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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Horn ritt; das Thier stürzte todt unter ihm zusammen. Der General liegt unter
dem Pferde, da schreit sein Adjutant, der Graf Canitz: Herr Jesus! da liegt
der General! -- Herr von Horn schreit ihm entgegen: Da is was zu Herr
Jesussen, mir fehlt nichts; schafft mir die Steigbügel von den Beinen! -- Die
Musketiere, die ihm zunächst marschiren, reißen dem General die Steigbügel von
den Füßen; er springt aus, ergreift das Gewehr eines todtgeschossenen Soldaten,
und schreit: Ein Hundsfott, der schießt! -- So springt der gewaltige Mann
voran, das ganze Bataillon folgt ihm im raschen Lauf mit gefälltem Bayonnet.
Die feindliche Batterie speit einen Kartätschenhagel gegen das Bataillon und
schmettert ganze Rotten nieder. Nenn Officiere wurden verwundet; General Horn
bleibt unversehrt und ist persönlich der Erste in Wartenbnrg, schlägt eigenhändig
die Kanoniere in der feindlichen Batterie mit dem Kolben todt, und seine Muske¬
tiere vom Leibregiment stechen mit dem Bayonnet Alles nieder, was sich noch zur
Wehr setzt. -- So ist Wartenburg gestürmt; die ganze Brigade dringt nach und
wirft den Feind mit allen seinen Schanzen. Als am Abend beim Einrücken in's
Lager das zweite Bataillon des Leibregiments vor Uork vorbeimarschirte, nahm
er die Mütze ab, bis der letzte Mann an ihm vorüber war." In diesem Ge¬
fecht, das die Preußen ganz allein bestanden, verlor Bertrand /Is00 Mann und
mußte nach Wittenberg zurück. Die Russen strömten über vom Lobe des Generals
Uork. Langeron nannte ihn einmal über das andere "mon illustre eamar^ne",
worauf Uork stets sehr förmlich mit "Ew. Excellenz" antwortete. Im Vertrauen
zu seiner preußischen Umgebung sagte er aber: "Mag der Henker diese russischen
Kameraden holen!"

Die Operationen, die der Schlacht in Leipzig vorhergingen, übergehen wir
natürlich. Die schlesische Armee rückte von Halle gegen die Nordseite Leipzigs.
Man vermuthete den Feind auf dem Plateau von Breitenfeld' zu finden, denn er
hatte Nadefeld und Lindenthal stark besetzt. Die Russen wurden über ersteres
Dorf gegen Wiederitsch und Breitenfeld dirigirt, Ayrt gegen Lindenthal und
Möckern. Wider Erwarten wurde auf dem linken Flügel der Kampf am heftig¬
sten, da sich hier die Hauptmacht des Feindes concentrirte, aber die Russen waren
schon zu weit rechts ab, um noch wirksam eingreifen zu können. So kam
es denn, daß, während Langeron sich mit seinen 13000 Mann von Dom-
browsky's 2000 Polen in Wiederitsch den halben Tag über amusiren ließ,
und die russische Hauptreserve für sich allein in Anspruch nahm, I)ort
die Hauptlast des Kampfes um das mit Uebermacht und großer Hartnäckigkeit
vertheidigte Möckern zu tragen hatte. Nachdem Hiller, obgleich er drei Mal
das Dorf erstürmte, doch Immer wieder weichen mußte, rückte ihm Prinz Karl
von Mecklenburg nach, aber der Feind sährt gegen den neuen Angriff eine Bat¬
terie von mehr als 40 Kanonen ans, und überschüttet die Anrückenden mit einem
Kugelhagel. Aork hielt mitten in demselben. . Eine Kugel schlug zwischen ihm


Horn ritt; das Thier stürzte todt unter ihm zusammen. Der General liegt unter
dem Pferde, da schreit sein Adjutant, der Graf Canitz: Herr Jesus! da liegt
der General! — Herr von Horn schreit ihm entgegen: Da is was zu Herr
Jesussen, mir fehlt nichts; schafft mir die Steigbügel von den Beinen! — Die
Musketiere, die ihm zunächst marschiren, reißen dem General die Steigbügel von
den Füßen; er springt aus, ergreift das Gewehr eines todtgeschossenen Soldaten,
und schreit: Ein Hundsfott, der schießt! — So springt der gewaltige Mann
voran, das ganze Bataillon folgt ihm im raschen Lauf mit gefälltem Bayonnet.
Die feindliche Batterie speit einen Kartätschenhagel gegen das Bataillon und
schmettert ganze Rotten nieder. Nenn Officiere wurden verwundet; General Horn
bleibt unversehrt und ist persönlich der Erste in Wartenbnrg, schlägt eigenhändig
die Kanoniere in der feindlichen Batterie mit dem Kolben todt, und seine Muske¬
tiere vom Leibregiment stechen mit dem Bayonnet Alles nieder, was sich noch zur
Wehr setzt. — So ist Wartenburg gestürmt; die ganze Brigade dringt nach und
wirft den Feind mit allen seinen Schanzen. Als am Abend beim Einrücken in's
Lager das zweite Bataillon des Leibregiments vor Uork vorbeimarschirte, nahm
er die Mütze ab, bis der letzte Mann an ihm vorüber war." In diesem Ge¬
fecht, das die Preußen ganz allein bestanden, verlor Bertrand /Is00 Mann und
mußte nach Wittenberg zurück. Die Russen strömten über vom Lobe des Generals
Uork. Langeron nannte ihn einmal über das andere „mon illustre eamar^ne",
worauf Uork stets sehr förmlich mit „Ew. Excellenz" antwortete. Im Vertrauen
zu seiner preußischen Umgebung sagte er aber: „Mag der Henker diese russischen
Kameraden holen!"

Die Operationen, die der Schlacht in Leipzig vorhergingen, übergehen wir
natürlich. Die schlesische Armee rückte von Halle gegen die Nordseite Leipzigs.
Man vermuthete den Feind auf dem Plateau von Breitenfeld' zu finden, denn er
hatte Nadefeld und Lindenthal stark besetzt. Die Russen wurden über ersteres
Dorf gegen Wiederitsch und Breitenfeld dirigirt, Ayrt gegen Lindenthal und
Möckern. Wider Erwarten wurde auf dem linken Flügel der Kampf am heftig¬
sten, da sich hier die Hauptmacht des Feindes concentrirte, aber die Russen waren
schon zu weit rechts ab, um noch wirksam eingreifen zu können. So kam
es denn, daß, während Langeron sich mit seinen 13000 Mann von Dom-
browsky's 2000 Polen in Wiederitsch den halben Tag über amusiren ließ,
und die russische Hauptreserve für sich allein in Anspruch nahm, I)ort
die Hauptlast des Kampfes um das mit Uebermacht und großer Hartnäckigkeit
vertheidigte Möckern zu tragen hatte. Nachdem Hiller, obgleich er drei Mal
das Dorf erstürmte, doch Immer wieder weichen mußte, rückte ihm Prinz Karl
von Mecklenburg nach, aber der Feind sährt gegen den neuen Angriff eine Bat¬
terie von mehr als 40 Kanonen ans, und überschüttet die Anrückenden mit einem
Kugelhagel. Aork hielt mitten in demselben. . Eine Kugel schlug zwischen ihm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/462>, abgerufen am 27.09.2024.