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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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leichtsinniger Weise auf Lieutenant Browns Veranlassung in eine zweifelhafte
Situation begeben hatten. Die Lichter, welche wir vor uns sahen, konnten
allerdings vom Mount-Vernon herrühren, sie konnten indeß auch der Nashville
angehören, welche bei> Beaufort.auf Hindernisse gestoßen sein und jetzt an der
Küste kreuzen mochte, um während der Nacht eine Gelegenheit zum Einlaufen
zu gewinnen. Die Nashville war stark armirt und von geringem Tiefgang, die
nahe Küste durchaus feindlich, also an Widerstand gar nicht zu denken. Man
konnte uns ohne alle Umstände auf den Strand jagen und vom Ufer aus
plündern und gefangen nehmen, wie das an derselben Stelle schon mehr als
einmal passirt war. -- Capitän -L. schien sich auch nicht ganz behaglich bei
der Idee zu fühlen und ließ immer weniger Dampf anwenden, um aus
möglichster Ferne ansprechen und sich im Nothfall schleunigst zurückziehen zu
können. Jetzt waren wir auf Sprachweite nahe, die Räder standen. "Was für
ein Schiff?" erscholl es aus-dem Sprachrohr. Zur großen Erleichterung aller
Hörer ertönte die Antwort: "Steamer Mount-Vernon von der nördlichen
Blockadcschwadron. Wer seid Ihr?" -- "Regierungstransport Matanzas, mit
Truppen und Provisionen nach Port Royal, hier mit Ordres von Lieutenant
Brown, Bark Fernandina :c. :c." -- Der Capitän vom Mount-Vernon ant¬
wortete aus unsere Depesche sehr höflich: er wisse besser als Lieutenant Brown,
wo die Nashville sei*).

Wir zogen uns von dem unhöflichen Mount-Vernon zurück und wollten
bei Nacht und Nebel unsern Cours, der auf eine so nichtswürdige Weise unter¬
brochen worden war, wieder aufnehmen, als in geringer Entfernung wieder
drei Flvttenlichter auftauchten, welche bisher durch einen Küstenvorsprung ver¬
borgen gewesen waren. Gleich darauf dampfte der Mount-Vernon wieder
heran und rief uns, indem er an der Backbordseite vvrüberglitt zu: "Drüben
ist die "Mississippi" mit 1500 Mann, General Butter und Stab an Bord,
bestimmt nach ship Island, im Sinken. Haltet Euch nahe im Falle der Noth."
-- Da hatten wir wieder eine Ordre, welche nicht minder lockend war, als
die erste: Im besten Falle eine langsame Reise; im schlimmsten auf unserm
kleinen Schiffe, das so schon genug beladen war, noch 1500 Mann und General
Butler und Stab an Bord. Schöne Aussichten! Der Mount-Vernon hatte
sich sogleich wieder entfernt, wahrscheinlich um auf die Nashville zu fahnden,
und überließ uns unserm Schicksal; die bloße Menschlichkeit erlaubte uns also
nicht, die Mississippi im Stich zu lassen, wenn wir auch nicht gebunden waren,



Dies hinderte die Nashville jedoch leider nicht, vierzehn Tage später ebenso unbemerkt
von Beaufort wieder auszulnufen, wie sie eingelaufen war. Glücklicher Weise jedoch hatten
Wir das Factum nicht wieder zu rapportiren.

leichtsinniger Weise auf Lieutenant Browns Veranlassung in eine zweifelhafte
Situation begeben hatten. Die Lichter, welche wir vor uns sahen, konnten
allerdings vom Mount-Vernon herrühren, sie konnten indeß auch der Nashville
angehören, welche bei> Beaufort.auf Hindernisse gestoßen sein und jetzt an der
Küste kreuzen mochte, um während der Nacht eine Gelegenheit zum Einlaufen
zu gewinnen. Die Nashville war stark armirt und von geringem Tiefgang, die
nahe Küste durchaus feindlich, also an Widerstand gar nicht zu denken. Man
konnte uns ohne alle Umstände auf den Strand jagen und vom Ufer aus
plündern und gefangen nehmen, wie das an derselben Stelle schon mehr als
einmal passirt war. — Capitän -L. schien sich auch nicht ganz behaglich bei
der Idee zu fühlen und ließ immer weniger Dampf anwenden, um aus
möglichster Ferne ansprechen und sich im Nothfall schleunigst zurückziehen zu
können. Jetzt waren wir auf Sprachweite nahe, die Räder standen. „Was für
ein Schiff?" erscholl es aus-dem Sprachrohr. Zur großen Erleichterung aller
Hörer ertönte die Antwort: „Steamer Mount-Vernon von der nördlichen
Blockadcschwadron. Wer seid Ihr?" — „Regierungstransport Matanzas, mit
Truppen und Provisionen nach Port Royal, hier mit Ordres von Lieutenant
Brown, Bark Fernandina :c. :c." — Der Capitän vom Mount-Vernon ant¬
wortete aus unsere Depesche sehr höflich: er wisse besser als Lieutenant Brown,
wo die Nashville sei*).

Wir zogen uns von dem unhöflichen Mount-Vernon zurück und wollten
bei Nacht und Nebel unsern Cours, der auf eine so nichtswürdige Weise unter¬
brochen worden war, wieder aufnehmen, als in geringer Entfernung wieder
drei Flvttenlichter auftauchten, welche bisher durch einen Küstenvorsprung ver¬
borgen gewesen waren. Gleich darauf dampfte der Mount-Vernon wieder
heran und rief uns, indem er an der Backbordseite vvrüberglitt zu: „Drüben
ist die „Mississippi" mit 1500 Mann, General Butter und Stab an Bord,
bestimmt nach ship Island, im Sinken. Haltet Euch nahe im Falle der Noth."
— Da hatten wir wieder eine Ordre, welche nicht minder lockend war, als
die erste: Im besten Falle eine langsame Reise; im schlimmsten auf unserm
kleinen Schiffe, das so schon genug beladen war, noch 1500 Mann und General
Butler und Stab an Bord. Schöne Aussichten! Der Mount-Vernon hatte
sich sogleich wieder entfernt, wahrscheinlich um auf die Nashville zu fahnden,
und überließ uns unserm Schicksal; die bloße Menschlichkeit erlaubte uns also
nicht, die Mississippi im Stich zu lassen, wenn wir auch nicht gebunden waren,



Dies hinderte die Nashville jedoch leider nicht, vierzehn Tage später ebenso unbemerkt
von Beaufort wieder auszulnufen, wie sie eingelaufen war. Glücklicher Weise jedoch hatten
Wir das Factum nicht wieder zu rapportiren.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/152>, abgerufen am 27.09.2024.