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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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in Anspruch. Es hängt aber Alles von der Wichtigkeit der Sitzung ab, und wird
die Arbeit gar zu schwer, so beordert Mr. Dod einen oder zwei Reporters vom
Oberhaus als Succurs nach der Journalistentribnne der Gemeinen*).

Hat der Reporter seine Notizen im Times' Office geordnet, so wandert sein
Elaborat in's Bureau. Hier wird es gewöhnlich stark zugeschnitten, wobei Mr.
Dod, der von Zeit zu Zeit erscheint, seinen Theil mithilft. Die redigirten Partien
wandern in die Druckerei, werden gesetzt, und kommen auf langen Streifen ab¬
geklatscht nochmals zu den Redacteuren zurück, um beim Abschluß dem parlamen¬
tarischen Leitartikelschreiber vorgelegt zu werden, der jedoch bei wichtigen Sitzungen
gewöhnlich selbst im Parlament anwesend ist, und beim Morgengrauen an die Ab¬
fassung des Leitartikels über die eben geschlossene Parlamentsdebatte schreitet,
damit er wenige Stunden später dem Publicum vorgelegt werden könne. Schließt
die Sitzung um zwei Uhr nach Mitternacht, so wird es drei Uhr Morgens und
oft später, bis der letzte Reporter und der Schreiber des parlamentarischen Leit¬
artikels und einer der Redacteure ihre Arbeit vollendet haben. Das heißt doch
schwer arbeiten! schwerer, als sich die meisten Journalisten auf dem Kontinent
träumen lassen! Aber so geht's in allen Ständen. Der Engländer, ob Literat
oder Handwerker oder Kaufmann, thut nichts halb, weil nichts halb gethan wer¬
den darf. Es giebt in keinem Lande der Welt ein so großes Feld für ernste
Thätigkeit, wie in England, aber man muß viel Kraft, Ausdauer und Entsagung
mitbringen. Ein englischer Reporter auf Ferien, der am Züricher See bei
Sonnenaufgang die Gegend in sein Notizenbuch einzeichnet, und die langen, mit
Gamaschen bekleideten Beine so recht weit von sich streckt, ist für einen deutschen
Journalisten eine sehr beneidenswerthe Persönlichkeit. Freilich man sieht's dem
Manne nicht an, wie angestrengt er die letzten sechs Monate gearbeitet hat. --

Es ist drei Uhr Morgens, wir haben nun schon dreizehn Stunden im Times'
Office zugebracht; von jetzt an arbeiten blos die Drucker und die beiden großen
Druckmaschinen, die zusammen zehntausend Exemplare in jeder Stunde liefern;
aber so müde und gelangweilt unsre verehrten Leser auch sein mögen, wir können
sie noch nicht entlassen. Es bleibt zur Vervollständigung noch Einiges zu sehen
übrig. --

Es war bisher nur von den Parlamentsreporters und ihrem Capitain die
Rede. Es stehen aber noch andere Berichterstatter im Dienste der "Times"
und eines jeden Journals, die wir nicht vernachlässigen dürfen.

Hieher gehören vor Allem die stehenden Berichterstatter in London, die
gelegentlich verwendet werden, sonst aber auf dem Bureau selbst beschäftigt werden,
um Auszüge aus inländischen und fremden Journalen zurecht zu machen, über¬
sichtliche Berichte aus Kolonial- und überseeischen Blättern zusammenzustellen und



Vi" langer Corridor verbindet die Journalistentribnne beider Hänser.

in Anspruch. Es hängt aber Alles von der Wichtigkeit der Sitzung ab, und wird
die Arbeit gar zu schwer, so beordert Mr. Dod einen oder zwei Reporters vom
Oberhaus als Succurs nach der Journalistentribnne der Gemeinen*).

Hat der Reporter seine Notizen im Times' Office geordnet, so wandert sein
Elaborat in's Bureau. Hier wird es gewöhnlich stark zugeschnitten, wobei Mr.
Dod, der von Zeit zu Zeit erscheint, seinen Theil mithilft. Die redigirten Partien
wandern in die Druckerei, werden gesetzt, und kommen auf langen Streifen ab¬
geklatscht nochmals zu den Redacteuren zurück, um beim Abschluß dem parlamen¬
tarischen Leitartikelschreiber vorgelegt zu werden, der jedoch bei wichtigen Sitzungen
gewöhnlich selbst im Parlament anwesend ist, und beim Morgengrauen an die Ab¬
fassung des Leitartikels über die eben geschlossene Parlamentsdebatte schreitet,
damit er wenige Stunden später dem Publicum vorgelegt werden könne. Schließt
die Sitzung um zwei Uhr nach Mitternacht, so wird es drei Uhr Morgens und
oft später, bis der letzte Reporter und der Schreiber des parlamentarischen Leit¬
artikels und einer der Redacteure ihre Arbeit vollendet haben. Das heißt doch
schwer arbeiten! schwerer, als sich die meisten Journalisten auf dem Kontinent
träumen lassen! Aber so geht's in allen Ständen. Der Engländer, ob Literat
oder Handwerker oder Kaufmann, thut nichts halb, weil nichts halb gethan wer¬
den darf. Es giebt in keinem Lande der Welt ein so großes Feld für ernste
Thätigkeit, wie in England, aber man muß viel Kraft, Ausdauer und Entsagung
mitbringen. Ein englischer Reporter auf Ferien, der am Züricher See bei
Sonnenaufgang die Gegend in sein Notizenbuch einzeichnet, und die langen, mit
Gamaschen bekleideten Beine so recht weit von sich streckt, ist für einen deutschen
Journalisten eine sehr beneidenswerthe Persönlichkeit. Freilich man sieht's dem
Manne nicht an, wie angestrengt er die letzten sechs Monate gearbeitet hat. —

Es ist drei Uhr Morgens, wir haben nun schon dreizehn Stunden im Times'
Office zugebracht; von jetzt an arbeiten blos die Drucker und die beiden großen
Druckmaschinen, die zusammen zehntausend Exemplare in jeder Stunde liefern;
aber so müde und gelangweilt unsre verehrten Leser auch sein mögen, wir können
sie noch nicht entlassen. Es bleibt zur Vervollständigung noch Einiges zu sehen
übrig. —

Es war bisher nur von den Parlamentsreporters und ihrem Capitain die
Rede. Es stehen aber noch andere Berichterstatter im Dienste der „Times"
und eines jeden Journals, die wir nicht vernachlässigen dürfen.

Hieher gehören vor Allem die stehenden Berichterstatter in London, die
gelegentlich verwendet werden, sonst aber auf dem Bureau selbst beschäftigt werden,
um Auszüge aus inländischen und fremden Journalen zurecht zu machen, über¬
sichtliche Berichte aus Kolonial- und überseeischen Blättern zusammenzustellen und



Vi» langer Corridor verbindet die Journalistentribnne beider Hänser.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/425>, abgerufen am 27.09.2024.