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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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ich verachte sie von ganzem Herzen, aber ehe es zur That kommt, halte ich
für unklug, eine Partei wider mich zu erregen wozu? Lassen Sie mich zur
Wirksamkeit kommen, da sollen Sie zufrieden sein. Mit den Kerls sich her¬
umzubalgen, däucht mir unter uns. Ich Wirte täglich, bei jedem Anlaß
gleich, in unserm Sinn," Ganz die Fassung verliert er, als er aus die Schweiz
zu sprechen kommt. "Was es mir sein muß, das Land, welchem ich einen
so großen Theil meines Lebens geweiht, die Reihe seiner Siege und Helden,
seine Freiheit und seinen Bund, eben auch in der Pfütze des bonapartischen
Kaiserthums endigen zu sehen, können Sie sich denken, und die Wuth mei¬
nes Hasses. Zeugen der Wahrheit hat es noch, und wagte er sich hin,
vielleicht noch Telle! Die Jünglinge haben meine Vorrede mit einer feu¬
rigen Zuschrift abdrucken lassen." Am 9. Sept.- "Bonaparte gerieth in äu¬
ßerste Wuth, daß man ihm zu widerstehen sich erkühne. Den östreichischen
und russischen Kaiser wolle er entthronen, schrieb er; den König von Eng¬
land müsse man morden, denn derselbe morde die Ruhe seiner Seele!
. . Anstatt Wünsche, die für jetzt nicht zu rcnlisiren sind, sollten die, so Zeit
haben, jetzt in allen ersinnlichen Formen auf die Meinung des Publicums
und Heers zu wirken trachten . . . Ich möchte alle Bücher wegwerfen, um
dieses dsllum internseivum hindurch nur jedem Augenblick zu leben, und dem
Feind auch nicht eine Lüge ungeahndet hingehn zu lassen . . . Zum Opfer
für die gute Sache, oder allenfalls zu einem Professor in Kasan kann ich mich,
wenns nicht anders ist, gleich unbefangen entscheiden . . . Kann man lite¬
rarisch wirken, wenn Bonaparte despotisirt? Er ist nicht August; in welchem
Maße er kleiner wird, in demselben erhöht sich meine Verehrung dessen, der
Horazen und Virgil fühlte. Was hilft unser Schreiben, wenn dieser herrscht!
Eitel alle Arbeit, so lang die Welt nicht gesichert ist. Die Lumpigkeit der
Literatur ist auch Folge der Abspannung, die das Gefühl hervorbringt, es
sei nun einmal keine andere nützliche Kunst, als ihm zu gefallen; welches nur
durch armsdicke Weihrauchkörner geschehen kann," - Dann, 30. Sept. als
für Oestreich der Krieg entschieden ist- "Einen Moniteur sollten wir schreiben;
er würde viel umschcifsen. Will Ihr Kaiser, so gebe er mir meine Stelle
wieder, und ich leiste mit Ihnen der Sache, die er versieht, diesen großen
Dienst . . . Jetzt wo Sie frei sind, reißen Sie jede Maske nach der andern
dem Feind weg; zerstören Sie die Illusion seines Glücks, die Lügen, die Prah¬
lereien, bald mit feiner horazischer Hand, bald mit Juvenals Knutpeitsche.
Man sollte alle Tage einen Nagel schlagen, der bleibe. Bald seine Heucheln
enthüllen und lächerlich, bald seine kindische Eitelkeit verächtlich, und alle Na¬
tionen der Erde davon überzeugt machen, daß er das Geschöpf ihrer Klein-
muth ist u. s. w. -- A,n 18. Oct. schreibt er sehr sanguinisch über die
Stimmung in Preußen: "Krieg ist im Theater gefordert worden; bei den Ma-


Grenzbote" II. 18ö8. 44

ich verachte sie von ganzem Herzen, aber ehe es zur That kommt, halte ich
für unklug, eine Partei wider mich zu erregen wozu? Lassen Sie mich zur
Wirksamkeit kommen, da sollen Sie zufrieden sein. Mit den Kerls sich her¬
umzubalgen, däucht mir unter uns. Ich Wirte täglich, bei jedem Anlaß
gleich, in unserm Sinn," Ganz die Fassung verliert er, als er aus die Schweiz
zu sprechen kommt. „Was es mir sein muß, das Land, welchem ich einen
so großen Theil meines Lebens geweiht, die Reihe seiner Siege und Helden,
seine Freiheit und seinen Bund, eben auch in der Pfütze des bonapartischen
Kaiserthums endigen zu sehen, können Sie sich denken, und die Wuth mei¬
nes Hasses. Zeugen der Wahrheit hat es noch, und wagte er sich hin,
vielleicht noch Telle! Die Jünglinge haben meine Vorrede mit einer feu¬
rigen Zuschrift abdrucken lassen." Am 9. Sept.- „Bonaparte gerieth in äu¬
ßerste Wuth, daß man ihm zu widerstehen sich erkühne. Den östreichischen
und russischen Kaiser wolle er entthronen, schrieb er; den König von Eng¬
land müsse man morden, denn derselbe morde die Ruhe seiner Seele!
. . Anstatt Wünsche, die für jetzt nicht zu rcnlisiren sind, sollten die, so Zeit
haben, jetzt in allen ersinnlichen Formen auf die Meinung des Publicums
und Heers zu wirken trachten . . . Ich möchte alle Bücher wegwerfen, um
dieses dsllum internseivum hindurch nur jedem Augenblick zu leben, und dem
Feind auch nicht eine Lüge ungeahndet hingehn zu lassen . . . Zum Opfer
für die gute Sache, oder allenfalls zu einem Professor in Kasan kann ich mich,
wenns nicht anders ist, gleich unbefangen entscheiden . . . Kann man lite¬
rarisch wirken, wenn Bonaparte despotisirt? Er ist nicht August; in welchem
Maße er kleiner wird, in demselben erhöht sich meine Verehrung dessen, der
Horazen und Virgil fühlte. Was hilft unser Schreiben, wenn dieser herrscht!
Eitel alle Arbeit, so lang die Welt nicht gesichert ist. Die Lumpigkeit der
Literatur ist auch Folge der Abspannung, die das Gefühl hervorbringt, es
sei nun einmal keine andere nützliche Kunst, als ihm zu gefallen; welches nur
durch armsdicke Weihrauchkörner geschehen kann," - Dann, 30. Sept. als
für Oestreich der Krieg entschieden ist- „Einen Moniteur sollten wir schreiben;
er würde viel umschcifsen. Will Ihr Kaiser, so gebe er mir meine Stelle
wieder, und ich leiste mit Ihnen der Sache, die er versieht, diesen großen
Dienst . . . Jetzt wo Sie frei sind, reißen Sie jede Maske nach der andern
dem Feind weg; zerstören Sie die Illusion seines Glücks, die Lügen, die Prah¬
lereien, bald mit feiner horazischer Hand, bald mit Juvenals Knutpeitsche.
Man sollte alle Tage einen Nagel schlagen, der bleibe. Bald seine Heucheln
enthüllen und lächerlich, bald seine kindische Eitelkeit verächtlich, und alle Na¬
tionen der Erde davon überzeugt machen, daß er das Geschöpf ihrer Klein-
muth ist u. s. w. — A,n 18. Oct. schreibt er sehr sanguinisch über die
Stimmung in Preußen: „Krieg ist im Theater gefordert worden; bei den Ma-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/353>, abgerufen am 21.12.2024.