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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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man den Kater Heinz hinter den Ofen hervorlockt. Er aber roch das Feuer,
wurde gewarnt und trollte sich auf eine Zeit zum Thor hinaus.

Am Mittwoch unter der Vesper war die Noth der Kranken so groß, daß
man eilends den Herrn Dechant holte, denn wenn man nicht helfe, so werde
sie der böse Feind zu tausend Stucken zerreißen. Als gedachter Herr Dechant
und etliche von uns kamen, fanden wir einen Jammer, der uns unser Lebtag
vor Augen steht, deun obgleich die mehr als elende Frau auf der Erde in
einem elenden Bettlein an zwei Ketten ausgespannt war, daß sie keine Hand
und keinen Arm zu dem andern bringen konnte, lagen und hielten noch auf
jedem Arm zwei Mann, ihr ehcleiblicher Bruder saß ihr rittlings über den
Beinen, etliche Weiber fielen ihr über den Leib und vermeinten sie nieder¬
zudrücken, doch half es alles nichts. Der böse Feind bäumte und hob alle
dermaßen über sich, daß ein Mensch unter ihrem Rücken Hütte hindurchschlüpfen
können, und was das Allerschrccklichste war, so sah und griff man den bösen
Feind zwischen Haut und Fleisch in Form und Gestalt wie eine gute lange
dicke Natter oder Schlange. So geschwind wie sie von Natur aus der Erde
läuft, so behende lief sie in dem Leibe hin und wieder, eine Weile in den
Kopf, bald war sie in einem Arm, dann in dein andern, urplötzlich in den
Füßen, und wo sie in dem Leibe lag, war die Stelle so heiß und brannte
wie lauter Feuer. Zuletzt lauft das Herz wie ein ziemliches Scchserbrvt auf,
und der böse Feind windet sich und kriecht um das Herz herum, grade als
wenn sich eine Natter um einen Baum schlagt, er rüttelt und zieht ihr Herz
dermaßen zusammen, daß alles anfing zu krachen und wir alle miteinander
nicht anders meinten, als der grimmige, zornige böse Geist Hütte sie schon
ganz erstickt und umgebracht, denn an dem ganzen Leibe wollte sich auch nicht
ein Aederlein mehr regen. Der Dechant schrie und rief für und für zu Gott
im Himmel. -- Indem that man ihr den Mund mit einem Schlüssel auf,
aber lange Zeit wollte sich kein Leben mehr finden, ,bis man ihr etwas ein¬
goß, da fing das Herz wieder an zu klopfen. Das war uns allen ein Trost;
wir halfen und labten alle an ihr, bis sie ein wenig zu sich kam. Alsbald
gab Herr Dechant Befehl, man solle ihr das Haar aus dem Kopf sauber
hinwegschneiden, denn alles war mit Blut überronnen, er verordnete auch eine
Lauge, damit sollten sie die Weiber sauber waschen, er, der Herr Dechant, wollte
alsbald wiederkommen.

Darauf kommt Herr Dechant heim, und fordert zu sich, mich , seinen
Bruder Magister Sixtus, dann Herrn Georg Wittnuner, seinen Conscssarius, Herrn
Bernhardt Eisen, der damals Diaconus war, den Studiosus Wilibald Plet-
telius, der vor kurzem von Nom aus dem deutschen Kollegium gekommen
war, und den Studiosus Leonhard Agricola, und erklärt uns den großen
Jammer, und das sei gewiß, helfe man der armen Frau nicht noch diesen


man den Kater Heinz hinter den Ofen hervorlockt. Er aber roch das Feuer,
wurde gewarnt und trollte sich auf eine Zeit zum Thor hinaus.

Am Mittwoch unter der Vesper war die Noth der Kranken so groß, daß
man eilends den Herrn Dechant holte, denn wenn man nicht helfe, so werde
sie der böse Feind zu tausend Stucken zerreißen. Als gedachter Herr Dechant
und etliche von uns kamen, fanden wir einen Jammer, der uns unser Lebtag
vor Augen steht, deun obgleich die mehr als elende Frau auf der Erde in
einem elenden Bettlein an zwei Ketten ausgespannt war, daß sie keine Hand
und keinen Arm zu dem andern bringen konnte, lagen und hielten noch auf
jedem Arm zwei Mann, ihr ehcleiblicher Bruder saß ihr rittlings über den
Beinen, etliche Weiber fielen ihr über den Leib und vermeinten sie nieder¬
zudrücken, doch half es alles nichts. Der böse Feind bäumte und hob alle
dermaßen über sich, daß ein Mensch unter ihrem Rücken Hütte hindurchschlüpfen
können, und was das Allerschrccklichste war, so sah und griff man den bösen
Feind zwischen Haut und Fleisch in Form und Gestalt wie eine gute lange
dicke Natter oder Schlange. So geschwind wie sie von Natur aus der Erde
läuft, so behende lief sie in dem Leibe hin und wieder, eine Weile in den
Kopf, bald war sie in einem Arm, dann in dein andern, urplötzlich in den
Füßen, und wo sie in dem Leibe lag, war die Stelle so heiß und brannte
wie lauter Feuer. Zuletzt lauft das Herz wie ein ziemliches Scchserbrvt auf,
und der böse Feind windet sich und kriecht um das Herz herum, grade als
wenn sich eine Natter um einen Baum schlagt, er rüttelt und zieht ihr Herz
dermaßen zusammen, daß alles anfing zu krachen und wir alle miteinander
nicht anders meinten, als der grimmige, zornige böse Geist Hütte sie schon
ganz erstickt und umgebracht, denn an dem ganzen Leibe wollte sich auch nicht
ein Aederlein mehr regen. Der Dechant schrie und rief für und für zu Gott
im Himmel. — Indem that man ihr den Mund mit einem Schlüssel auf,
aber lange Zeit wollte sich kein Leben mehr finden, ,bis man ihr etwas ein¬
goß, da fing das Herz wieder an zu klopfen. Das war uns allen ein Trost;
wir halfen und labten alle an ihr, bis sie ein wenig zu sich kam. Alsbald
gab Herr Dechant Befehl, man solle ihr das Haar aus dem Kopf sauber
hinwegschneiden, denn alles war mit Blut überronnen, er verordnete auch eine
Lauge, damit sollten sie die Weiber sauber waschen, er, der Herr Dechant, wollte
alsbald wiederkommen.

Darauf kommt Herr Dechant heim, und fordert zu sich, mich , seinen
Bruder Magister Sixtus, dann Herrn Georg Wittnuner, seinen Conscssarius, Herrn
Bernhardt Eisen, der damals Diaconus war, den Studiosus Wilibald Plet-
telius, der vor kurzem von Nom aus dem deutschen Kollegium gekommen
war, und den Studiosus Leonhard Agricola, und erklärt uns den großen
Jammer, und das sei gewiß, helfe man der armen Frau nicht noch diesen


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[0386] man den Kater Heinz hinter den Ofen hervorlockt. Er aber roch das Feuer, wurde gewarnt und trollte sich auf eine Zeit zum Thor hinaus. Am Mittwoch unter der Vesper war die Noth der Kranken so groß, daß man eilends den Herrn Dechant holte, denn wenn man nicht helfe, so werde sie der böse Feind zu tausend Stucken zerreißen. Als gedachter Herr Dechant und etliche von uns kamen, fanden wir einen Jammer, der uns unser Lebtag vor Augen steht, deun obgleich die mehr als elende Frau auf der Erde in einem elenden Bettlein an zwei Ketten ausgespannt war, daß sie keine Hand und keinen Arm zu dem andern bringen konnte, lagen und hielten noch auf jedem Arm zwei Mann, ihr ehcleiblicher Bruder saß ihr rittlings über den Beinen, etliche Weiber fielen ihr über den Leib und vermeinten sie nieder¬ zudrücken, doch half es alles nichts. Der böse Feind bäumte und hob alle dermaßen über sich, daß ein Mensch unter ihrem Rücken Hütte hindurchschlüpfen können, und was das Allerschrccklichste war, so sah und griff man den bösen Feind zwischen Haut und Fleisch in Form und Gestalt wie eine gute lange dicke Natter oder Schlange. So geschwind wie sie von Natur aus der Erde läuft, so behende lief sie in dem Leibe hin und wieder, eine Weile in den Kopf, bald war sie in einem Arm, dann in dein andern, urplötzlich in den Füßen, und wo sie in dem Leibe lag, war die Stelle so heiß und brannte wie lauter Feuer. Zuletzt lauft das Herz wie ein ziemliches Scchserbrvt auf, und der böse Feind windet sich und kriecht um das Herz herum, grade als wenn sich eine Natter um einen Baum schlagt, er rüttelt und zieht ihr Herz dermaßen zusammen, daß alles anfing zu krachen und wir alle miteinander nicht anders meinten, als der grimmige, zornige böse Geist Hütte sie schon ganz erstickt und umgebracht, denn an dem ganzen Leibe wollte sich auch nicht ein Aederlein mehr regen. Der Dechant schrie und rief für und für zu Gott im Himmel. — Indem that man ihr den Mund mit einem Schlüssel auf, aber lange Zeit wollte sich kein Leben mehr finden, ,bis man ihr etwas ein¬ goß, da fing das Herz wieder an zu klopfen. Das war uns allen ein Trost; wir halfen und labten alle an ihr, bis sie ein wenig zu sich kam. Alsbald gab Herr Dechant Befehl, man solle ihr das Haar aus dem Kopf sauber hinwegschneiden, denn alles war mit Blut überronnen, er verordnete auch eine Lauge, damit sollten sie die Weiber sauber waschen, er, der Herr Dechant, wollte alsbald wiederkommen. Darauf kommt Herr Dechant heim, und fordert zu sich, mich , seinen Bruder Magister Sixtus, dann Herrn Georg Wittnuner, seinen Conscssarius, Herrn Bernhardt Eisen, der damals Diaconus war, den Studiosus Wilibald Plet- telius, der vor kurzem von Nom aus dem deutschen Kollegium gekommen war, und den Studiosus Leonhard Agricola, und erklärt uns den großen Jammer, und das sei gewiß, helfe man der armen Frau nicht noch diesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/386>, abgerufen am 21.12.2024.