Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.darauf aufmerksam machte, daß ohne Theilnahme Preußens an einen erfolg¬ Die Wärme für Gentz wird wieder Feuer, als er dessen Vorrede zu den darauf aufmerksam machte, daß ohne Theilnahme Preußens an einen erfolg¬ Die Wärme für Gentz wird wieder Feuer, als er dessen Vorrede zu den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186771"/> <p xml:id="ID_810" prev="#ID_809"> darauf aufmerksam machte, daß ohne Theilnahme Preußens an einen erfolg¬<lb/> reichen Kampf gegen Napoleon nicht zu denken sei. Wahrend Müller sonst<lb/> jede neue Eröffnung seines Freundes mit Begeisterung aufnahm, ist er dies¬<lb/> mal merkwürdig verstimmt, namentlich über die extreme Abneigung gegen<lb/> Rußland. Auch nachdem sich Gentz ziemlich derb gerechtfertigt, schreibt<lb/> er ihm am 26. April' „Erstlich sind Sie mehr Redner, ich Geschichtschreiber;<lb/> daher bei mir eine gewisse Gewohnheit kälterer' Mäßigung, weit größere Kraft<lb/> in Ihrem durchschneidenden Wort. Dann find Sie auch im Wegwerfen<lb/> etwas behender; ich suche wie in einem Schiffbruch jedes Rettung heuchelnde<lb/> Bret, um noch einige Hoffnung darauf zu gründen und leider begegnet dann<lb/> freilich, daß die Wuth der Wogen es nach einiger Zeit schnell in den Wirbel<lb/> des grundlosen Pfuhls hinabstürzt, welcher alles Gute und Schöne Europens<lb/> in seinem stinkenden Abgrund verschlingt. So habe ich von dem russischen<lb/> Ministerium die Meinung, daß es der Höhe des großen Geschäfts gewachsen<lb/> sei, nicht. Aber die ich kenne, hassen den Tyrannen. Genug für mich; um<lb/> Schwächen zu schien, selbst nicht sie zu sehen, sie zu unterstützen, empor zu<lb/> halten. Ich mache nur zwei Abtheilungen politischer Menschen; die ihn hassen,<lb/> die ihn lieben. Mit jenen, wer sie auch seien, bin ich. Sehe ich in ihrer,<lb/> wenn auch nicht eben geschickten Hand Macht, so denke ich einst doch wol, wenn<lb/> andere kommen, oder wenn ein großer edler Gedanke das Glück hat durch-<lb/> zudringen, läßt sich von der Seite etwas hoffen." — Gentz nahm die Recht¬<lb/> fertigung der Russen immer nur als einen theoretischen Irrthum, es steckte<lb/> aber noch etwas Anderes dahinter. Am 18. Febr. 1806 schreibt Professor<lb/> Morgenstern aus Se. Petersburg an Müller; Rösler (br-sol multa) in-is.<lb/> I,aLt>or of. causa, 16 est, usa. Das wird 30. März dahin erläutert, daß<lb/> Morgenstern mit dem Fürsten Ezartoryski und andern russischen Staatsmän¬<lb/> nern über die Anstellung Müllers im russischen Staatsdienst unterhandelt,<lb/> eine Unterhandlung, welche durch vorgehende Briefe Müllers gerechtfertigt<lb/> war. Müller sollte Drrector einer neu anzulegenden Schule für diplomatische<lb/> Bildung und zugleich Mitglied der Akademie der Wissenschaften mit einem<lb/> Gehalt von 5—6000 Thaler werden. Müller antwortete umgehend, er nähme<lb/> das Anerbieten dankbar an. Er bestätigte diese Annahme noch mehrmals;<lb/> in dem letzten Brief, am 20. Mai, übersandte er dem Freund seine Selbst¬<lb/> biographie, die erst vor kurzem vollendet war und mit den Worten schloß;<lb/> „von dem an ist, was er von Jugend auf wollte, alle seine Kraft dem Ruhm<lb/> und Glück des preußischen Staats und seiner großen Zwecke gewidmet!!!" —<lb/> Es wurde aus der Sache nichts, weil Czartorysti seine Stelle verlor.</p><lb/> <p xml:id="ID_811" next="#ID_812"> Die Wärme für Gentz wird wieder Feuer, als er dessen Vorrede zu den<lb/> Fragmenten über das Gleichgewicht gelesen hat (8. Mai). „Einst soll du><lb/> Nachwelt es wissen, daß wir einerlei Sinnes, daß wir Einer waren und uns</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0359]
darauf aufmerksam machte, daß ohne Theilnahme Preußens an einen erfolg¬
reichen Kampf gegen Napoleon nicht zu denken sei. Wahrend Müller sonst
jede neue Eröffnung seines Freundes mit Begeisterung aufnahm, ist er dies¬
mal merkwürdig verstimmt, namentlich über die extreme Abneigung gegen
Rußland. Auch nachdem sich Gentz ziemlich derb gerechtfertigt, schreibt
er ihm am 26. April' „Erstlich sind Sie mehr Redner, ich Geschichtschreiber;
daher bei mir eine gewisse Gewohnheit kälterer' Mäßigung, weit größere Kraft
in Ihrem durchschneidenden Wort. Dann find Sie auch im Wegwerfen
etwas behender; ich suche wie in einem Schiffbruch jedes Rettung heuchelnde
Bret, um noch einige Hoffnung darauf zu gründen und leider begegnet dann
freilich, daß die Wuth der Wogen es nach einiger Zeit schnell in den Wirbel
des grundlosen Pfuhls hinabstürzt, welcher alles Gute und Schöne Europens
in seinem stinkenden Abgrund verschlingt. So habe ich von dem russischen
Ministerium die Meinung, daß es der Höhe des großen Geschäfts gewachsen
sei, nicht. Aber die ich kenne, hassen den Tyrannen. Genug für mich; um
Schwächen zu schien, selbst nicht sie zu sehen, sie zu unterstützen, empor zu
halten. Ich mache nur zwei Abtheilungen politischer Menschen; die ihn hassen,
die ihn lieben. Mit jenen, wer sie auch seien, bin ich. Sehe ich in ihrer,
wenn auch nicht eben geschickten Hand Macht, so denke ich einst doch wol, wenn
andere kommen, oder wenn ein großer edler Gedanke das Glück hat durch-
zudringen, läßt sich von der Seite etwas hoffen." — Gentz nahm die Recht¬
fertigung der Russen immer nur als einen theoretischen Irrthum, es steckte
aber noch etwas Anderes dahinter. Am 18. Febr. 1806 schreibt Professor
Morgenstern aus Se. Petersburg an Müller; Rösler (br-sol multa) in-is.
I,aLt>or of. causa, 16 est, usa. Das wird 30. März dahin erläutert, daß
Morgenstern mit dem Fürsten Ezartoryski und andern russischen Staatsmän¬
nern über die Anstellung Müllers im russischen Staatsdienst unterhandelt,
eine Unterhandlung, welche durch vorgehende Briefe Müllers gerechtfertigt
war. Müller sollte Drrector einer neu anzulegenden Schule für diplomatische
Bildung und zugleich Mitglied der Akademie der Wissenschaften mit einem
Gehalt von 5—6000 Thaler werden. Müller antwortete umgehend, er nähme
das Anerbieten dankbar an. Er bestätigte diese Annahme noch mehrmals;
in dem letzten Brief, am 20. Mai, übersandte er dem Freund seine Selbst¬
biographie, die erst vor kurzem vollendet war und mit den Worten schloß;
„von dem an ist, was er von Jugend auf wollte, alle seine Kraft dem Ruhm
und Glück des preußischen Staats und seiner großen Zwecke gewidmet!!!" —
Es wurde aus der Sache nichts, weil Czartorysti seine Stelle verlor.
Die Wärme für Gentz wird wieder Feuer, als er dessen Vorrede zu den
Fragmenten über das Gleichgewicht gelesen hat (8. Mai). „Einst soll du>
Nachwelt es wissen, daß wir einerlei Sinnes, daß wir Einer waren und uns
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