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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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uns Mangel an Raum in Kürze zusammenzufassen. Er war mit seinem wieder
auf 22,000 Mann gebrachten Corps in der Neujahrsnacht 181i der Erste über
den Rhein, stieß aber, anfangs mit der Blokade der Moselfestnngen beschäftigt,
erst nach der Schlacht von Brienne zu der Hauptarmee. Es genüge zu sagen,
daß Beide dem Ruhm, den sie im Feldzug von 1813 erworben, reichlich
Genüge thaten, und von der alten Kampsesfreudigkeit nichts verloren hatten.
Ergänzen wir jetzt durch einige nicht gerade vom Schlachtfeld genommene Züge
das angefangene Bild.

Daß die deutschen Truppen nach dem vieljährigen Leiden ihres Vaterlandes
jetzt bei dem Einrücken in Frankreich den Franzosen Gleiches mit Gleichem zu ver¬
gelten wünschten, war nur natürlich. Die Kosaken gaben ihnen ein verführerisches
Beispiel und hausten wie Räuberbanden; Uork sah um so unerbittlicher auf die
strengste Mannszucht. Er selbst gab das Beispiel der Großmuth. Er bezahlte
Alles baar. In Pont ", Moussou nahm er sein Quartier auf dem Schlosse eines
Generals, der sich früher einmal im königlichen Schlosse in Berlin einquartiert
und sich dort mit großem Uebermuth benommen hatte. Als er abreiste und die
Rechnung für die zwanzig Couverts seiner Tafel forderte, erklärte der Haushof¬
meister, sein Herr werde es sich zur Ehre rechnen, den General Uork bewirthet
zu haben. Darauf erwiederte Uork: er wisse recht gut, daß er die Macht und
das Recht habe, zur Strafe für die Anmaßungen des Generals in Berlin sein
Schloß dem Erdboden gleich zu machen; aber er wolle der Welt den Unterschied
zwischen einem preußischen und einem französischen General zeigen; er befehle
die Rechnung. Sie wurde gebracht und doppelt bezahlt. Als später durch die
unaufhörlichen Gewaltmärsche, das wiederholte Durchziehen bereits ansgesaugter
Gegenden, die Feindseligkeit der zum Aufstand aufgerufenen oder durch die
Noth zur Verzweiflung gebrachten Einwohner die Verpflegung immer schlechter
wurde, und den Truppen Kleidung und Lebensmittel zu fehlen anfingen, wurde
es freilich immer schwerer sie vom Plündern abzuhalten. Dort fuhr auch hier
mit seiner gewohnten Derbheit dazwischen. Einmal ließ er seine sämmtlichen
Brigadiers und Regimentscommandeure in seinem Hauptquartiere Oulchy le
ClMeau zusammenkommen. "Als wir, versammelt waren," erzählt Graf Henkel
in seinen Denkwürdigkeiten, "trat der commandirende General unter uns, und
begann: Meine Herren, ich habe geglaubt, die Ehre zu haben, ein preußisches
Armeecorps zu> commandiren, ich commandire aber eine Räuberbande; meine
Herren, ich will nicht den großen Abällino spielen, und ich werde jeden vor ein
Kriegsgericht ziehen, der nicht mit aller Strenge wieder Ordnung in die Truppen
bringt." In diesem Augenblicke ritten zwei Marketenderinnen, die eine in einem
kanariengelben seidnen, die andere in einem hellblauen seidnen Kleide, beide mit
Hüten mit großen Federn geschmückt, im Galopp vorbei. Der General, sie er¬
blickend, rief in größter Entrüstung: Da sehen Sie, meine Herren, schaffen Sie mir


uns Mangel an Raum in Kürze zusammenzufassen. Er war mit seinem wieder
auf 22,000 Mann gebrachten Corps in der Neujahrsnacht 181i der Erste über
den Rhein, stieß aber, anfangs mit der Blokade der Moselfestnngen beschäftigt,
erst nach der Schlacht von Brienne zu der Hauptarmee. Es genüge zu sagen,
daß Beide dem Ruhm, den sie im Feldzug von 1813 erworben, reichlich
Genüge thaten, und von der alten Kampsesfreudigkeit nichts verloren hatten.
Ergänzen wir jetzt durch einige nicht gerade vom Schlachtfeld genommene Züge
das angefangene Bild.

Daß die deutschen Truppen nach dem vieljährigen Leiden ihres Vaterlandes
jetzt bei dem Einrücken in Frankreich den Franzosen Gleiches mit Gleichem zu ver¬
gelten wünschten, war nur natürlich. Die Kosaken gaben ihnen ein verführerisches
Beispiel und hausten wie Räuberbanden; Uork sah um so unerbittlicher auf die
strengste Mannszucht. Er selbst gab das Beispiel der Großmuth. Er bezahlte
Alles baar. In Pont «, Moussou nahm er sein Quartier auf dem Schlosse eines
Generals, der sich früher einmal im königlichen Schlosse in Berlin einquartiert
und sich dort mit großem Uebermuth benommen hatte. Als er abreiste und die
Rechnung für die zwanzig Couverts seiner Tafel forderte, erklärte der Haushof¬
meister, sein Herr werde es sich zur Ehre rechnen, den General Uork bewirthet
zu haben. Darauf erwiederte Uork: er wisse recht gut, daß er die Macht und
das Recht habe, zur Strafe für die Anmaßungen des Generals in Berlin sein
Schloß dem Erdboden gleich zu machen; aber er wolle der Welt den Unterschied
zwischen einem preußischen und einem französischen General zeigen; er befehle
die Rechnung. Sie wurde gebracht und doppelt bezahlt. Als später durch die
unaufhörlichen Gewaltmärsche, das wiederholte Durchziehen bereits ansgesaugter
Gegenden, die Feindseligkeit der zum Aufstand aufgerufenen oder durch die
Noth zur Verzweiflung gebrachten Einwohner die Verpflegung immer schlechter
wurde, und den Truppen Kleidung und Lebensmittel zu fehlen anfingen, wurde
es freilich immer schwerer sie vom Plündern abzuhalten. Dort fuhr auch hier
mit seiner gewohnten Derbheit dazwischen. Einmal ließ er seine sämmtlichen
Brigadiers und Regimentscommandeure in seinem Hauptquartiere Oulchy le
ClMeau zusammenkommen. „Als wir, versammelt waren," erzählt Graf Henkel
in seinen Denkwürdigkeiten, „trat der commandirende General unter uns, und
begann: Meine Herren, ich habe geglaubt, die Ehre zu haben, ein preußisches
Armeecorps zu> commandiren, ich commandire aber eine Räuberbande; meine
Herren, ich will nicht den großen Abällino spielen, und ich werde jeden vor ein
Kriegsgericht ziehen, der nicht mit aller Strenge wieder Ordnung in die Truppen
bringt." In diesem Augenblicke ritten zwei Marketenderinnen, die eine in einem
kanariengelben seidnen, die andere in einem hellblauen seidnen Kleide, beide mit
Hüten mit großen Federn geschmückt, im Galopp vorbei. Der General, sie er¬
blickend, rief in größter Entrüstung: Da sehen Sie, meine Herren, schaffen Sie mir


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[0464] uns Mangel an Raum in Kürze zusammenzufassen. Er war mit seinem wieder auf 22,000 Mann gebrachten Corps in der Neujahrsnacht 181i der Erste über den Rhein, stieß aber, anfangs mit der Blokade der Moselfestnngen beschäftigt, erst nach der Schlacht von Brienne zu der Hauptarmee. Es genüge zu sagen, daß Beide dem Ruhm, den sie im Feldzug von 1813 erworben, reichlich Genüge thaten, und von der alten Kampsesfreudigkeit nichts verloren hatten. Ergänzen wir jetzt durch einige nicht gerade vom Schlachtfeld genommene Züge das angefangene Bild. Daß die deutschen Truppen nach dem vieljährigen Leiden ihres Vaterlandes jetzt bei dem Einrücken in Frankreich den Franzosen Gleiches mit Gleichem zu ver¬ gelten wünschten, war nur natürlich. Die Kosaken gaben ihnen ein verführerisches Beispiel und hausten wie Räuberbanden; Uork sah um so unerbittlicher auf die strengste Mannszucht. Er selbst gab das Beispiel der Großmuth. Er bezahlte Alles baar. In Pont «, Moussou nahm er sein Quartier auf dem Schlosse eines Generals, der sich früher einmal im königlichen Schlosse in Berlin einquartiert und sich dort mit großem Uebermuth benommen hatte. Als er abreiste und die Rechnung für die zwanzig Couverts seiner Tafel forderte, erklärte der Haushof¬ meister, sein Herr werde es sich zur Ehre rechnen, den General Uork bewirthet zu haben. Darauf erwiederte Uork: er wisse recht gut, daß er die Macht und das Recht habe, zur Strafe für die Anmaßungen des Generals in Berlin sein Schloß dem Erdboden gleich zu machen; aber er wolle der Welt den Unterschied zwischen einem preußischen und einem französischen General zeigen; er befehle die Rechnung. Sie wurde gebracht und doppelt bezahlt. Als später durch die unaufhörlichen Gewaltmärsche, das wiederholte Durchziehen bereits ansgesaugter Gegenden, die Feindseligkeit der zum Aufstand aufgerufenen oder durch die Noth zur Verzweiflung gebrachten Einwohner die Verpflegung immer schlechter wurde, und den Truppen Kleidung und Lebensmittel zu fehlen anfingen, wurde es freilich immer schwerer sie vom Plündern abzuhalten. Dort fuhr auch hier mit seiner gewohnten Derbheit dazwischen. Einmal ließ er seine sämmtlichen Brigadiers und Regimentscommandeure in seinem Hauptquartiere Oulchy le ClMeau zusammenkommen. „Als wir, versammelt waren," erzählt Graf Henkel in seinen Denkwürdigkeiten, „trat der commandirende General unter uns, und begann: Meine Herren, ich habe geglaubt, die Ehre zu haben, ein preußisches Armeecorps zu> commandiren, ich commandire aber eine Räuberbande; meine Herren, ich will nicht den großen Abällino spielen, und ich werde jeden vor ein Kriegsgericht ziehen, der nicht mit aller Strenge wieder Ordnung in die Truppen bringt." In diesem Augenblicke ritten zwei Marketenderinnen, die eine in einem kanariengelben seidnen, die andere in einem hellblauen seidnen Kleide, beide mit Hüten mit großen Federn geschmückt, im Galopp vorbei. Der General, sie er¬ blickend, rief in größter Entrüstung: Da sehen Sie, meine Herren, schaffen Sie mir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/464>, abgerufen am 27.09.2024.