Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.bevorstehenden Wahlen die goldene Kugel erhalten -- es ist zum Verzweifeln! Aber Vom Bundestag kann ich Ihnen nicht erzählen; Sie wissen ja, wie es ging. Vermischtes folgt zuletzt; vorher geht Aesthetik. Aber von Musik und Theater ist -- Bereits die Sonnabcndsitzung der zweiten Kammer vom Grenzboten. IV. -I8W.
bevorstehenden Wahlen die goldene Kugel erhalten — es ist zum Verzweifeln! Aber Vom Bundestag kann ich Ihnen nicht erzählen; Sie wissen ja, wie es ging. Vermischtes folgt zuletzt; vorher geht Aesthetik. Aber von Musik und Theater ist — Bereits die Sonnabcndsitzung der zweiten Kammer vom Grenzboten. IV. -I8W.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0515" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95496"/> <p xml:id="ID_1496" prev="#ID_1495"> bevorstehenden Wahlen die goldene Kugel erhalten — es ist zum Verzweifeln! Aber<lb/> dafür hat man an der Demokratie einen vortrefflichen Mitkämpfer gegen diese Revolutio¬<lb/> närs, die eben darum so ärgerlich sind, weil sie sich in lackirten Stiefeln und Glace¬<lb/> handschuhen gerad so ungenirt bewegen können, als ob sie Schlafrock und Pantoffeln<lb/> anhalten — oder umgekehrt eben so taktvoll. Im „Volksblatt vom Main und Rhein"<lb/> wüthet sich die Demokratie den Schaum vor den Mund, daß ihre pessimistischen Hoff¬<lb/> nungen sich nicht verwirklichen wollen; und anderswo ärgert man sich, jenes edle,<lb/> hilfreiche Volksblatt aus Frankfurt ausgewiesen zu haben. I.es kxlrvmös so touokent.</p><lb/> <p xml:id="ID_1497"> Vom Bundestag kann ich Ihnen nicht erzählen; Sie wissen ja, wie es ging.<lb/> Am 21. Oktober waren die Ferien zu Ende, nachher fehlte der k. k. Präsidialgcsandtc<lb/> und die vom preuß. Gesandten präsidirtcn Versammlungen wollte man jenseits nicht als<lb/> eigentliche Sitzungen gelten lassen. Nachher kam der k. k. Präsidialgesandte und hielt<lb/> eine feierliche Abschiedsscssion. In den folgenden Sitzungen scheint man mir über die<lb/> Zerstreuung der deutschen Flotte beschlossen zu haben. Und ein neuer k. k. Präsidial-<lb/> gesandtcr ist leider noch nicht ernannt. Deutschland hat ja drei Jahre auf Oestreich<lb/> gewartet, kann's also auch serner thun, bis der Wiener Congreß zu dem Punkte<lb/> gediehen ist, daß die Besetzung des Präsidcntenstuhles im deutschen Einheitsorgane con-<lb/> venabel scheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_1498"> Vermischtes folgt zuletzt; vorher geht Aesthetik. Aber von Musik und Theater ist<lb/> nur sehr wenig Musikalisches und Dramatisches zu erwähnen. Unter den Concerten<lb/> ragte das Eliethon'sche hervor, die andern gehen ihren gewohnten Gang. Im Theater<lb/> Novitäten und Gäste, Noth um Tenoristen und Fiasko mit Lustspielen, schließlich ein<lb/> Coulissenscandal — vonn tout. Das Alles hat locales Interesse, in der Ferne keines;<lb/> und selbst die örtliche Theilnahme dafür ist gering. Frankfurts schöne Theatcrtage sind<lb/> vorüber, wie überall, ein Paar Hosbühnen ausgenommen. Beck, der treffliche Baritonist,<lb/> steht im Begriff, das Engagement zu verlasse»; Devrient, der gute Schauspieler, des¬<lb/> gleichen. Wahrscheinlich scheidet zugleich Fräul. Hofer, und das'Talent des Fräul.<lb/> Janauschek wird dann wol auch angenehmere Verhältnisse der hiesigen Vereinsamung<lb/> vorziehen.-- Jm-Gesellschaftsleben herrscht die Vorwcihnachtsstille. Selbst E. Mahner's<lb/> Urgcsundheitsfasclei hat sich todt geredet, und nur ein wenig mehr Glück machen mystisch¬<lb/> physiologisch-anthropologische Vorträge und Consultationen eines Franzosen. Alles ist<lb/> schlaff, ermüdet von Erwartungen im Zollvcrcinszweifel, und dazu hängt eine trübe<lb/> Ncbelatmosphärc über dem Lande, die doch weder zu Regen, noch zu Schnee, weder<lb/> zu Wärme, noch zu Kälte kommen kann. Selbst Napoleon's Kaiscrproclamation erregte<lb/> keine Lebhaftigkeit, nicht einmal auf der Börse. Verlangen Sie noch mehr vom Deut¬<lb/> schen, wie er sein soll?</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> </head> <p xml:id="ID_1499" next="#ID_1500"> — Bereits die Sonnabcndsitzung der zweiten Kammer vom<lb/> 4. December, in der über die Wahlen in Köln und Ratibor verhandelt wurde, war in<lb/> vielen Beziehungen lehrreich. Sie eröffnete einen sichern Blick sowol in die Stärke der<lb/> Parteien, wie in den Geist, der die Majorität dieser Versammlung beherrscht. Im<lb/> ersten Falle entschied eine Mehrheit von -10, im zweiten eine von 3 Stimmen; hier<lb/> wurde der Rechten nur dadurch die Majorität gesichert, daß die zur Abstimmung in<lb/> der zweiten Kammer berechtigten sechs Minister, wie der bei dieser Angelegenheit speciell<lb/> betheiligte Landrath v. Elsner ihre Stimmen mit in die Wagschale warfen. In beiden</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. -I8W.</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0515]
bevorstehenden Wahlen die goldene Kugel erhalten — es ist zum Verzweifeln! Aber
dafür hat man an der Demokratie einen vortrefflichen Mitkämpfer gegen diese Revolutio¬
närs, die eben darum so ärgerlich sind, weil sie sich in lackirten Stiefeln und Glace¬
handschuhen gerad so ungenirt bewegen können, als ob sie Schlafrock und Pantoffeln
anhalten — oder umgekehrt eben so taktvoll. Im „Volksblatt vom Main und Rhein"
wüthet sich die Demokratie den Schaum vor den Mund, daß ihre pessimistischen Hoff¬
nungen sich nicht verwirklichen wollen; und anderswo ärgert man sich, jenes edle,
hilfreiche Volksblatt aus Frankfurt ausgewiesen zu haben. I.es kxlrvmös so touokent.
Vom Bundestag kann ich Ihnen nicht erzählen; Sie wissen ja, wie es ging.
Am 21. Oktober waren die Ferien zu Ende, nachher fehlte der k. k. Präsidialgcsandtc
und die vom preuß. Gesandten präsidirtcn Versammlungen wollte man jenseits nicht als
eigentliche Sitzungen gelten lassen. Nachher kam der k. k. Präsidialgesandte und hielt
eine feierliche Abschiedsscssion. In den folgenden Sitzungen scheint man mir über die
Zerstreuung der deutschen Flotte beschlossen zu haben. Und ein neuer k. k. Präsidial-
gesandtcr ist leider noch nicht ernannt. Deutschland hat ja drei Jahre auf Oestreich
gewartet, kann's also auch serner thun, bis der Wiener Congreß zu dem Punkte
gediehen ist, daß die Besetzung des Präsidcntenstuhles im deutschen Einheitsorgane con-
venabel scheint.
Vermischtes folgt zuletzt; vorher geht Aesthetik. Aber von Musik und Theater ist
nur sehr wenig Musikalisches und Dramatisches zu erwähnen. Unter den Concerten
ragte das Eliethon'sche hervor, die andern gehen ihren gewohnten Gang. Im Theater
Novitäten und Gäste, Noth um Tenoristen und Fiasko mit Lustspielen, schließlich ein
Coulissenscandal — vonn tout. Das Alles hat locales Interesse, in der Ferne keines;
und selbst die örtliche Theilnahme dafür ist gering. Frankfurts schöne Theatcrtage sind
vorüber, wie überall, ein Paar Hosbühnen ausgenommen. Beck, der treffliche Baritonist,
steht im Begriff, das Engagement zu verlasse»; Devrient, der gute Schauspieler, des¬
gleichen. Wahrscheinlich scheidet zugleich Fräul. Hofer, und das'Talent des Fräul.
Janauschek wird dann wol auch angenehmere Verhältnisse der hiesigen Vereinsamung
vorziehen.-- Jm-Gesellschaftsleben herrscht die Vorwcihnachtsstille. Selbst E. Mahner's
Urgcsundheitsfasclei hat sich todt geredet, und nur ein wenig mehr Glück machen mystisch¬
physiologisch-anthropologische Vorträge und Consultationen eines Franzosen. Alles ist
schlaff, ermüdet von Erwartungen im Zollvcrcinszweifel, und dazu hängt eine trübe
Ncbelatmosphärc über dem Lande, die doch weder zu Regen, noch zu Schnee, weder
zu Wärme, noch zu Kälte kommen kann. Selbst Napoleon's Kaiscrproclamation erregte
keine Lebhaftigkeit, nicht einmal auf der Börse. Verlangen Sie noch mehr vom Deut¬
schen, wie er sein soll?
— Bereits die Sonnabcndsitzung der zweiten Kammer vom
4. December, in der über die Wahlen in Köln und Ratibor verhandelt wurde, war in
vielen Beziehungen lehrreich. Sie eröffnete einen sichern Blick sowol in die Stärke der
Parteien, wie in den Geist, der die Majorität dieser Versammlung beherrscht. Im
ersten Falle entschied eine Mehrheit von -10, im zweiten eine von 3 Stimmen; hier
wurde der Rechten nur dadurch die Majorität gesichert, daß die zur Abstimmung in
der zweiten Kammer berechtigten sechs Minister, wie der bei dieser Angelegenheit speciell
betheiligte Landrath v. Elsner ihre Stimmen mit in die Wagschale warfen. In beiden
Grenzboten. IV. -I8W.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |