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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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stark sei. Und es war keine Inconsequenz, wenn sie in einer populären und
wichtigen Organisationsfrage den ehrlichen Willen bewahrte, etwas Noth¬
wendiges schaffen zu helfen. Sie, hätte die erste Rate von 600,000 Thalern
für Panzerschiffe nach Streichung des Wortes: "vorläufig" aus dem Staats¬
schatz entnehmen lassen und die Verhandlungen über die spätern Zahlungen der
Zukunft überweisen können. Aber allerdings hätte die Majorität in sicherer
Perspective, daß in der nächsten Zukunft Verhandlungen über ein Budget in
einem Hause preußischer Abgeordneten schwerlich stattfinden werden. Und es war
deshalb in der That ein Zeichen guten Willens, daß sie vor dem Eintritt der
Krisis sich durch das Amendement Novell erbot, die ganze Summe, welche für
Herstellung der Panzerschiffe nöthig war, sofort aus dem Staatsschatz zu bewilligen.
Der Finanzminister dagegen war zwar formell in seinem Recht, wenn er eine
Bewilligung über die Forderung hinaus und die damit verbundene Belastung
des Staatsschatzes ungewöhnlich fand, in der Sache trifft aber die größere Schuld
der Verweigerung die Regierung. Denn wenn der Regierung überhaupt daran
lag, mit Bewilligung des Abgeordnetenhauses die projectirten drei Kriegsschiffe zu
bauen, so durfte ihr die Entnahme des ganzen Kostenbetrags aus dem Staatsschatz
um so weniger unthunlich erscheinen, als sie überhaupt keine andern Deckungs¬
mittel vorzuschlagen wußte, und weil die Theilung der Forderung in mehre
Raten überhaupt keinen Sinn hat.. Denn es ist nicht richtig, was .auch von
Seiten der Opposition gegen die Bewilligung geltend gemacht wurde, daß die
Vollendung der Kriegsschiffe vor dem nächsten Herbst unmöglich sei. Die Con-
föderirten Nordamerika's haben größere Fahrzeuge durch englische Werkstätten
in weit kürzerer Zeit bauen lassen, und es ist durchaus nicht einzusehen, warum
die Regierung, was ihr so wichtig und patriotisch erschien, und was bis zum
nächsten Sommer abgeliefert und bezahlt sein konnte, nicht sogleich durch die
disponiblen Gelder des Staats decken wollte. Von beiden Seiten waren die
Gegensätze zu hoch gespannt, Erbitterung und Argwohn zu groß. Daß die Aus¬
bildung unserer Marine darunter gelitten hat, wird wahrscheinlich einst von
allen Parteien beklagt werden. Denn wie die Sachen jetzt liegen, wird für das
nächste Jahr schwerlich etwas dafür geschehen können, und das im Ganzen vor¬
treffliche Project des Marineministers wird mit mancher andern Aussicht in
dem harten, bittern und aufregenden Kampf, in welchen Preußen jetzt eintritt,
begraben werden.

Dieser Zwischenfall wird jedoch das Urtheil über die Haltung und die
Verdienste der preußischen Opposition nicht modificiren. Den Widerstand, welchen
sie der Regierung geleistet hat, die unerschütterliche und kluge Haltung hat ihr
die Achtung Europa's, Ansprüche auf den warmen Dank der Deutschen erworben.
Eine junge politische Partei, durch aufgeregte Tagesstimmung zusammengescllt, hat
sich mit einer Umsicht und einem politischen Takt geschlagen, um den sie manche


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stark sei. Und es war keine Inconsequenz, wenn sie in einer populären und
wichtigen Organisationsfrage den ehrlichen Willen bewahrte, etwas Noth¬
wendiges schaffen zu helfen. Sie, hätte die erste Rate von 600,000 Thalern
für Panzerschiffe nach Streichung des Wortes: „vorläufig" aus dem Staats¬
schatz entnehmen lassen und die Verhandlungen über die spätern Zahlungen der
Zukunft überweisen können. Aber allerdings hätte die Majorität in sicherer
Perspective, daß in der nächsten Zukunft Verhandlungen über ein Budget in
einem Hause preußischer Abgeordneten schwerlich stattfinden werden. Und es war
deshalb in der That ein Zeichen guten Willens, daß sie vor dem Eintritt der
Krisis sich durch das Amendement Novell erbot, die ganze Summe, welche für
Herstellung der Panzerschiffe nöthig war, sofort aus dem Staatsschatz zu bewilligen.
Der Finanzminister dagegen war zwar formell in seinem Recht, wenn er eine
Bewilligung über die Forderung hinaus und die damit verbundene Belastung
des Staatsschatzes ungewöhnlich fand, in der Sache trifft aber die größere Schuld
der Verweigerung die Regierung. Denn wenn der Regierung überhaupt daran
lag, mit Bewilligung des Abgeordnetenhauses die projectirten drei Kriegsschiffe zu
bauen, so durfte ihr die Entnahme des ganzen Kostenbetrags aus dem Staatsschatz
um so weniger unthunlich erscheinen, als sie überhaupt keine andern Deckungs¬
mittel vorzuschlagen wußte, und weil die Theilung der Forderung in mehre
Raten überhaupt keinen Sinn hat.. Denn es ist nicht richtig, was .auch von
Seiten der Opposition gegen die Bewilligung geltend gemacht wurde, daß die
Vollendung der Kriegsschiffe vor dem nächsten Herbst unmöglich sei. Die Con-
föderirten Nordamerika's haben größere Fahrzeuge durch englische Werkstätten
in weit kürzerer Zeit bauen lassen, und es ist durchaus nicht einzusehen, warum
die Regierung, was ihr so wichtig und patriotisch erschien, und was bis zum
nächsten Sommer abgeliefert und bezahlt sein konnte, nicht sogleich durch die
disponiblen Gelder des Staats decken wollte. Von beiden Seiten waren die
Gegensätze zu hoch gespannt, Erbitterung und Argwohn zu groß. Daß die Aus¬
bildung unserer Marine darunter gelitten hat, wird wahrscheinlich einst von
allen Parteien beklagt werden. Denn wie die Sachen jetzt liegen, wird für das
nächste Jahr schwerlich etwas dafür geschehen können, und das im Ganzen vor¬
treffliche Project des Marineministers wird mit mancher andern Aussicht in
dem harten, bittern und aufregenden Kampf, in welchen Preußen jetzt eintritt,
begraben werden.

Dieser Zwischenfall wird jedoch das Urtheil über die Haltung und die
Verdienste der preußischen Opposition nicht modificiren. Den Widerstand, welchen
sie der Regierung geleistet hat, die unerschütterliche und kluge Haltung hat ihr
die Achtung Europa's, Ansprüche auf den warmen Dank der Deutschen erworben.
Eine junge politische Partei, durch aufgeregte Tagesstimmung zusammengescllt, hat
sich mit einer Umsicht und einem politischen Takt geschlagen, um den sie manche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/163>, abgerufen am 27.09.2024.