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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Während die mächtigsten Banken (die englische und die französische) "den
Disconto auf eine unmöglich geglaubte Stufe erhöhten, lieh der Credit-
Mobilicr allen unter seinem Patronat stehenden Gesellschaften die ausgedehn¬
teste Mithilfe und half ihnen wirksam, unbehindert durch die furchtbaren Ver¬
hältnisse zu gehe", welche wir erlebten .... Denn, in. -H., wenn wir auch
durchaus nicht für unfehlbar gelten wollen, so liegt uns daran, das
Verdienst zu beanspruchen, die Unternehmen nicht zu verlassen, welche wir
ins Leben riefen und nie von dem Posten zu desertiren, welchen die Verhält¬
nisse uns anwiesen. In Frankreich hat auch die Krisis am wenigsten gewü¬
thet. Dank sei es der kaiserlichen und unserer Vorsehung!

Die Geschäfte des Credit-Mobilier haben das eigenthümliche Gepräge,
daß, um sie in ihrer Gesammtheit zu beurtheilen, man wenigstens eine sum¬
marische Kenntniß von der Lage des Unternehmens haben muß, an welchen
er betheiligt war . . . Wir können nicht wie der einzelne Activnär die von
uns gegründeten Unternehmungen heute ausnehmen, dann wieder aufgeben,
indem wir einfach ihre Werthtitel verkaufen oder taufen; unsere Stellung er¬
heischt mehr Thätigkeit in den Placemcnts; wir erleiden die Schwankungen,
welche außerhalb unseres Kreises in den Coursen der Werthe eintreten, aber
unsere Würdigung ihres innern Werthes beruht aus andern Elementen als
aus jenen, welche ihnen die Speculation beilegt, sie, die im Allgemeinen so
hitzig und übertrieben in ihren Vorurtheilen wie in ihrer Vorliebe ist.

Allerdings kann die Hauffe der Werthe uicht unbegrenzt sein, alle mersch
liebe Geschäfte sind dem Rückgang unterworfen; aber wenn die Übertriebelle
Hauffe ihre wirklichen Nachtheile hat, gegen welche man auf der Hut sei"
muß, so hat die übertriebene Baisse noch bedauerlichere Folgen, denn sie
strebt nach nichts Anderm als darnach, alles Vertrauen zu zerstören, Besorgniß
in alle Familien zu streuen und über die Lage des Landes Befürchtungen zu
erwecken, die, so gering sie anfangs immer seien, mit der Länge der Zeit be¬
stimmte Gestalten annehmen und eine Gefahr werden können."

Es ist ein wunderbares Gefühl, das einen beschleicht, wenn man diese
Sätze zusammenhält. Voran die Großartigkeit der gewährten Hilfsleistungen
an alle Zöglinge des Credit-Mobilier in einer Zeit, wo sogar die englische
und französische Bank in Verlegenheit waren, und hinterher der Anspruch, dies
nur im reinsten Gefühl der Pflichterfüllung gethan zu haben, dazwischen aber
die Verleugnung der eignen Unfehlbarkeit, und dann wieder die den Actio¬
nären gemachte freundliche Mittheilung, daß sie eigentlich von der Sache gar
nichts verständen, so daß man wirklich nicht begreift, weshalb der Bericht
auf ihr Urtheil provociren zu wollen scheint, und endlich die niederschmetternde
Diatribe gegen die Baisse. Die Baisse ist uns nicht allein fatal, aber Pe-
reire hat das schon vergeben, sie ist mehr, sie ist ein Staatsverbrechen:


Während die mächtigsten Banken (die englische und die französische) „den
Disconto auf eine unmöglich geglaubte Stufe erhöhten, lieh der Credit-
Mobilicr allen unter seinem Patronat stehenden Gesellschaften die ausgedehn¬
teste Mithilfe und half ihnen wirksam, unbehindert durch die furchtbaren Ver¬
hältnisse zu gehe», welche wir erlebten .... Denn, in. -H., wenn wir auch
durchaus nicht für unfehlbar gelten wollen, so liegt uns daran, das
Verdienst zu beanspruchen, die Unternehmen nicht zu verlassen, welche wir
ins Leben riefen und nie von dem Posten zu desertiren, welchen die Verhält¬
nisse uns anwiesen. In Frankreich hat auch die Krisis am wenigsten gewü¬
thet. Dank sei es der kaiserlichen und unserer Vorsehung!

Die Geschäfte des Credit-Mobilier haben das eigenthümliche Gepräge,
daß, um sie in ihrer Gesammtheit zu beurtheilen, man wenigstens eine sum¬
marische Kenntniß von der Lage des Unternehmens haben muß, an welchen
er betheiligt war . . . Wir können nicht wie der einzelne Activnär die von
uns gegründeten Unternehmungen heute ausnehmen, dann wieder aufgeben,
indem wir einfach ihre Werthtitel verkaufen oder taufen; unsere Stellung er¬
heischt mehr Thätigkeit in den Placemcnts; wir erleiden die Schwankungen,
welche außerhalb unseres Kreises in den Coursen der Werthe eintreten, aber
unsere Würdigung ihres innern Werthes beruht aus andern Elementen als
aus jenen, welche ihnen die Speculation beilegt, sie, die im Allgemeinen so
hitzig und übertrieben in ihren Vorurtheilen wie in ihrer Vorliebe ist.

Allerdings kann die Hauffe der Werthe uicht unbegrenzt sein, alle mersch
liebe Geschäfte sind dem Rückgang unterworfen; aber wenn die Übertriebelle
Hauffe ihre wirklichen Nachtheile hat, gegen welche man auf der Hut sei»
muß, so hat die übertriebene Baisse noch bedauerlichere Folgen, denn sie
strebt nach nichts Anderm als darnach, alles Vertrauen zu zerstören, Besorgniß
in alle Familien zu streuen und über die Lage des Landes Befürchtungen zu
erwecken, die, so gering sie anfangs immer seien, mit der Länge der Zeit be¬
stimmte Gestalten annehmen und eine Gefahr werden können."

Es ist ein wunderbares Gefühl, das einen beschleicht, wenn man diese
Sätze zusammenhält. Voran die Großartigkeit der gewährten Hilfsleistungen
an alle Zöglinge des Credit-Mobilier in einer Zeit, wo sogar die englische
und französische Bank in Verlegenheit waren, und hinterher der Anspruch, dies
nur im reinsten Gefühl der Pflichterfüllung gethan zu haben, dazwischen aber
die Verleugnung der eignen Unfehlbarkeit, und dann wieder die den Actio¬
nären gemachte freundliche Mittheilung, daß sie eigentlich von der Sache gar
nichts verständen, so daß man wirklich nicht begreift, weshalb der Bericht
auf ihr Urtheil provociren zu wollen scheint, und endlich die niederschmetternde
Diatribe gegen die Baisse. Die Baisse ist uns nicht allein fatal, aber Pe-
reire hat das schon vergeben, sie ist mehr, sie ist ein Staatsverbrechen:


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[0343] Während die mächtigsten Banken (die englische und die französische) „den Disconto auf eine unmöglich geglaubte Stufe erhöhten, lieh der Credit- Mobilicr allen unter seinem Patronat stehenden Gesellschaften die ausgedehn¬ teste Mithilfe und half ihnen wirksam, unbehindert durch die furchtbaren Ver¬ hältnisse zu gehe», welche wir erlebten .... Denn, in. -H., wenn wir auch durchaus nicht für unfehlbar gelten wollen, so liegt uns daran, das Verdienst zu beanspruchen, die Unternehmen nicht zu verlassen, welche wir ins Leben riefen und nie von dem Posten zu desertiren, welchen die Verhält¬ nisse uns anwiesen. In Frankreich hat auch die Krisis am wenigsten gewü¬ thet. Dank sei es der kaiserlichen und unserer Vorsehung! Die Geschäfte des Credit-Mobilier haben das eigenthümliche Gepräge, daß, um sie in ihrer Gesammtheit zu beurtheilen, man wenigstens eine sum¬ marische Kenntniß von der Lage des Unternehmens haben muß, an welchen er betheiligt war . . . Wir können nicht wie der einzelne Activnär die von uns gegründeten Unternehmungen heute ausnehmen, dann wieder aufgeben, indem wir einfach ihre Werthtitel verkaufen oder taufen; unsere Stellung er¬ heischt mehr Thätigkeit in den Placemcnts; wir erleiden die Schwankungen, welche außerhalb unseres Kreises in den Coursen der Werthe eintreten, aber unsere Würdigung ihres innern Werthes beruht aus andern Elementen als aus jenen, welche ihnen die Speculation beilegt, sie, die im Allgemeinen so hitzig und übertrieben in ihren Vorurtheilen wie in ihrer Vorliebe ist. Allerdings kann die Hauffe der Werthe uicht unbegrenzt sein, alle mersch liebe Geschäfte sind dem Rückgang unterworfen; aber wenn die Übertriebelle Hauffe ihre wirklichen Nachtheile hat, gegen welche man auf der Hut sei» muß, so hat die übertriebene Baisse noch bedauerlichere Folgen, denn sie strebt nach nichts Anderm als darnach, alles Vertrauen zu zerstören, Besorgniß in alle Familien zu streuen und über die Lage des Landes Befürchtungen zu erwecken, die, so gering sie anfangs immer seien, mit der Länge der Zeit be¬ stimmte Gestalten annehmen und eine Gefahr werden können." Es ist ein wunderbares Gefühl, das einen beschleicht, wenn man diese Sätze zusammenhält. Voran die Großartigkeit der gewährten Hilfsleistungen an alle Zöglinge des Credit-Mobilier in einer Zeit, wo sogar die englische und französische Bank in Verlegenheit waren, und hinterher der Anspruch, dies nur im reinsten Gefühl der Pflichterfüllung gethan zu haben, dazwischen aber die Verleugnung der eignen Unfehlbarkeit, und dann wieder die den Actio¬ nären gemachte freundliche Mittheilung, daß sie eigentlich von der Sache gar nichts verständen, so daß man wirklich nicht begreift, weshalb der Bericht auf ihr Urtheil provociren zu wollen scheint, und endlich die niederschmetternde Diatribe gegen die Baisse. Die Baisse ist uns nicht allein fatal, aber Pe- reire hat das schon vergeben, sie ist mehr, sie ist ein Staatsverbrechen:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/343>, abgerufen am 21.12.2024.