Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Decuriat und die Augustalität zu zahlende Geld erlassen. In den beiden
ersten Jahrhunderten, als die Willkür der Kaiser nach nicht das Vermögen
der Communen antastete und ihnen unerschwingliche Lasten auslegte, si,r die.
dann die Decurionen persönlich haften mußten, fand ein Zudrang zu den
Aemtern statt und die Bewerbungen führten zu Wahlumtrieben, die bisweilen
Aehnlichkeit mit einem Sturm in einem Glase Wasser gehabt haben müssen.
An den Häusermauern der Straßen in Pompeji sind zahlreiche Empfehlungen
von Wcihlcandidaten angeschrieben, die theils von einzelnen, theils von Gil¬
den und Korporationen ausgehen und mitunter sehr ungrammatisch abgefaßt
sind, z. B. Saturninus mit seine Lehrlinge schlägt den C. Euspius Ponsa
zum Aedilen vor. Ein andrer Anhänger desselben Kandidaten sügt seiner
Empfehlung bei: Er schafft gutes Brot <die Aedilen hatten die Marktpolizei).
Aehnliche Zusätze, z. B.'. er ist es werth! u. tgi. finden sich öfter. Jede
Wahl gab ans diese Weise den professionellen Schreibern zu thun, welche
solche Voden mit Farben an die Mauern pinselten; die Hausbesitzer mußten
sich dies gefallen lassen, und nur in den Grabschriften werden die Schreiber
höflich ersucht, die Mauern der Monumente nnbepinseit zu lassen. Ganz be
sonders thätig waren bei diesen Wahlkämpfen die Gilden (colla?^) der ver-
schiedenen Handwerke und Arbeiter. In Pompeji, wo die Kollegia auch bei
dem oben erwähnten Kampf im Amphitheater sich so sehr hervorthaten, daß
mehre durch Senatsbeschluß aufgelöst wurde", erscheinen in diesen Mauer¬
anschlägen die Goldschmiede, Bäcker, Maulthiertreiber, Zimmerleute, Stell¬
macher, Obsthändler und Salinenarbeiter, - außerdem eine (religiöse" Isis¬
brüderschaft.




Neueste Entwicklung des pariser Credit-MMlier.

"Was wäre Frankreichs Volk jetzt ohne den dritten Napoleon, was Frank¬
reichs Handel und Industrie ohne den ersten Pereire!" so schrieben wir an
dieser Stelle vor noch nicht einem Jahre. Napoleon ist noch an seinem Platze
und das französische Volk wird noch immer durch ihn gerettet und ist somit
glücklich, und Pereire -- auch er ist noch da, aber es ist nicht mehr der Pe¬
reire, zu dem die Fondsbörsen vertrauend emporblicken, der Mann der herr¬
lichen Unternehmungen und der noch herrlicheren Dividenden. Pereire hat es
selbst ausgesprochen, was vierzehn Tage vorher den kaiserlich französischen
Rittern bei schwerer Strafe verboten war nur zu muthmaßen, er hat dies-


Decuriat und die Augustalität zu zahlende Geld erlassen. In den beiden
ersten Jahrhunderten, als die Willkür der Kaiser nach nicht das Vermögen
der Communen antastete und ihnen unerschwingliche Lasten auslegte, si,r die.
dann die Decurionen persönlich haften mußten, fand ein Zudrang zu den
Aemtern statt und die Bewerbungen führten zu Wahlumtrieben, die bisweilen
Aehnlichkeit mit einem Sturm in einem Glase Wasser gehabt haben müssen.
An den Häusermauern der Straßen in Pompeji sind zahlreiche Empfehlungen
von Wcihlcandidaten angeschrieben, die theils von einzelnen, theils von Gil¬
den und Korporationen ausgehen und mitunter sehr ungrammatisch abgefaßt
sind, z. B. Saturninus mit seine Lehrlinge schlägt den C. Euspius Ponsa
zum Aedilen vor. Ein andrer Anhänger desselben Kandidaten sügt seiner
Empfehlung bei: Er schafft gutes Brot <die Aedilen hatten die Marktpolizei).
Aehnliche Zusätze, z. B.'. er ist es werth! u. tgi. finden sich öfter. Jede
Wahl gab ans diese Weise den professionellen Schreibern zu thun, welche
solche Voden mit Farben an die Mauern pinselten; die Hausbesitzer mußten
sich dies gefallen lassen, und nur in den Grabschriften werden die Schreiber
höflich ersucht, die Mauern der Monumente nnbepinseit zu lassen. Ganz be
sonders thätig waren bei diesen Wahlkämpfen die Gilden (colla?^) der ver-
schiedenen Handwerke und Arbeiter. In Pompeji, wo die Kollegia auch bei
dem oben erwähnten Kampf im Amphitheater sich so sehr hervorthaten, daß
mehre durch Senatsbeschluß aufgelöst wurde», erscheinen in diesen Mauer¬
anschlägen die Goldschmiede, Bäcker, Maulthiertreiber, Zimmerleute, Stell¬
macher, Obsthändler und Salinenarbeiter, - außerdem eine (religiöse» Isis¬
brüderschaft.




Neueste Entwicklung des pariser Credit-MMlier.

„Was wäre Frankreichs Volk jetzt ohne den dritten Napoleon, was Frank¬
reichs Handel und Industrie ohne den ersten Pereire!" so schrieben wir an
dieser Stelle vor noch nicht einem Jahre. Napoleon ist noch an seinem Platze
und das französische Volk wird noch immer durch ihn gerettet und ist somit
glücklich, und Pereire — auch er ist noch da, aber es ist nicht mehr der Pe¬
reire, zu dem die Fondsbörsen vertrauend emporblicken, der Mann der herr¬
lichen Unternehmungen und der noch herrlicheren Dividenden. Pereire hat es
selbst ausgesprochen, was vierzehn Tage vorher den kaiserlich französischen
Rittern bei schwerer Strafe verboten war nur zu muthmaßen, er hat dies-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186753"/>
              <p xml:id="ID_776" prev="#ID_775"> Decuriat und die Augustalität zu zahlende Geld erlassen. In den beiden<lb/>
ersten Jahrhunderten, als die Willkür der Kaiser nach nicht das Vermögen<lb/>
der Communen antastete und ihnen unerschwingliche Lasten auslegte, si,r die.<lb/>
dann die Decurionen persönlich haften mußten, fand ein Zudrang zu den<lb/>
Aemtern statt und die Bewerbungen führten zu Wahlumtrieben, die bisweilen<lb/>
Aehnlichkeit mit einem Sturm in einem Glase Wasser gehabt haben müssen.<lb/>
An den Häusermauern der Straßen in Pompeji sind zahlreiche Empfehlungen<lb/>
von Wcihlcandidaten angeschrieben, die theils von einzelnen, theils von Gil¬<lb/>
den und Korporationen ausgehen und mitunter sehr ungrammatisch abgefaßt<lb/>
sind, z. B. Saturninus mit seine Lehrlinge schlägt den C. Euspius Ponsa<lb/>
zum Aedilen vor. Ein andrer Anhänger desselben Kandidaten sügt seiner<lb/>
Empfehlung bei: Er schafft gutes Brot &lt;die Aedilen hatten die Marktpolizei).<lb/>
Aehnliche Zusätze, z. B.'. er ist es werth! u. tgi. finden sich öfter. Jede<lb/>
Wahl gab ans diese Weise den professionellen Schreibern zu thun, welche<lb/>
solche Voden mit Farben an die Mauern pinselten; die Hausbesitzer mußten<lb/>
sich dies gefallen lassen, und nur in den Grabschriften werden die Schreiber<lb/>
höflich ersucht, die Mauern der Monumente nnbepinseit zu lassen. Ganz be<lb/>
sonders thätig waren bei diesen Wahlkämpfen die Gilden (colla?^) der ver-<lb/>
schiedenen Handwerke und Arbeiter. In Pompeji, wo die Kollegia auch bei<lb/>
dem oben erwähnten Kampf im Amphitheater sich so sehr hervorthaten, daß<lb/>
mehre durch Senatsbeschluß aufgelöst wurde», erscheinen in diesen Mauer¬<lb/>
anschlägen die Goldschmiede, Bäcker, Maulthiertreiber, Zimmerleute, Stell¬<lb/>
macher, Obsthändler und Salinenarbeiter, - außerdem eine (religiöse» Isis¬<lb/>
brüderschaft.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Neueste Entwicklung des pariser Credit-MMlier.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_777" next="#ID_778"> &#x201E;Was wäre Frankreichs Volk jetzt ohne den dritten Napoleon, was Frank¬<lb/>
reichs Handel und Industrie ohne den ersten Pereire!" so schrieben wir an<lb/>
dieser Stelle vor noch nicht einem Jahre. Napoleon ist noch an seinem Platze<lb/>
und das französische Volk wird noch immer durch ihn gerettet und ist somit<lb/>
glücklich, und Pereire &#x2014; auch er ist noch da, aber es ist nicht mehr der Pe¬<lb/>
reire, zu dem die Fondsbörsen vertrauend emporblicken, der Mann der herr¬<lb/>
lichen Unternehmungen und der noch herrlicheren Dividenden. Pereire hat es<lb/>
selbst ausgesprochen, was vierzehn Tage vorher den kaiserlich französischen<lb/>
Rittern bei schwerer Strafe verboten war nur zu muthmaßen, er hat dies-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0341] Decuriat und die Augustalität zu zahlende Geld erlassen. In den beiden ersten Jahrhunderten, als die Willkür der Kaiser nach nicht das Vermögen der Communen antastete und ihnen unerschwingliche Lasten auslegte, si,r die. dann die Decurionen persönlich haften mußten, fand ein Zudrang zu den Aemtern statt und die Bewerbungen führten zu Wahlumtrieben, die bisweilen Aehnlichkeit mit einem Sturm in einem Glase Wasser gehabt haben müssen. An den Häusermauern der Straßen in Pompeji sind zahlreiche Empfehlungen von Wcihlcandidaten angeschrieben, die theils von einzelnen, theils von Gil¬ den und Korporationen ausgehen und mitunter sehr ungrammatisch abgefaßt sind, z. B. Saturninus mit seine Lehrlinge schlägt den C. Euspius Ponsa zum Aedilen vor. Ein andrer Anhänger desselben Kandidaten sügt seiner Empfehlung bei: Er schafft gutes Brot <die Aedilen hatten die Marktpolizei). Aehnliche Zusätze, z. B.'. er ist es werth! u. tgi. finden sich öfter. Jede Wahl gab ans diese Weise den professionellen Schreibern zu thun, welche solche Voden mit Farben an die Mauern pinselten; die Hausbesitzer mußten sich dies gefallen lassen, und nur in den Grabschriften werden die Schreiber höflich ersucht, die Mauern der Monumente nnbepinseit zu lassen. Ganz be sonders thätig waren bei diesen Wahlkämpfen die Gilden (colla?^) der ver- schiedenen Handwerke und Arbeiter. In Pompeji, wo die Kollegia auch bei dem oben erwähnten Kampf im Amphitheater sich so sehr hervorthaten, daß mehre durch Senatsbeschluß aufgelöst wurde», erscheinen in diesen Mauer¬ anschlägen die Goldschmiede, Bäcker, Maulthiertreiber, Zimmerleute, Stell¬ macher, Obsthändler und Salinenarbeiter, - außerdem eine (religiöse» Isis¬ brüderschaft. Neueste Entwicklung des pariser Credit-MMlier. „Was wäre Frankreichs Volk jetzt ohne den dritten Napoleon, was Frank¬ reichs Handel und Industrie ohne den ersten Pereire!" so schrieben wir an dieser Stelle vor noch nicht einem Jahre. Napoleon ist noch an seinem Platze und das französische Volk wird noch immer durch ihn gerettet und ist somit glücklich, und Pereire — auch er ist noch da, aber es ist nicht mehr der Pe¬ reire, zu dem die Fondsbörsen vertrauend emporblicken, der Mann der herr¬ lichen Unternehmungen und der noch herrlicheren Dividenden. Pereire hat es selbst ausgesprochen, was vierzehn Tage vorher den kaiserlich französischen Rittern bei schwerer Strafe verboten war nur zu muthmaßen, er hat dies-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/341
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/341>, abgerufen am 21.12.2024.