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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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an die Pfarrer und Kapellane, so wie an die Gemeinderäthe aller in den durch
die Gegenwart des Prinzpräsidenten zu beglückenden Ortschaften den Befehl, dem
Oberhaupte des Staates und respective.dem Retter der Gesellschaft entgegen¬
zukommen. Sie erhielten zugleich den Auftrag, ihren amtlichen wie gesellschaft¬
lichen Einfluß aufzubieten, um möglichst viele Mitglieder ihrer Gemeinden zum
Erscheinen auf deu Berührungspunkten der prinzpräsidentlichen Reise zu bewegen,
was denn auch wirklich geschah. Das ganze ofstcielle und halbofficiclle Heer mit
ihrem verwandten Nachtrabe finden sich ans den Orten der Bestellung pünktlichst
ein und macheu pflichtschuldigst deu an den Moniteur telegraphirten Spectakel.
Die frommen Pfarrer erscheinen am Arme ihrer treuen Mägde und Haus¬
hälterinnen, um ihr andächtiges Gebet Salvum kao Hapoleonetv, in's Weltliche
übersetzt Vive l'^mpereur zum Himmel zu schicken. Den Bauern wird versichert,
daß die Commnnalwege, die nöthigen Bauten im Interesse ihrer Gemeinden alle
sofort beginnen würden, als der Priuzpräfideut von ihrem Eifer für seiue Person
überzeugt ist. Anderen, die einen Sohn, einen Bruder, einen Verwandten oder
Freund im Gefängnisse oder im Exile haben, wird in's Ohr geflüstert, daß sie
nur Viv<z 1'empöreur zu schreien brauchten, um ihre Angehörigen der Freiheit
wiedergegeben zu sehen. Die bei der Polizei schlecht Angemerkten werden er¬
mahnt und zu lebhaften Loyalitätsbeweisen angespornt, weil man sonst für Nichts
stehe u. s. w. So findet sich denn eine anständige Anzahl von gezwungenen
Bewunderern zusammen, nud das Ganze bietet einen artigen Anblick, mit dem
sich selbst die kaiserlichen Ansprüche Louis Napoleon's zufrieden geben können.
Anfänglich scheinen die gouvernementalen Forderungen bescheidenerer Natur ge¬
wesen zu sein, denn die meisten Gemeinden trugen auf ihren Festbannern blos die
Inschriften: Vive 1s xrvsiäsMl Vivs I^0ni,8 Mpolvoir l -- Später steigerten sich
die Ansprüche und man schrieb neben den Goldletteru ein mit Kohle und Wasser
imprvvisirtes Vivs I'smperLue. So wünschen es die telegraphischen Bedürfnisse
des Moniteurs. Daheim wird mittlerweile anch nicht gefeiert, und der Börsen¬
minister Fould ließ seine College" von ehemals zu sich kommen und erklärte ihnen,
daß die 3°/g vor der Rückkunft des Präsidenten den Cours von 8 "/"erreicht
haben müssen. Nun sollten Sie das lustige Hinauftreiben der armen Actien
sehen. Das ist ein wahrer Hexensabbat, dieses Schauspiel an der Börse. Was
wird aber dem Kaiserthume zu thun übrig bleiben, wenn schon die Agonie der
Republik unsre Capitalien verdoppelt? Das weiß Louis Napoleon allein. Die
Presse steht dem Treiben mit geknebeltem Munde zu, und selbst die gouvernemen¬
talen Journale finden sich ans die unbegrenzte und unbestimmte Lobhudelei an-
gewiesen. Sie hat eben so wenig Wurzel im Boden der Regierung, wie die
Oppositionsorgane. Will man ja in Zukunft dieses nothwendige Uebel der mo¬
dernen Staatskunst ganz entbehren können, und nur der Moniteur verdient einige
Aufmerksamkeit. Die Journalisten, von denen bekannt ist, daß sie für auswärtige


an die Pfarrer und Kapellane, so wie an die Gemeinderäthe aller in den durch
die Gegenwart des Prinzpräsidenten zu beglückenden Ortschaften den Befehl, dem
Oberhaupte des Staates und respective.dem Retter der Gesellschaft entgegen¬
zukommen. Sie erhielten zugleich den Auftrag, ihren amtlichen wie gesellschaft¬
lichen Einfluß aufzubieten, um möglichst viele Mitglieder ihrer Gemeinden zum
Erscheinen auf deu Berührungspunkten der prinzpräsidentlichen Reise zu bewegen,
was denn auch wirklich geschah. Das ganze ofstcielle und halbofficiclle Heer mit
ihrem verwandten Nachtrabe finden sich ans den Orten der Bestellung pünktlichst
ein und macheu pflichtschuldigst deu an den Moniteur telegraphirten Spectakel.
Die frommen Pfarrer erscheinen am Arme ihrer treuen Mägde und Haus¬
hälterinnen, um ihr andächtiges Gebet Salvum kao Hapoleonetv, in's Weltliche
übersetzt Vive l'^mpereur zum Himmel zu schicken. Den Bauern wird versichert,
daß die Commnnalwege, die nöthigen Bauten im Interesse ihrer Gemeinden alle
sofort beginnen würden, als der Priuzpräfideut von ihrem Eifer für seiue Person
überzeugt ist. Anderen, die einen Sohn, einen Bruder, einen Verwandten oder
Freund im Gefängnisse oder im Exile haben, wird in's Ohr geflüstert, daß sie
nur Viv<z 1'empöreur zu schreien brauchten, um ihre Angehörigen der Freiheit
wiedergegeben zu sehen. Die bei der Polizei schlecht Angemerkten werden er¬
mahnt und zu lebhaften Loyalitätsbeweisen angespornt, weil man sonst für Nichts
stehe u. s. w. So findet sich denn eine anständige Anzahl von gezwungenen
Bewunderern zusammen, nud das Ganze bietet einen artigen Anblick, mit dem
sich selbst die kaiserlichen Ansprüche Louis Napoleon's zufrieden geben können.
Anfänglich scheinen die gouvernementalen Forderungen bescheidenerer Natur ge¬
wesen zu sein, denn die meisten Gemeinden trugen auf ihren Festbannern blos die
Inschriften: Vive 1s xrvsiäsMl Vivs I^0ni,8 Mpolvoir l — Später steigerten sich
die Ansprüche und man schrieb neben den Goldletteru ein mit Kohle und Wasser
imprvvisirtes Vivs I'smperLue. So wünschen es die telegraphischen Bedürfnisse
des Moniteurs. Daheim wird mittlerweile anch nicht gefeiert, und der Börsen¬
minister Fould ließ seine College» von ehemals zu sich kommen und erklärte ihnen,
daß die 3°/g vor der Rückkunft des Präsidenten den Cours von 8 "/„erreicht
haben müssen. Nun sollten Sie das lustige Hinauftreiben der armen Actien
sehen. Das ist ein wahrer Hexensabbat, dieses Schauspiel an der Börse. Was
wird aber dem Kaiserthume zu thun übrig bleiben, wenn schon die Agonie der
Republik unsre Capitalien verdoppelt? Das weiß Louis Napoleon allein. Die
Presse steht dem Treiben mit geknebeltem Munde zu, und selbst die gouvernemen¬
talen Journale finden sich ans die unbegrenzte und unbestimmte Lobhudelei an-
gewiesen. Sie hat eben so wenig Wurzel im Boden der Regierung, wie die
Oppositionsorgane. Will man ja in Zukunft dieses nothwendige Uebel der mo¬
dernen Staatskunst ganz entbehren können, und nur der Moniteur verdient einige
Aufmerksamkeit. Die Journalisten, von denen bekannt ist, daß sie für auswärtige


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[0092] an die Pfarrer und Kapellane, so wie an die Gemeinderäthe aller in den durch die Gegenwart des Prinzpräsidenten zu beglückenden Ortschaften den Befehl, dem Oberhaupte des Staates und respective.dem Retter der Gesellschaft entgegen¬ zukommen. Sie erhielten zugleich den Auftrag, ihren amtlichen wie gesellschaft¬ lichen Einfluß aufzubieten, um möglichst viele Mitglieder ihrer Gemeinden zum Erscheinen auf deu Berührungspunkten der prinzpräsidentlichen Reise zu bewegen, was denn auch wirklich geschah. Das ganze ofstcielle und halbofficiclle Heer mit ihrem verwandten Nachtrabe finden sich ans den Orten der Bestellung pünktlichst ein und macheu pflichtschuldigst deu an den Moniteur telegraphirten Spectakel. Die frommen Pfarrer erscheinen am Arme ihrer treuen Mägde und Haus¬ hälterinnen, um ihr andächtiges Gebet Salvum kao Hapoleonetv, in's Weltliche übersetzt Vive l'^mpereur zum Himmel zu schicken. Den Bauern wird versichert, daß die Commnnalwege, die nöthigen Bauten im Interesse ihrer Gemeinden alle sofort beginnen würden, als der Priuzpräfideut von ihrem Eifer für seiue Person überzeugt ist. Anderen, die einen Sohn, einen Bruder, einen Verwandten oder Freund im Gefängnisse oder im Exile haben, wird in's Ohr geflüstert, daß sie nur Viv<z 1'empöreur zu schreien brauchten, um ihre Angehörigen der Freiheit wiedergegeben zu sehen. Die bei der Polizei schlecht Angemerkten werden er¬ mahnt und zu lebhaften Loyalitätsbeweisen angespornt, weil man sonst für Nichts stehe u. s. w. So findet sich denn eine anständige Anzahl von gezwungenen Bewunderern zusammen, nud das Ganze bietet einen artigen Anblick, mit dem sich selbst die kaiserlichen Ansprüche Louis Napoleon's zufrieden geben können. Anfänglich scheinen die gouvernementalen Forderungen bescheidenerer Natur ge¬ wesen zu sein, denn die meisten Gemeinden trugen auf ihren Festbannern blos die Inschriften: Vive 1s xrvsiäsMl Vivs I^0ni,8 Mpolvoir l — Später steigerten sich die Ansprüche und man schrieb neben den Goldletteru ein mit Kohle und Wasser imprvvisirtes Vivs I'smperLue. So wünschen es die telegraphischen Bedürfnisse des Moniteurs. Daheim wird mittlerweile anch nicht gefeiert, und der Börsen¬ minister Fould ließ seine College» von ehemals zu sich kommen und erklärte ihnen, daß die 3°/g vor der Rückkunft des Präsidenten den Cours von 8 "/„erreicht haben müssen. Nun sollten Sie das lustige Hinauftreiben der armen Actien sehen. Das ist ein wahrer Hexensabbat, dieses Schauspiel an der Börse. Was wird aber dem Kaiserthume zu thun übrig bleiben, wenn schon die Agonie der Republik unsre Capitalien verdoppelt? Das weiß Louis Napoleon allein. Die Presse steht dem Treiben mit geknebeltem Munde zu, und selbst die gouvernemen¬ talen Journale finden sich ans die unbegrenzte und unbestimmte Lobhudelei an- gewiesen. Sie hat eben so wenig Wurzel im Boden der Regierung, wie die Oppositionsorgane. Will man ja in Zukunft dieses nothwendige Uebel der mo¬ dernen Staatskunst ganz entbehren können, und nur der Moniteur verdient einige Aufmerksamkeit. Die Journalisten, von denen bekannt ist, daß sie für auswärtige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/92>, abgerufen am 27.09.2024.