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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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des Kaisers, und es war daher kein Wunder, daß sich die Kräfte in einem nutz¬
losen, auf kein gemeinsames Ziel gerichteten Kampfe zersplitterten und aufrieben.
Nach Blücher's Verwundung übernahm Uork den Oberbefehl der preußischen Trup¬
pen. Es war damals gerade eine Krisis eingetreten. Großgörschen, Rana und
Kaja waren von den Preußen mit großem Verlust genommen, und waren frische
Truppen bei der Hand, so konnte sich die Schlacht zu Gunsten der Verbündeten
entscheiden. Aber durch eine Eigenmächtigkeit des Fürsten Wolchonsky war die
russische Reserveinfauterie noch weit zurück. Dagegen kam jetzt auf französischer
Seite das Corps des Vicekönigs von Italien von Leipzig heran und bedrohte über
Eisdorf mit großer Uebermacht Nork's rechte Flanke. Eine Batterie von 60 Ge¬
schützen, bei Starsiedel auffahrend, unterstützte ihr Vorrücken, und von Eisdorf
herüber schmetterte ein fürchterliches Geschützfeuer die Preußen zusammen. Uork
pflegte im Toben der Schlacht völlig ruhig auf einem höhern Punkte zu halten;
nur an dem gespannten, leuchtenden Auge mochte man sehen, daß er kein Zu¬
schauer sei. Als jene furchtbare Batterie das Schlachtfeld mit einem Hagel von
Granaten und Rollkugeln zu überschütten anfing, ließ er sein Pferd die Achte
gehen. Die Ankunft der russischen Reserve stellte endlich die Kräfte wieder einiger¬
maßen in das Gleichgewicht, aber das Einbrechen der Dunkelheit machte ein
abermaliges Vorrücken unthunlich. Auch den anfänglichen Plan, die Schlacht am
andern Tage fortzusetzen, mußte man aufgeben, als sich herausstellte, daß die
russischen Muuitionscolonnen zu weit zurückgeblieben waren, um eine Ergänzung
während der Schlacht zu gestatten.

Der Rückzug ging über Dresden nach Bautzen, wo die Verbündeten eine
an sich starke Stellung einnahmen/ die aber für ihre Kräfte viel zu ausgedehnt
war. Ein Vorspiel zur Schlacht war das Gefecht bei Königswartha, wo Barclay
dem General Lauriston eine Schlappe beibrachte. Aork hielt unterdeß bei Weißig
mit seinem sehr zusammengeschmolzenen Corps -- es war von 10,000 Mann
auf 5700 gesunken -- den Marschall Ney ab, jenem zu Hilfe zu kommen. Der
Kampf gegen die Uebermacht, denn die Franzosen brachten nach und nach 13,000
Mann in's Gefecht, drehte sich den ganzen Tag mit äußerster Hartnäckigkeit um
den Eichberg und den sich von demselben herunterziehenden Wald. Man begann
schon bei einbrechender Dunkelheit den Rückzug, als man sich gegen den nach¬
drängenden Feind nochmals am Waldsaum setzte. Eine Colonne deböuchirte aus
dem Walde; sie schien den russischen Geschwindmarsch zu schlagen, und erst, als
sie ganz nahe kam, erkannte man sie als Franzosen; mit großer Kaltblütigkeit
begann der die preußische Batterie commandirende, noch sehr junge Lieutenant
Lange sein Feuer, jedes Geschütz selbst commandirend; seine Kartätschen rissen
große Lücken in die Reihen der Anrückenden, und mit Gewalt" mußten die feind¬
lichen Officiere Leute aus den Hinteren Gliedern zum Ausfüllen hervorziehen, wie
man recht gut sehen konnte. Dennoch avancirte die Colonne. Uork hielt mit


des Kaisers, und es war daher kein Wunder, daß sich die Kräfte in einem nutz¬
losen, auf kein gemeinsames Ziel gerichteten Kampfe zersplitterten und aufrieben.
Nach Blücher's Verwundung übernahm Uork den Oberbefehl der preußischen Trup¬
pen. Es war damals gerade eine Krisis eingetreten. Großgörschen, Rana und
Kaja waren von den Preußen mit großem Verlust genommen, und waren frische
Truppen bei der Hand, so konnte sich die Schlacht zu Gunsten der Verbündeten
entscheiden. Aber durch eine Eigenmächtigkeit des Fürsten Wolchonsky war die
russische Reserveinfauterie noch weit zurück. Dagegen kam jetzt auf französischer
Seite das Corps des Vicekönigs von Italien von Leipzig heran und bedrohte über
Eisdorf mit großer Uebermacht Nork's rechte Flanke. Eine Batterie von 60 Ge¬
schützen, bei Starsiedel auffahrend, unterstützte ihr Vorrücken, und von Eisdorf
herüber schmetterte ein fürchterliches Geschützfeuer die Preußen zusammen. Uork
pflegte im Toben der Schlacht völlig ruhig auf einem höhern Punkte zu halten;
nur an dem gespannten, leuchtenden Auge mochte man sehen, daß er kein Zu¬
schauer sei. Als jene furchtbare Batterie das Schlachtfeld mit einem Hagel von
Granaten und Rollkugeln zu überschütten anfing, ließ er sein Pferd die Achte
gehen. Die Ankunft der russischen Reserve stellte endlich die Kräfte wieder einiger¬
maßen in das Gleichgewicht, aber das Einbrechen der Dunkelheit machte ein
abermaliges Vorrücken unthunlich. Auch den anfänglichen Plan, die Schlacht am
andern Tage fortzusetzen, mußte man aufgeben, als sich herausstellte, daß die
russischen Muuitionscolonnen zu weit zurückgeblieben waren, um eine Ergänzung
während der Schlacht zu gestatten.

Der Rückzug ging über Dresden nach Bautzen, wo die Verbündeten eine
an sich starke Stellung einnahmen/ die aber für ihre Kräfte viel zu ausgedehnt
war. Ein Vorspiel zur Schlacht war das Gefecht bei Königswartha, wo Barclay
dem General Lauriston eine Schlappe beibrachte. Aork hielt unterdeß bei Weißig
mit seinem sehr zusammengeschmolzenen Corps — es war von 10,000 Mann
auf 5700 gesunken — den Marschall Ney ab, jenem zu Hilfe zu kommen. Der
Kampf gegen die Uebermacht, denn die Franzosen brachten nach und nach 13,000
Mann in's Gefecht, drehte sich den ganzen Tag mit äußerster Hartnäckigkeit um
den Eichberg und den sich von demselben herunterziehenden Wald. Man begann
schon bei einbrechender Dunkelheit den Rückzug, als man sich gegen den nach¬
drängenden Feind nochmals am Waldsaum setzte. Eine Colonne deböuchirte aus
dem Walde; sie schien den russischen Geschwindmarsch zu schlagen, und erst, als
sie ganz nahe kam, erkannte man sie als Franzosen; mit großer Kaltblütigkeit
begann der die preußische Batterie commandirende, noch sehr junge Lieutenant
Lange sein Feuer, jedes Geschütz selbst commandirend; seine Kartätschen rissen
große Lücken in die Reihen der Anrückenden, und mit Gewalt" mußten die feind¬
lichen Officiere Leute aus den Hinteren Gliedern zum Ausfüllen hervorziehen, wie
man recht gut sehen konnte. Dennoch avancirte die Colonne. Uork hielt mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/456>, abgerufen am 27.09.2024.