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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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schwung der materiellen Interessen zu consolidiren strebt, werden ihren Zweck
nicht erfüllen. Wären sie selbst auf soliden Grundlagen errichtet, so würden diese
gesunden Hebel der Industrie sie nicht aus dem Niveau erhalten können, auf das
man sie gewaltsam emporgetrieben hat, wenn die dazu angewendeten Mittel plötzlich
versiegen. Aber jene Institute sind zum Theil so ungenügend fuudirt, wie z. B.
die 8c>eiete nu creclit mobilier, die auf 60 Millionen Fr. Capital eine zehn¬
fache Anzahl von Noten auszugeben autorisire ist, daß sie selbst vielmehr die
gefährlichsten Eventualitäten in Aussicht stellen und eine Ueberschwemmung mit
schlechtem Papiergeld und dadurch eine Geldkrise befürchten lassen, welche mit den
andern Ursachen der Zerrüttung vereint die zerstörendsten Wirkungen hervorbringen
muß. Der amerikanische Actien- und Bankenschwindel hat die heillosen Folgen
derartiger Operationen zu Tage gebracht.

Man vergesse aber nicht, daß das materielle Wohlbefinden die einzige Ent¬
schädigung ist, die das friedliche Kaisertum der Nation sür die glänzende
Arena des politischen Lebens zu geben hat, die es ih.r verschlossen und die es
nicht, öffnen kann, ohne alle feindlichen Leidenschaften gegen sich zu entfesseln.
Noch ist es L. Napoleon nicht gelungen, die Kapacitäten der von ihm besiegten
Parteien zu gewinnen -- und dies sind die intellectuellen und moralischen Größen
der Nation, der Bonapartismus zählt bisher nur geschickte Faiseurs zu seinen
Anhängern, und seine Proselyten stehen tief in der öffentlichen Achtung. Das
leere Gepränge öffentlicher Feste und Aufzüge wird nächstens auch selbst die
Franzosen nicht mehr ködern, und wehe dem Tage, wo neben der geistigen Oede
dieses Staatswesens mich noch die Illusion einer trügerischen Nationalwohlfahrt
ihnen schwindet.

Wir glauben nicht, daß, wenn die Symptome dieser Krisis sich zu zeigen
beginnen, Louis Napoleon den Ausbruch derselben abwarten wird. Was man
auch gegen ihn sagen kann, er hat Beweise gegeben von der höchsten Entschlossen¬
heit, von einer Consequenz des Willens, die vor dein Aeußersten nicht zurückbebt.
Er wird einen Ableiter des Unheils im Innern in einem auswärtigen Kriege
suchen, der Aufregung der allgemeinen Noth durch die höhere Aufregung der
nationalen Leidenschaften zuvorkommen, die Verwirrung der Finanzen, die ein
sorgloser und verschwenderischer Friede erzeugt, in den tiefen Schlund der Kriegs¬
kosten hineinwerfen -- denn der Krieg kann auch dem Lande andere Opfer ab¬
fordern, als der Friede -- und außerdem deu Krieg durch den Krieg zu ernähren
suchen, falls der Sieg ihm zur Seite steht, woraus er überhaupt rechnen muß,
oder er ist in jedem Falle verloren. Die Worte, die der Herzog von Orleans
18i0 gesprochen haben soll, werden dann der Wahlspruch Napoleon's III. sein:
"es ist besser im Rhein zu sterben, als in einer Gosse."

Aber außer diesem Allen, so mächtig es seiner Zeit in die Entschlüsse des
französischen Kaisers eingreifen muß, wird er noch von einer andren Seite her


schwung der materiellen Interessen zu consolidiren strebt, werden ihren Zweck
nicht erfüllen. Wären sie selbst auf soliden Grundlagen errichtet, so würden diese
gesunden Hebel der Industrie sie nicht aus dem Niveau erhalten können, auf das
man sie gewaltsam emporgetrieben hat, wenn die dazu angewendeten Mittel plötzlich
versiegen. Aber jene Institute sind zum Theil so ungenügend fuudirt, wie z. B.
die 8c>eiete nu creclit mobilier, die auf 60 Millionen Fr. Capital eine zehn¬
fache Anzahl von Noten auszugeben autorisire ist, daß sie selbst vielmehr die
gefährlichsten Eventualitäten in Aussicht stellen und eine Ueberschwemmung mit
schlechtem Papiergeld und dadurch eine Geldkrise befürchten lassen, welche mit den
andern Ursachen der Zerrüttung vereint die zerstörendsten Wirkungen hervorbringen
muß. Der amerikanische Actien- und Bankenschwindel hat die heillosen Folgen
derartiger Operationen zu Tage gebracht.

Man vergesse aber nicht, daß das materielle Wohlbefinden die einzige Ent¬
schädigung ist, die das friedliche Kaisertum der Nation sür die glänzende
Arena des politischen Lebens zu geben hat, die es ih.r verschlossen und die es
nicht, öffnen kann, ohne alle feindlichen Leidenschaften gegen sich zu entfesseln.
Noch ist es L. Napoleon nicht gelungen, die Kapacitäten der von ihm besiegten
Parteien zu gewinnen — und dies sind die intellectuellen und moralischen Größen
der Nation, der Bonapartismus zählt bisher nur geschickte Faiseurs zu seinen
Anhängern, und seine Proselyten stehen tief in der öffentlichen Achtung. Das
leere Gepränge öffentlicher Feste und Aufzüge wird nächstens auch selbst die
Franzosen nicht mehr ködern, und wehe dem Tage, wo neben der geistigen Oede
dieses Staatswesens mich noch die Illusion einer trügerischen Nationalwohlfahrt
ihnen schwindet.

Wir glauben nicht, daß, wenn die Symptome dieser Krisis sich zu zeigen
beginnen, Louis Napoleon den Ausbruch derselben abwarten wird. Was man
auch gegen ihn sagen kann, er hat Beweise gegeben von der höchsten Entschlossen¬
heit, von einer Consequenz des Willens, die vor dein Aeußersten nicht zurückbebt.
Er wird einen Ableiter des Unheils im Innern in einem auswärtigen Kriege
suchen, der Aufregung der allgemeinen Noth durch die höhere Aufregung der
nationalen Leidenschaften zuvorkommen, die Verwirrung der Finanzen, die ein
sorgloser und verschwenderischer Friede erzeugt, in den tiefen Schlund der Kriegs¬
kosten hineinwerfen — denn der Krieg kann auch dem Lande andere Opfer ab¬
fordern, als der Friede — und außerdem deu Krieg durch den Krieg zu ernähren
suchen, falls der Sieg ihm zur Seite steht, woraus er überhaupt rechnen muß,
oder er ist in jedem Falle verloren. Die Worte, die der Herzog von Orleans
18i0 gesprochen haben soll, werden dann der Wahlspruch Napoleon's III. sein:
„es ist besser im Rhein zu sterben, als in einer Gosse."

Aber außer diesem Allen, so mächtig es seiner Zeit in die Entschlüsse des
französischen Kaisers eingreifen muß, wird er noch von einer andren Seite her


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/434>, abgerufen am 27.09.2024.