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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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geschah, war gar nicht nach seinem Sinn. Die geheimen Jnstructionen Blücher'S
und den in Reichenbach entworfenen Plan, dem aus Schlesien zurückweichenden
Feinde stets, ans den Fersen zu bleiben, aber jeder entscheidenden Schlacht gegen
eine Uebermacht auszuweichen, kannte er nicht, und die dadurch veranlaßten bestän¬
digen Märsche und Contremärsche, die im schlechtesten Wetter von mangelhaft
bekleideten Truppen ausgeführt, diese mehr decimirten als blutigen Gefechte, erschie¬
nen ihm als eine zwecklose Vergeudung von Menschen, und er äußerte sich darüber
auf das Bielersee. Napoleon urtheilte freilich darüber ganz anders. Als die schle-
sische Armee in den ersten Tagen des September, wie er sie selbst drängte, von
-Görlitz zurückwich, sagte er anerkennend: Les ammaux ont apprit qMtcius vkoss.
Man kann nicht sagen, daß die Getadelten den Tadler A)ort mit gleicher Münze
gezahlt hätten. Blücher nannte ihn seinen "Schwerenöther, der wohl brummt,
aber auch beißt;" "er sei schwer in's Feuer zu bringen, aber habe ich ihn einmal
drin," setzte er hinzu, "so ist keiner besser als er." Ein anderes Mal sagte er:
"Der Z)ort ist verdrießlich, aber er läßt es sich auch sauer werden;^hätte ich noch
so einen, so könnte man. einen Bären damit fangen." Gneisenau erkannte seine
hohe militärische Tüchtigkeit bereitwillig an; im Uebrigen ließ man Z)ort ziem¬
lichen Spielraum in seinen Anordnungen, und dieser Freiheit verdankt er einige
seiner schönsten Siege. Auch diese Schatten gehören zur Vollständigkeit des Bildes
des tapfern Kriegers.

Der Sieg an der Katzbach glich Manches aus, namentlich ordneten sich die
Nüssen seit jenem Tage bereitwilliger unter. Dort bat den Hauptantheil an dem
Gewinn der Schlacht. Die schlesische Armee rückte am 26. August zum Augriff
auf den bei Liegnitz vermutheten Feind vor. Aber anstatt anzugreifen, wurde man
selbst angegriffen. Die Avantgarde war schon jenseits der Katzbach und der
wüthenden Neisse, als der Feind, so viel sich bei dem regeudnnklem Wetter erken¬
nen ließ, mit 40,000 Mann herandrängte und den Zurückweichenden auf das Pla¬
teau folgte. Aork nahm sogleich die bereits ertheilte Specialdisposition zurück,
ritt vor, und gab Angesichts des Feindes seine neuen Befehle. Wir gehen hier
nicht in das Detail der Schlacht ein, sondern heben nur ein Paar charakteristische
Züge heraus. Der linke Flügel, von U^^k selbst geführt, kam, am Thalrand
vorrückend, zuerst an den Feind: es waren drei Bataillonscarrs s von vier Ge¬
schützen gedeckt, deren Kartätschenfeuer jedoch die Anstürmenden nicht aufhalten
kann. "Im Flintenfeuer angekommen," schreibt ein Mitkämpfender bei Droysen,
"verdoppelten wir unsre Schritte, fällten das Gewehr und griffen das mittelste
Carre von französischen Grenadieren mit gefälltem Bayonnet unter fürchterlichem
Hnrrahgeschrei an. Das Carre stand wie eingemauert. Wir näherten uns bis
auf zwei Schritt. Einen Augenblick standen unsre Leute so den Franzosen gegen¬
über, von beiden Seiten sah man einander an. Dann riefen wir Officiere:
"Drauf! drauf!" und nun nahm der Soldat das Gewehr verkehrt und schlug


geschah, war gar nicht nach seinem Sinn. Die geheimen Jnstructionen Blücher'S
und den in Reichenbach entworfenen Plan, dem aus Schlesien zurückweichenden
Feinde stets, ans den Fersen zu bleiben, aber jeder entscheidenden Schlacht gegen
eine Uebermacht auszuweichen, kannte er nicht, und die dadurch veranlaßten bestän¬
digen Märsche und Contremärsche, die im schlechtesten Wetter von mangelhaft
bekleideten Truppen ausgeführt, diese mehr decimirten als blutigen Gefechte, erschie¬
nen ihm als eine zwecklose Vergeudung von Menschen, und er äußerte sich darüber
auf das Bielersee. Napoleon urtheilte freilich darüber ganz anders. Als die schle-
sische Armee in den ersten Tagen des September, wie er sie selbst drängte, von
-Görlitz zurückwich, sagte er anerkennend: Les ammaux ont apprit qMtcius vkoss.
Man kann nicht sagen, daß die Getadelten den Tadler A)ort mit gleicher Münze
gezahlt hätten. Blücher nannte ihn seinen „Schwerenöther, der wohl brummt,
aber auch beißt;" „er sei schwer in's Feuer zu bringen, aber habe ich ihn einmal
drin," setzte er hinzu, „so ist keiner besser als er." Ein anderes Mal sagte er:
„Der Z)ort ist verdrießlich, aber er läßt es sich auch sauer werden;^hätte ich noch
so einen, so könnte man. einen Bären damit fangen." Gneisenau erkannte seine
hohe militärische Tüchtigkeit bereitwillig an; im Uebrigen ließ man Z)ort ziem¬
lichen Spielraum in seinen Anordnungen, und dieser Freiheit verdankt er einige
seiner schönsten Siege. Auch diese Schatten gehören zur Vollständigkeit des Bildes
des tapfern Kriegers.

Der Sieg an der Katzbach glich Manches aus, namentlich ordneten sich die
Nüssen seit jenem Tage bereitwilliger unter. Dort bat den Hauptantheil an dem
Gewinn der Schlacht. Die schlesische Armee rückte am 26. August zum Augriff
auf den bei Liegnitz vermutheten Feind vor. Aber anstatt anzugreifen, wurde man
selbst angegriffen. Die Avantgarde war schon jenseits der Katzbach und der
wüthenden Neisse, als der Feind, so viel sich bei dem regeudnnklem Wetter erken¬
nen ließ, mit 40,000 Mann herandrängte und den Zurückweichenden auf das Pla¬
teau folgte. Aork nahm sogleich die bereits ertheilte Specialdisposition zurück,
ritt vor, und gab Angesichts des Feindes seine neuen Befehle. Wir gehen hier
nicht in das Detail der Schlacht ein, sondern heben nur ein Paar charakteristische
Züge heraus. Der linke Flügel, von U^^k selbst geführt, kam, am Thalrand
vorrückend, zuerst an den Feind: es waren drei Bataillonscarrs s von vier Ge¬
schützen gedeckt, deren Kartätschenfeuer jedoch die Anstürmenden nicht aufhalten
kann. „Im Flintenfeuer angekommen," schreibt ein Mitkämpfender bei Droysen,
„verdoppelten wir unsre Schritte, fällten das Gewehr und griffen das mittelste
Carre von französischen Grenadieren mit gefälltem Bayonnet unter fürchterlichem
Hnrrahgeschrei an. Das Carre stand wie eingemauert. Wir näherten uns bis
auf zwei Schritt. Einen Augenblick standen unsre Leute so den Franzosen gegen¬
über, von beiden Seiten sah man einander an. Dann riefen wir Officiere:
„Drauf! drauf!" und nun nahm der Soldat das Gewehr verkehrt und schlug


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/460>, abgerufen am 27.09.2024.