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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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auf. Nun übernimmt aber das Kaiserreich eine keineswegs glückliche Finanzlage.
Seit 1840 sind die französischen Budgets mit stets wachsenden Deficits belastet,
und eine schwebende Schuld von mehreren hundert Millionen hat sich allmählich
daraus aufgesammelt, die mau trotz mehrfacher Anleihen nicht hat tilgen könne".
Keine Steigerung der Einnahmen kauu mit dieser ungeheuren Vermehrung der
Ausgaben gleichen Schritt halten. Trotz aller täuschenden Berechnungen, wie wir
sie in Frankreich gewohnt sind, wo dann aber immer dem regelmäßigen Ausgabe-
etat später ein verhängnißvoller Schweif von Snpplementarcrediten nachhinkt, ist
an der wachsenden Verschlimmerung der Staatsftnanzen nicht zu zweifeln. Die
jetzige Wirthschaft kaun eine Zeit lang sortgesetzt und bei der Niederhaltung aller
Oeffentlichkeit die Resultate davon verborgen werden. Durch Benutzung des
immer noch erträglichen Staatscredites, durch administrative Anleihen, Vorschüsse
der Bank, Schatzbon's, Sparcafsenfonds und der Himmel weiß, welche Expedients,
durch die ein französischer Finanzminister einen provisorischen Ueberfluß in den
Staatscassen herzustellen versteht, kann eine innerlich hohle Situation äußerlich
eine Zeit lang gehalten werden. Die Presse ist gefesselt und das mit einem Maul-
korb versehene und an Händen und Füßen gebundene Corps legislativ wird, selbst
wenn es wollte, keine Controle üben können. Aber ein Zeitpunkt wird eintreten,
wo trotz aller Mittel die Sache so nicht weiter geführt werden kann. Das strengste
Ersparungssystem wird allein, wenn überhaupt Etwas, vermögen, die traurigen
Folgen einer tollen Verschwendung abzuwenden. Dann wird das Phantom der
allgemeinen Wohlfahrt in einem Nu verfliegen. Tausende von Arbeitern, die
man jetzt mit öffentlichen Geldern über die Kräfte des Staats hinaus beschäf¬
tigt, werdeu sich auf den Markt geworfen sehen. Die Einen werden brodlos
sein, und die Löhne der Anderen werden fallen. Die öffentlichen Feste, Reisen
und Triumphzüge, mit denen man die Staatsgelder ausstreut und die Gemeinde¬
gelder nützlicheren Verwendungen entzieht, werden aufhören, die Beamtengehalte
werden ihrer Zulagen beraubt werdeu, und der künstliche Flor der Industrie, den
man durch einen mit Staatsmitteln betriebenen Luxus erzeugt hat, wird ein Ende
haben. Je maßloser die Speculation der jetzt günstigen, aber unreellen Chancen
sich bemächtigt hat, je furchtbarer wird die Rückwirkung sein; je mehr die In¬
dustrie ihre Arbeiten ans unwahre Voraussetzungen hin ausgedehnt hat, je härter
wird der Umschlag die in bodenlose Unternehmungen verwickelten Capitalien treffen.
Die Arbeiter, die dadurch außer Beschäftigung komme", werden die Zahl derer
vermehren, die der Staat entlassen muß. Von der ganzen Herrlichkeit wird Nichts
übrig bleiben, als eine beträchtliche Vermehrung der Staatsschuld und ein mit
der jährlichen Verzinsung des Zuwachses belastetes Budget. Das Landvolk wird
mit neuen Steuern und Zusatzcentimen bedacht werden und seine Producte in
der allgemeinen Noth zu schlechten Preisen verkaufen müssen.

Die Creditinstitute, mit denen das kaiserliche Regime den künstlichen Auf-


auf. Nun übernimmt aber das Kaiserreich eine keineswegs glückliche Finanzlage.
Seit 1840 sind die französischen Budgets mit stets wachsenden Deficits belastet,
und eine schwebende Schuld von mehreren hundert Millionen hat sich allmählich
daraus aufgesammelt, die mau trotz mehrfacher Anleihen nicht hat tilgen könne».
Keine Steigerung der Einnahmen kauu mit dieser ungeheuren Vermehrung der
Ausgaben gleichen Schritt halten. Trotz aller täuschenden Berechnungen, wie wir
sie in Frankreich gewohnt sind, wo dann aber immer dem regelmäßigen Ausgabe-
etat später ein verhängnißvoller Schweif von Snpplementarcrediten nachhinkt, ist
an der wachsenden Verschlimmerung der Staatsftnanzen nicht zu zweifeln. Die
jetzige Wirthschaft kaun eine Zeit lang sortgesetzt und bei der Niederhaltung aller
Oeffentlichkeit die Resultate davon verborgen werden. Durch Benutzung des
immer noch erträglichen Staatscredites, durch administrative Anleihen, Vorschüsse
der Bank, Schatzbon's, Sparcafsenfonds und der Himmel weiß, welche Expedients,
durch die ein französischer Finanzminister einen provisorischen Ueberfluß in den
Staatscassen herzustellen versteht, kann eine innerlich hohle Situation äußerlich
eine Zeit lang gehalten werden. Die Presse ist gefesselt und das mit einem Maul-
korb versehene und an Händen und Füßen gebundene Corps legislativ wird, selbst
wenn es wollte, keine Controle üben können. Aber ein Zeitpunkt wird eintreten,
wo trotz aller Mittel die Sache so nicht weiter geführt werden kann. Das strengste
Ersparungssystem wird allein, wenn überhaupt Etwas, vermögen, die traurigen
Folgen einer tollen Verschwendung abzuwenden. Dann wird das Phantom der
allgemeinen Wohlfahrt in einem Nu verfliegen. Tausende von Arbeitern, die
man jetzt mit öffentlichen Geldern über die Kräfte des Staats hinaus beschäf¬
tigt, werdeu sich auf den Markt geworfen sehen. Die Einen werden brodlos
sein, und die Löhne der Anderen werden fallen. Die öffentlichen Feste, Reisen
und Triumphzüge, mit denen man die Staatsgelder ausstreut und die Gemeinde¬
gelder nützlicheren Verwendungen entzieht, werden aufhören, die Beamtengehalte
werden ihrer Zulagen beraubt werdeu, und der künstliche Flor der Industrie, den
man durch einen mit Staatsmitteln betriebenen Luxus erzeugt hat, wird ein Ende
haben. Je maßloser die Speculation der jetzt günstigen, aber unreellen Chancen
sich bemächtigt hat, je furchtbarer wird die Rückwirkung sein; je mehr die In¬
dustrie ihre Arbeiten ans unwahre Voraussetzungen hin ausgedehnt hat, je härter
wird der Umschlag die in bodenlose Unternehmungen verwickelten Capitalien treffen.
Die Arbeiter, die dadurch außer Beschäftigung komme«, werden die Zahl derer
vermehren, die der Staat entlassen muß. Von der ganzen Herrlichkeit wird Nichts
übrig bleiben, als eine beträchtliche Vermehrung der Staatsschuld und ein mit
der jährlichen Verzinsung des Zuwachses belastetes Budget. Das Landvolk wird
mit neuen Steuern und Zusatzcentimen bedacht werden und seine Producte in
der allgemeinen Noth zu schlechten Preisen verkaufen müssen.

Die Creditinstitute, mit denen das kaiserliche Regime den künstlichen Auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/433>, abgerufen am 27.09.2024.