihr hervorzubrechen und erst später sie zu vertheidigen. Des Feindes Hauptangriff schien nothwendig gegen einen meiner Flügel gerichtet werden zu müssen, entweder also auf Wedelspang oder Solbro, vielleicht richtete er ihn sogar im Vertrauen auf seine Ueberlegenheit auf beide. In jedem Falle erschien das Hervorbrechen aus dem Centrum der Stellung das Nichtige, und in der Aussicht, daß es dazu kommen müsse, geschah Alles und unterblieb Alles, was geschah oder unterblieb. Deshalb wurde die Laufbrücke über den Lang¬ see gebaut, darum die Ausgänge frei gehalten, darum die ganze zweite Brigade bei Wedelspang gelassen und Solbro und die ganze Linie bis Engbrück nur schwach besetzt. Wenn weniger für die bloße Verstärkung der Stellung als Vertheidigungsstellung geschah, als geschehen ist, so geschah es theils eben der Vorherrschenden offensiven Absicht wegen, theils aus Mangel an Mitteln, und weil ich es für mehr geboten hielt, die Zeit, welche der Feind uns ließ, zur bessern Ausbildung der Gefechtsfähigkeit der Truppen zu verwenden, als um einige Verschanzungen aufzuwerfen, in deren Bau man vielleicht gestört worden wäre, und die bei einem richtig geleiteten Angriff doch nichts geholfen hätten. Habe ich hier einen Fehler begangen, so ist es der. daß ich mich selbst zu ausschließlich mit dem Angriffsgedanken beschäftigte und es unterließ, die Führer auch auf den Fall der bloßen Vertheidigung der Stellung, wie sie gleich von Hause aus oder im. Verlaufe der Begebenheiten nach einem mißlungenen offen¬ siven Stoß eintreten konnte, zu instruiren. Bei der kleinen, so eng zusammen¬ gedrängten Armee dachte ich, werde sich das zur Zeit von selber finden, und das zu viele Instruiren auf alle möglichen Fälle macht die Leute oft nur unsicher und verwirrt. Die Avantgarde, die erste, dritte und vierte Brigade waren völlig concentrirt in der Mitte der Stellung, und nur die zweite Brigade einige Tausend Schritte entfernt, und zwar in der doppelten Absicht, in welcher die Aufstellung überhaupt gewählt war. Die Avantgarde war mit der Weisung bis Helligbek vorgeschoben, sich bei einem Andringen des Feindes sofort in die Hauptstellung zurückzuziehen, was bei der Beschaffenheit des Terrains keine Schwierigkeit haben konnte. Grenzboten IV. 1862. 32

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/257
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/257>, abgerufen am 27.09.2024.