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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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mußte. Er soll damals zu spät gekommen sein und dadurch die Schuld tragen,, daß
Blücher diese die Schlacht entscheidende Bewegung zu machen genöthigt war. Es
kam darüber zu sehr unangenehmen Erörterungen zwischen ihm und Gneisenau,
welches die ohnedies zwischen den Beiden bestehende Spannung noch vermehrte.
Die Russen, deren linker Flügel im Vorrücken war, erlaubten sich spitzige Be¬
merkungen über diesen Abzug, namentlich Aermoloff, als Horn vor ihm vorbeizog.
Darauf erbot sich dieser, mit dem Russen gemeinschaftlich wieder vorzurücken, "sie
wollten das Ding schon wieder nehmen," und in der That setzte sich seine Brigade
bereits wieder in Bewegung, als Uork's gemessener Befehl diesem "Krieg aus
eigene Faust" ein Ende machte. "Kehrt" aber wollte Horn doch nicht comman-
diren; um den französischen Kugeln seine Verachtung zu beweisen, ließ er in aller
Ruhe einige Schwenkungen wie auf dem Paradeplatz machen, und schloß mit "in
Sectionen rechts abmarschirt!" Der vor der gänzlichen Entscheidung abge¬
brochenen Schlacht von Bautzen folgt der Rückzug der Verbündeten bis
Schweidnitz und der Waffenstillstand von Poischwitz. Die Resultate des russischen
Bündnisses waren in diesem Feldzuge wenig erfreulich gewesen. Von den Russen
schien nur der Kaiser mit Eifer für den Krieg zu sein; alle seine Generäle be¬
trieben ihn mit großer Lauheit, seitdem sie in Deutschland waren; die Oberleitung
war schlaff und verworren, und kleinliche Eifersüchteleien zwischen den einzelnen
Generälen verschlimmerten diesen Uebelstand noch. Die Preußen unterzogen sich
aus naheliegenden. Gründen stets der schwersten Arbeit, und die Russen maßten
sich den Ruhm des Gesammtresultats an. Jetzt war gar zu befürchten, daß letztere
sich nach Polen zurückziehen und die Preußen in einem Winkel von Schlesien
eingeklemmt zurücklassen würden. Zum Glück bestätigte sich nicht diese letzte Be-
sorgniß. Alexander behauptete seinen Willen, den Krieg fortzusetzen, Preußen
konnte die Waffenruhe benutzen, um seiue Armee erheblich zu verstärke", Oestreich
trat dem Bündniß bei.

Der Beitritt der letztern Macht machte Preußen wenigstens unabhängiger
von Nußland, dessen Politik.sich immer selbstsüchtiger zu entwickeln begann.
Preußen hätte allerdings auch ohnedies freier Handel" und kräftiger austreten
können, aber dem König und seiner diplomatischen Umgebung flößte das beste
Element des Staates, die begeisterte, gesunde Volkskraft, mehr Besorgniß und
Angst, als Zuversicht ein. Droysen sagt i" dieser Hinsicht trefflich: "Weder der
König, noch die Staatsmänner, denen er sein Vertrauen zu schenken gewohut
war, faßten deu Beruf dieses Staates so hoch und mit den: Selbstgefühl, wie es
die mächtig emporschwellende Kraft der Nation gestattete, die Größe der Situation
forderte, das staunende deutsche Volk erwartete. 'Die diplomatische Staatslenkuug
war auf dem Wege, sich mit dem genügen zu lassen, was die Eifersucht, das
Mißtrauen und das eigene Interesse der übrigen Mächte Preußen wollte werden
und sein lassen. Sie schien weder den Stolz, noch die Fähigkeit zu haben, statt


mußte. Er soll damals zu spät gekommen sein und dadurch die Schuld tragen,, daß
Blücher diese die Schlacht entscheidende Bewegung zu machen genöthigt war. Es
kam darüber zu sehr unangenehmen Erörterungen zwischen ihm und Gneisenau,
welches die ohnedies zwischen den Beiden bestehende Spannung noch vermehrte.
Die Russen, deren linker Flügel im Vorrücken war, erlaubten sich spitzige Be¬
merkungen über diesen Abzug, namentlich Aermoloff, als Horn vor ihm vorbeizog.
Darauf erbot sich dieser, mit dem Russen gemeinschaftlich wieder vorzurücken, „sie
wollten das Ding schon wieder nehmen," und in der That setzte sich seine Brigade
bereits wieder in Bewegung, als Uork's gemessener Befehl diesem „Krieg aus
eigene Faust" ein Ende machte. „Kehrt" aber wollte Horn doch nicht comman-
diren; um den französischen Kugeln seine Verachtung zu beweisen, ließ er in aller
Ruhe einige Schwenkungen wie auf dem Paradeplatz machen, und schloß mit „in
Sectionen rechts abmarschirt!" Der vor der gänzlichen Entscheidung abge¬
brochenen Schlacht von Bautzen folgt der Rückzug der Verbündeten bis
Schweidnitz und der Waffenstillstand von Poischwitz. Die Resultate des russischen
Bündnisses waren in diesem Feldzuge wenig erfreulich gewesen. Von den Russen
schien nur der Kaiser mit Eifer für den Krieg zu sein; alle seine Generäle be¬
trieben ihn mit großer Lauheit, seitdem sie in Deutschland waren; die Oberleitung
war schlaff und verworren, und kleinliche Eifersüchteleien zwischen den einzelnen
Generälen verschlimmerten diesen Uebelstand noch. Die Preußen unterzogen sich
aus naheliegenden. Gründen stets der schwersten Arbeit, und die Russen maßten
sich den Ruhm des Gesammtresultats an. Jetzt war gar zu befürchten, daß letztere
sich nach Polen zurückziehen und die Preußen in einem Winkel von Schlesien
eingeklemmt zurücklassen würden. Zum Glück bestätigte sich nicht diese letzte Be-
sorgniß. Alexander behauptete seinen Willen, den Krieg fortzusetzen, Preußen
konnte die Waffenruhe benutzen, um seiue Armee erheblich zu verstärke», Oestreich
trat dem Bündniß bei.

Der Beitritt der letztern Macht machte Preußen wenigstens unabhängiger
von Nußland, dessen Politik.sich immer selbstsüchtiger zu entwickeln begann.
Preußen hätte allerdings auch ohnedies freier Handel» und kräftiger austreten
können, aber dem König und seiner diplomatischen Umgebung flößte das beste
Element des Staates, die begeisterte, gesunde Volkskraft, mehr Besorgniß und
Angst, als Zuversicht ein. Droysen sagt i» dieser Hinsicht trefflich: „Weder der
König, noch die Staatsmänner, denen er sein Vertrauen zu schenken gewohut
war, faßten deu Beruf dieses Staates so hoch und mit den: Selbstgefühl, wie es
die mächtig emporschwellende Kraft der Nation gestattete, die Größe der Situation
forderte, das staunende deutsche Volk erwartete. 'Die diplomatische Staatslenkuug
war auf dem Wege, sich mit dem genügen zu lassen, was die Eifersucht, das
Mißtrauen und das eigene Interesse der übrigen Mächte Preußen wollte werden
und sein lassen. Sie schien weder den Stolz, noch die Fähigkeit zu haben, statt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/458>, abgerufen am 27.09.2024.