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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Wir wollen versuchen, ein getreues Resnmv nebst einigen Auszügen dieses wich¬
tigen Actenstückes den Lesern Ihrer Revue mitzutheilen.

"Es ist jetzt klar, daß die unwiderstehliche Bewegung der öffentlichen Meinung,
der einstimmige Schwung der Nation, wie er sich allseitig in den Wünschen der
Generalräthe ausgesprochen, der Fortschritt der politischen Ideen, die Lehren
einer contemporairen (jetztzeitigen) Erfahrung, das Interesse Frankreichs, Europa's,
der Welt, dazu beiträgt, in einem mehr oder minder nahen Zeitpunkte die Wieder¬
herstellung des Kaiserreichs herbei^nführen."

So beginnt der anonyme Schriftsteller, welcher, um sein Jncognito um so
besser zu wahren, erklärt, daß er weder den Präsidenten, noch irgend einen seiner
Freunde kenne, und fügt hin^n, daß er nur seine persönliche Meinung aus¬
sprechen wolle. Um die Nothwendigkeit des Kaiserreichs darzuthun, giebt der
Pamphletist eine gedrNngene Darstellung der Geschichte Frankreichs seit der ersten
französischen Revolution bis auf unsre Tage, aus welcher hervorgeht, daß nnr
Napoleon eine wirklich nationale Regierung gegründet, und daß daher nur sein
System und seine Dynastie eine stabile Regierung gründen können. Die Ge¬
schichte Frankreichs, wie sie unser Schriftsteller auffaßt, lehrt nämlich, daß der
Kaiser blos den Koalitionen des Auslandes gegenüber gefallen sei, während alle
anderen Regierungen der Emeute und dem Bürgerkriege unterlagen. -Die Ursache
dieses Phänomens ist dem Verfasser die Axe, um die sich das Problem der Neu¬
zeit dreht, und diese sendet er in dem Umstände, daß ,,der Kaiser die Revolution
ohne Rückhalt angenommen und sie im Innern durch seiue Gesetze und nach
außen hin dnrch seiue Siege zur Geltung brachte." Die Revolution von 1789
ist aber dem Pamphletisten der Inbegriff der menschlichen Fortschritte, und blos
weil sie entweder zu weit ausgedehnt wurde (durch Abschaffung der Monarchie),
oder "late genug anerkannt, wie unter der Restauration und der Juliregierung,
konnte sich kein Gouvernement in Frankreich halten. "Dann fühlte sich der Kaiser'
so sehr als Vertreter dieser Revolution, daß er keinen Augenblick anstand, das
neue Recht Frankreichs, die Nationalsouverainetät an, die Stelle des Rechts von
Gottes Gnaden zu setzen." Seit 181S hingegen sieht unser Verfasser blos Re¬
gierungen, welche die Revolution nicht aufrichtig anerkannten, und welche ihre
Autorität nicht in der Volkssouverainetät suchten. Hierin liegt der Grund der
Schwäche dieser Regierungen, welche oft den unbedeutendsten Emeuten erlagen. Und
sie unterlagen trotz der Organisation Napoleon's, deren Wohlthaten ihnen doch
zu Gute gekommen waren: der Code, das Finanzsystem, das Budget, die Bank,
die Ehrenlegion, die Armee, die administrative und gerichtliche Einheit: "Mit
einem Worte alle Lebenskräfte des Staates, und die Restauration sowol, als Lud¬
wig Philipp hatten blos die verständige Maschine in Bewegung zu setzen, welche
die Hand des Genies geschaffen, was, beiläufig gesagt, die Anhänger des Kaisers


Wir wollen versuchen, ein getreues Resnmv nebst einigen Auszügen dieses wich¬
tigen Actenstückes den Lesern Ihrer Revue mitzutheilen.

„Es ist jetzt klar, daß die unwiderstehliche Bewegung der öffentlichen Meinung,
der einstimmige Schwung der Nation, wie er sich allseitig in den Wünschen der
Generalräthe ausgesprochen, der Fortschritt der politischen Ideen, die Lehren
einer contemporairen (jetztzeitigen) Erfahrung, das Interesse Frankreichs, Europa's,
der Welt, dazu beiträgt, in einem mehr oder minder nahen Zeitpunkte die Wieder¬
herstellung des Kaiserreichs herbei^nführen."

So beginnt der anonyme Schriftsteller, welcher, um sein Jncognito um so
besser zu wahren, erklärt, daß er weder den Präsidenten, noch irgend einen seiner
Freunde kenne, und fügt hin^n, daß er nur seine persönliche Meinung aus¬
sprechen wolle. Um die Nothwendigkeit des Kaiserreichs darzuthun, giebt der
Pamphletist eine gedrNngene Darstellung der Geschichte Frankreichs seit der ersten
französischen Revolution bis auf unsre Tage, aus welcher hervorgeht, daß nnr
Napoleon eine wirklich nationale Regierung gegründet, und daß daher nur sein
System und seine Dynastie eine stabile Regierung gründen können. Die Ge¬
schichte Frankreichs, wie sie unser Schriftsteller auffaßt, lehrt nämlich, daß der
Kaiser blos den Koalitionen des Auslandes gegenüber gefallen sei, während alle
anderen Regierungen der Emeute und dem Bürgerkriege unterlagen. -Die Ursache
dieses Phänomens ist dem Verfasser die Axe, um die sich das Problem der Neu¬
zeit dreht, und diese sendet er in dem Umstände, daß ,,der Kaiser die Revolution
ohne Rückhalt angenommen und sie im Innern durch seiue Gesetze und nach
außen hin dnrch seiue Siege zur Geltung brachte." Die Revolution von 1789
ist aber dem Pamphletisten der Inbegriff der menschlichen Fortschritte, und blos
weil sie entweder zu weit ausgedehnt wurde (durch Abschaffung der Monarchie),
oder »late genug anerkannt, wie unter der Restauration und der Juliregierung,
konnte sich kein Gouvernement in Frankreich halten. „Dann fühlte sich der Kaiser'
so sehr als Vertreter dieser Revolution, daß er keinen Augenblick anstand, das
neue Recht Frankreichs, die Nationalsouverainetät an, die Stelle des Rechts von
Gottes Gnaden zu setzen." Seit 181S hingegen sieht unser Verfasser blos Re¬
gierungen, welche die Revolution nicht aufrichtig anerkannten, und welche ihre
Autorität nicht in der Volkssouverainetät suchten. Hierin liegt der Grund der
Schwäche dieser Regierungen, welche oft den unbedeutendsten Emeuten erlagen. Und
sie unterlagen trotz der Organisation Napoleon's, deren Wohlthaten ihnen doch
zu Gute gekommen waren: der Code, das Finanzsystem, das Budget, die Bank,
die Ehrenlegion, die Armee, die administrative und gerichtliche Einheit: „Mit
einem Worte alle Lebenskräfte des Staates, und die Restauration sowol, als Lud¬
wig Philipp hatten blos die verständige Maschine in Bewegung zu setzen, welche
die Hand des Genies geschaffen, was, beiläufig gesagt, die Anhänger des Kaisers


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/95>, abgerufen am 27.09.2024.