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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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während dessen Verbannung auf der Insel Elba sagen ließ: die Bourbonen
herrschen, aber Napoleon regiert."

Die französische Revolution war eine Schwester der Reformation. Diese griff
die religiöse Autorität, jene die monarchische an. Beide wollten blos Mißbräuche
abschaffen, aber weder die Religion, noch die Monarchie unterdrücken, die Vor¬
sehung schuf nach der Revolution einen Mann, so groß und noch größer, als
diese gewesen, um sie zu heiligen, ihre Grundsetze zu verbreiten und ihnen eine
Grenze zu stecken. Dieser Mann war Napoleon. Die französische Revolution
hat das Fcndalrecht abgeschafft,, der Kaiser hat durch seinen Code die letzten
Spuren desselben verwischt. Sie hat die Dazwischenkunft Aller bei den Steuer-
votirnugen ausgesprochen, der Kaiser hat diese Principien beibehalten. Sie hat
die ausnahmsweisen Gerichte aufgehoben, Napoleon hat die Einheit des Gerichts¬
wesens gegründet. Sie hat allen Staatsangehörigen den Zutritt zu allen Aem¬
tern eröffnen wollen. Der Kgiser hat seine Marschälle aus Bauern gewählt.
Die Revolution wollte die geistliche Macht der weltlichen untergeordnet wissen.
Napoleon machte jene von dieser in einem gerechten Maße abhängig. Weiter
konnte und durfte man nicht gehen.

Der Kaiser gab, wie der Verfasser schon bemerkt, diesem Spöte-in die National-
souverainetät zur Grundlage, und er habe auch bis zu seinem letzten Augenblicke
niemals seinen populairen Ursprung verläugnet.

Seine Nachfolger haben das Gegentheil gethan.

"Ludwig XVIII. und Carl X. fühlten Beide, daß sie blos die Könige des
Adels und des Klerus seien, das heißt von zwei Kasten, die sich in großer Min¬
derheit im Lande befinden, sie regieren auch nicht im Interesse des Landes, von
welchem sie weder ein Mandat verlangt, noch erhalten haben, sondern im Interesse
der beiden Kasten. Ludwig Philipp seinerseits wird ausschließlich für die Bour¬
geoisie thun, was die ältere Linie für den Adel und den Klerus gethan. Und
zunächst überzeugt, daß sie blos eine Minderheit darstellen, wagte keiner von
ihnen, was der Kaiser gethan. Sie befragten nicht das allgemeine Stimmrecht;
sie haben zurückgeschreckt, die Frage ihrer Existenz dem allgemeinen Stimmrechte
vorzulegen."

Ludwig XVIII. nahm vom Throne Besitz, wie von einem Lehensgnte, er
octroyirte eine Charte (sie), und verwarf die vom Senate ausgearbeitete, deren
Annahme versprochen war.

,,"Mau verlieh der Nation ein angebliches Verfassungsgesetz, eben so leicht
zu umgehen, als zu, widerrufen und in der Form von einfachen königlichen Or¬
donnanzen, ohne die Nation zu befragen, ohne selbst jene ungesetzlich gewordenen
Körperschaften zu befragen -- Schatten von einer Nationalvertretung -- (sie),
und so wie die Bourbonen ohne Recht befahlen und ohne Garantie versprachen,
haben sie umgangen'ohne Ehrlichkeit und ausgeführt ohne Treue (!),


während dessen Verbannung auf der Insel Elba sagen ließ: die Bourbonen
herrschen, aber Napoleon regiert."

Die französische Revolution war eine Schwester der Reformation. Diese griff
die religiöse Autorität, jene die monarchische an. Beide wollten blos Mißbräuche
abschaffen, aber weder die Religion, noch die Monarchie unterdrücken, die Vor¬
sehung schuf nach der Revolution einen Mann, so groß und noch größer, als
diese gewesen, um sie zu heiligen, ihre Grundsetze zu verbreiten und ihnen eine
Grenze zu stecken. Dieser Mann war Napoleon. Die französische Revolution
hat das Fcndalrecht abgeschafft,, der Kaiser hat durch seinen Code die letzten
Spuren desselben verwischt. Sie hat die Dazwischenkunft Aller bei den Steuer-
votirnugen ausgesprochen, der Kaiser hat diese Principien beibehalten. Sie hat
die ausnahmsweisen Gerichte aufgehoben, Napoleon hat die Einheit des Gerichts¬
wesens gegründet. Sie hat allen Staatsangehörigen den Zutritt zu allen Aem¬
tern eröffnen wollen. Der Kgiser hat seine Marschälle aus Bauern gewählt.
Die Revolution wollte die geistliche Macht der weltlichen untergeordnet wissen.
Napoleon machte jene von dieser in einem gerechten Maße abhängig. Weiter
konnte und durfte man nicht gehen.

Der Kaiser gab, wie der Verfasser schon bemerkt, diesem Spöte-in die National-
souverainetät zur Grundlage, und er habe auch bis zu seinem letzten Augenblicke
niemals seinen populairen Ursprung verläugnet.

Seine Nachfolger haben das Gegentheil gethan.

„Ludwig XVIII. und Carl X. fühlten Beide, daß sie blos die Könige des
Adels und des Klerus seien, das heißt von zwei Kasten, die sich in großer Min¬
derheit im Lande befinden, sie regieren auch nicht im Interesse des Landes, von
welchem sie weder ein Mandat verlangt, noch erhalten haben, sondern im Interesse
der beiden Kasten. Ludwig Philipp seinerseits wird ausschließlich für die Bour¬
geoisie thun, was die ältere Linie für den Adel und den Klerus gethan. Und
zunächst überzeugt, daß sie blos eine Minderheit darstellen, wagte keiner von
ihnen, was der Kaiser gethan. Sie befragten nicht das allgemeine Stimmrecht;
sie haben zurückgeschreckt, die Frage ihrer Existenz dem allgemeinen Stimmrechte
vorzulegen."

Ludwig XVIII. nahm vom Throne Besitz, wie von einem Lehensgnte, er
octroyirte eine Charte (sie), und verwarf die vom Senate ausgearbeitete, deren
Annahme versprochen war.

,,„Mau verlieh der Nation ein angebliches Verfassungsgesetz, eben so leicht
zu umgehen, als zu, widerrufen und in der Form von einfachen königlichen Or¬
donnanzen, ohne die Nation zu befragen, ohne selbst jene ungesetzlich gewordenen
Körperschaften zu befragen — Schatten von einer Nationalvertretung — (sie),
und so wie die Bourbonen ohne Recht befahlen und ohne Garantie versprachen,
haben sie umgangen'ohne Ehrlichkeit und ausgeführt ohne Treue (!),


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[0096] während dessen Verbannung auf der Insel Elba sagen ließ: die Bourbonen herrschen, aber Napoleon regiert." Die französische Revolution war eine Schwester der Reformation. Diese griff die religiöse Autorität, jene die monarchische an. Beide wollten blos Mißbräuche abschaffen, aber weder die Religion, noch die Monarchie unterdrücken, die Vor¬ sehung schuf nach der Revolution einen Mann, so groß und noch größer, als diese gewesen, um sie zu heiligen, ihre Grundsetze zu verbreiten und ihnen eine Grenze zu stecken. Dieser Mann war Napoleon. Die französische Revolution hat das Fcndalrecht abgeschafft,, der Kaiser hat durch seinen Code die letzten Spuren desselben verwischt. Sie hat die Dazwischenkunft Aller bei den Steuer- votirnugen ausgesprochen, der Kaiser hat diese Principien beibehalten. Sie hat die ausnahmsweisen Gerichte aufgehoben, Napoleon hat die Einheit des Gerichts¬ wesens gegründet. Sie hat allen Staatsangehörigen den Zutritt zu allen Aem¬ tern eröffnen wollen. Der Kgiser hat seine Marschälle aus Bauern gewählt. Die Revolution wollte die geistliche Macht der weltlichen untergeordnet wissen. Napoleon machte jene von dieser in einem gerechten Maße abhängig. Weiter konnte und durfte man nicht gehen. Der Kaiser gab, wie der Verfasser schon bemerkt, diesem Spöte-in die National- souverainetät zur Grundlage, und er habe auch bis zu seinem letzten Augenblicke niemals seinen populairen Ursprung verläugnet. Seine Nachfolger haben das Gegentheil gethan. „Ludwig XVIII. und Carl X. fühlten Beide, daß sie blos die Könige des Adels und des Klerus seien, das heißt von zwei Kasten, die sich in großer Min¬ derheit im Lande befinden, sie regieren auch nicht im Interesse des Landes, von welchem sie weder ein Mandat verlangt, noch erhalten haben, sondern im Interesse der beiden Kasten. Ludwig Philipp seinerseits wird ausschließlich für die Bour¬ geoisie thun, was die ältere Linie für den Adel und den Klerus gethan. Und zunächst überzeugt, daß sie blos eine Minderheit darstellen, wagte keiner von ihnen, was der Kaiser gethan. Sie befragten nicht das allgemeine Stimmrecht; sie haben zurückgeschreckt, die Frage ihrer Existenz dem allgemeinen Stimmrechte vorzulegen." Ludwig XVIII. nahm vom Throne Besitz, wie von einem Lehensgnte, er octroyirte eine Charte (sie), und verwarf die vom Senate ausgearbeitete, deren Annahme versprochen war. ,,„Mau verlieh der Nation ein angebliches Verfassungsgesetz, eben so leicht zu umgehen, als zu, widerrufen und in der Form von einfachen königlichen Or¬ donnanzen, ohne die Nation zu befragen, ohne selbst jene ungesetzlich gewordenen Körperschaften zu befragen — Schatten von einer Nationalvertretung — (sie), und so wie die Bourbonen ohne Recht befahlen und ohne Garantie versprachen, haben sie umgangen'ohne Ehrlichkeit und ausgeführt ohne Treue (!),

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/96>, abgerufen am 27.09.2024.