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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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die Schattenseite der oben gerühmten Ko-adeMness, und daß die Gesetzgebung
sich nicht mit Strafen dagegen in's Mittel schlägt, der unerfreuliche Revers der
sonst recht erfreulichen Abneigung des Volkes gegen Polizeimaßregeln. Heute
fliegt ein Schiff mit dreihundert Menschen auf. Morgen krähen die Zeituugs-
hähue ein Concert über das Unglück und seine leichtsinnigen Urheber. Ueber¬
morgen? -- Bah, lasset die Todten ihre Todten begraben! Wir sind lebendige
Bursche. Unsre Ehen sind fruchtbar genug, deu Verlust an Leben zu ersetzen.
Kleinigkeiten das! Fort zu Geschäfte"! ^11 advaräl Ka> adeaä, do^s I Und
munter schießt das Dampfboot der Rastlosen aus dem Hafen. Nichts ist ge¬
lernt, Alles -- nur der Trieb des Capitains zum Ueberheizen und Uebersetzen
nicht -- vergessen, und springt der Kessel etwa auch diesem Boote, nun, so
ist es wieder ein I-unenwdls aeeläenl für die Presse, und wieder keine Lehre für
Publicum und Behörden.

Uns leuchteten freundlichere Sterne. Wohlbehalten landete unsre "Queen-
City" am Mittage des 9. ihre Cajüten- und Zwischendeckspassagiere nebst ihren
Bergen von Waarensracht vor dem Bahnhofe von Cleveland. Diese Stadt
gehört zum Staate Ohio und ist ein noch entwickelteres Beispiel von dem reißend
schnellen Wachsthum dieser westlichen Ansiedelungen als Dunkirk. Wo zu An¬
fange unsres Jahrhunderts ein Dutzend halbwilder Hinterwäldler in drei schweins-
kobenähnlicheu Logshauties von Bären- und Pnterfleisch und dem Ertrage einiger
Aecker Jndicmerkorns ein einsames Dasein fristeten und 1830 ein Dorf mit
800 Einwohnern stand, schaut jetzt, bewohnt von 22,000 Seelen, eine schöne
Stadt mit säuleugezierten, stolz bethürmten Riesenhotels, freundlichen Wohn¬
häusern, geräumigen Straßen, einem medicinischen College und nicht weniger als
2i> Kirchen ans den See hernieder. Ja noch mehr, jenseits des Cuyahoga, der
sich hier dem Erie-See zuwiudet, hat sich, gegenüber den Hügeln, welche die
"Waldstadt" Cleveland krönt, ein anderer blühender Ort, die schmucke Ohio-City
erhoben, die gegenwärtig schon 3000 Einwohner zählt.

Der Verkehr, der hier betrieben wird, ist außerordentlich lebhaft. Cleveland
ist der größte Getraidemarkt des größten Ackerbanstaates der Union. Die Natur
hat es dazu bestimmt, den Unternehmungsgeist des Volkes dazu ausgebildet.
Sein Hafen ist der beste am ganzen See. Ein Canal und eine Eisenbahn ver¬
binden es mit dem 130 englischen Meilen entfernten Pittsburgh, eine zweite
Eisenbahn mit dem noch einmal so weit entlegenen Cincinnati, eine dritte Schienen-
straße, die bis Ende 1862 eröffnet sein wird, mit Dunkirk und dadurch mit der
Metropole am Hudson. Die Stadt besaß im Jahre 1830 auf dem See allein
103 Fahrzeuge, die eiuen Gehalt von 18,462 Tonnen repräsentirten und eine
Ein- und Ausfuhr vermittelten, deren Totalwerth sich auf nahe an 12 Millionen
Dollars belief. 273L Schisse und Boote waren im genannten Jahre aus seiner
Rhede eingetroffen, und unter dieser Zahl befanden sich mehr als einhundert Dampfer.


die Schattenseite der oben gerühmten Ko-adeMness, und daß die Gesetzgebung
sich nicht mit Strafen dagegen in's Mittel schlägt, der unerfreuliche Revers der
sonst recht erfreulichen Abneigung des Volkes gegen Polizeimaßregeln. Heute
fliegt ein Schiff mit dreihundert Menschen auf. Morgen krähen die Zeituugs-
hähue ein Concert über das Unglück und seine leichtsinnigen Urheber. Ueber¬
morgen? — Bah, lasset die Todten ihre Todten begraben! Wir sind lebendige
Bursche. Unsre Ehen sind fruchtbar genug, deu Verlust an Leben zu ersetzen.
Kleinigkeiten das! Fort zu Geschäfte»! ^11 advaräl Ka> adeaä, do^s I Und
munter schießt das Dampfboot der Rastlosen aus dem Hafen. Nichts ist ge¬
lernt, Alles — nur der Trieb des Capitains zum Ueberheizen und Uebersetzen
nicht — vergessen, und springt der Kessel etwa auch diesem Boote, nun, so
ist es wieder ein I-unenwdls aeeläenl für die Presse, und wieder keine Lehre für
Publicum und Behörden.

Uns leuchteten freundlichere Sterne. Wohlbehalten landete unsre „Queen-
City" am Mittage des 9. ihre Cajüten- und Zwischendeckspassagiere nebst ihren
Bergen von Waarensracht vor dem Bahnhofe von Cleveland. Diese Stadt
gehört zum Staate Ohio und ist ein noch entwickelteres Beispiel von dem reißend
schnellen Wachsthum dieser westlichen Ansiedelungen als Dunkirk. Wo zu An¬
fange unsres Jahrhunderts ein Dutzend halbwilder Hinterwäldler in drei schweins-
kobenähnlicheu Logshauties von Bären- und Pnterfleisch und dem Ertrage einiger
Aecker Jndicmerkorns ein einsames Dasein fristeten und 1830 ein Dorf mit
800 Einwohnern stand, schaut jetzt, bewohnt von 22,000 Seelen, eine schöne
Stadt mit säuleugezierten, stolz bethürmten Riesenhotels, freundlichen Wohn¬
häusern, geräumigen Straßen, einem medicinischen College und nicht weniger als
2i> Kirchen ans den See hernieder. Ja noch mehr, jenseits des Cuyahoga, der
sich hier dem Erie-See zuwiudet, hat sich, gegenüber den Hügeln, welche die
„Waldstadt" Cleveland krönt, ein anderer blühender Ort, die schmucke Ohio-City
erhoben, die gegenwärtig schon 3000 Einwohner zählt.

Der Verkehr, der hier betrieben wird, ist außerordentlich lebhaft. Cleveland
ist der größte Getraidemarkt des größten Ackerbanstaates der Union. Die Natur
hat es dazu bestimmt, den Unternehmungsgeist des Volkes dazu ausgebildet.
Sein Hafen ist der beste am ganzen See. Ein Canal und eine Eisenbahn ver¬
binden es mit dem 130 englischen Meilen entfernten Pittsburgh, eine zweite
Eisenbahn mit dem noch einmal so weit entlegenen Cincinnati, eine dritte Schienen-
straße, die bis Ende 1862 eröffnet sein wird, mit Dunkirk und dadurch mit der
Metropole am Hudson. Die Stadt besaß im Jahre 1830 auf dem See allein
103 Fahrzeuge, die eiuen Gehalt von 18,462 Tonnen repräsentirten und eine
Ein- und Ausfuhr vermittelten, deren Totalwerth sich auf nahe an 12 Millionen
Dollars belief. 273L Schisse und Boote waren im genannten Jahre aus seiner
Rhede eingetroffen, und unter dieser Zahl befanden sich mehr als einhundert Dampfer.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/382>, abgerufen am 27.09.2024.