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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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, "Well, mit dem Lebenlassen hätte es doch wol seinen Haken gehabt", warf
einer der Gäste ein.

närrisches Zeug! Sollten das Land besser kennen. Ob ich in Cleve-
land vier Monate Medicin studirt habe oder nicht, kommt ans Eins hinaus. Kann
mit 'nem Diplom die Leute an^on so gut unter die Erde schaffe", wie ohne solch
'neu Wisch für dreißig Dollars. War ein Narr an^Kop, daß er wegging,
wäre bei Gott nicht der Einzige gewesen, der auf diese Manier sein Glück ge¬
macht hätte!"

Sprach's und die "Genes" im Barroom gaben ihm Recht und bedauerten
den Freund, dem des Schicksals Tücke so unverhofft und unverdient die Thüre
zum nous^-maKinA vor der Nase zugeschlagen hatte.

Kehren wir jedoch von dieser Abschweifung wieder in das American-Hotel zu
Dunkirk zurück.

Nach einem guten Souper, bei welchem bereits Hinterwäldlergerichte, wie
gekochte Maiskolben und heißausgetragene Biscuits, so wie die mit Syrup ver¬
speisten Buchweizenkuchen figurirten, welche beiläufig eine nahe Verwandtschaft von
den sächsischen "Plinsen" sind, schliefen wir, nachholend, was wir die letzten Nächte
versäumt, in schonen Zimmern und trefflichen Betten den Schlaf der Gerechten.
Die feinen Trompetenstimmchen einiger verirrten Muskitos hatten uns mehr ein¬
gesungen, als belästigt, so daß ich, der von ihrem Vampyr-Blutdurste schreckliche
Vorstellungen mit herübergebracht, den Verläumder fast so schwärmerisch freundlich
gesinnt wurde, wie der gute Edward Sanford, der den "niedlichen Mistrels"
in einer Hymne seine Liebe erklärt, worin er sie unter anderen prächtigen Metaphern
eine Jncarnation von Königin Mad nennt und dann ausruft:


II"ö Sohn's last roth is sweetest, so is tlumz;
Lweet fre- tke winillisro's notss se äistsnoe Kehl'ä;
"1' is s>V6vt se, distsnoe-, se tuo "is^'s äsolino
lo Inzsr tuo oponinA sonA ol övknins's birä;
IZut notss ol Iisrp or birä se äistsnoo üost
I,ess svoell^ se elle ohr duhn luz^ Isse lodo>

Gewiß, ich hätte fortschlafen können trotz dieser immerhin ominösen Trompeten,
ja trotz der Trompeten des Weltgerichts. Aber das Instrument, mit dem mau
das Zeichen zum Aufstehn und eine Viertelstunde spater zum Frühstücke gab, war
eine horrible Ohrenqual. In der That, sein Ton drang durch Mark und Bein,
und täusche ich mich uicht, so war es dasselbe, womit die Wärter unsrer Thier-,
buben ihre Bestien aufscheuchen, wenn die Fütterungszeit naht. Es mag dies
praktisch sein; denn selbst der Starrkrampf des Scheintodes würde seinem Klänge
nicht leicht widerstehn. Aber von diesem Gesichtspunkte ans wäre ein vor jeder
Thür abgebrannter Kanonenschlag empfehlenswerther.

Nachdem wir im Speisesaale Beefsteak und Schweinsrippchen, und im Lese-


, „Well, mit dem Lebenlassen hätte es doch wol seinen Haken gehabt", warf
einer der Gäste ein.

närrisches Zeug! Sollten das Land besser kennen. Ob ich in Cleve-
land vier Monate Medicin studirt habe oder nicht, kommt ans Eins hinaus. Kann
mit 'nem Diplom die Leute an^on so gut unter die Erde schaffe», wie ohne solch
'neu Wisch für dreißig Dollars. War ein Narr an^Kop, daß er wegging,
wäre bei Gott nicht der Einzige gewesen, der auf diese Manier sein Glück ge¬
macht hätte!"

Sprach's und die „Genes" im Barroom gaben ihm Recht und bedauerten
den Freund, dem des Schicksals Tücke so unverhofft und unverdient die Thüre
zum nous^-maKinA vor der Nase zugeschlagen hatte.

Kehren wir jedoch von dieser Abschweifung wieder in das American-Hotel zu
Dunkirk zurück.

Nach einem guten Souper, bei welchem bereits Hinterwäldlergerichte, wie
gekochte Maiskolben und heißausgetragene Biscuits, so wie die mit Syrup ver¬
speisten Buchweizenkuchen figurirten, welche beiläufig eine nahe Verwandtschaft von
den sächsischen „Plinsen" sind, schliefen wir, nachholend, was wir die letzten Nächte
versäumt, in schonen Zimmern und trefflichen Betten den Schlaf der Gerechten.
Die feinen Trompetenstimmchen einiger verirrten Muskitos hatten uns mehr ein¬
gesungen, als belästigt, so daß ich, der von ihrem Vampyr-Blutdurste schreckliche
Vorstellungen mit herübergebracht, den Verläumder fast so schwärmerisch freundlich
gesinnt wurde, wie der gute Edward Sanford, der den „niedlichen Mistrels"
in einer Hymne seine Liebe erklärt, worin er sie unter anderen prächtigen Metaphern
eine Jncarnation von Königin Mad nennt und dann ausruft:


II»ö Sohn's last roth is sweetest, so is tlumz;
Lweet fre- tke winillisro's notss se äistsnoe Kehl'ä;
"1' is s>V6vt se, distsnoe-, se tuo «is^'s äsolino
lo Inzsr tuo oponinA sonA ol övknins's birä;
IZut notss ol Iisrp or birä se äistsnoo üost
I,ess svoell^ se elle ohr duhn luz^ Isse lodo>

Gewiß, ich hätte fortschlafen können trotz dieser immerhin ominösen Trompeten,
ja trotz der Trompeten des Weltgerichts. Aber das Instrument, mit dem mau
das Zeichen zum Aufstehn und eine Viertelstunde spater zum Frühstücke gab, war
eine horrible Ohrenqual. In der That, sein Ton drang durch Mark und Bein,
und täusche ich mich uicht, so war es dasselbe, womit die Wärter unsrer Thier-,
buben ihre Bestien aufscheuchen, wenn die Fütterungszeit naht. Es mag dies
praktisch sein; denn selbst der Starrkrampf des Scheintodes würde seinem Klänge
nicht leicht widerstehn. Aber von diesem Gesichtspunkte ans wäre ein vor jeder
Thür abgebrannter Kanonenschlag empfehlenswerther.

Nachdem wir im Speisesaale Beefsteak und Schweinsrippchen, und im Lese-


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[0376] , „Well, mit dem Lebenlassen hätte es doch wol seinen Haken gehabt", warf einer der Gäste ein. närrisches Zeug! Sollten das Land besser kennen. Ob ich in Cleve- land vier Monate Medicin studirt habe oder nicht, kommt ans Eins hinaus. Kann mit 'nem Diplom die Leute an^on so gut unter die Erde schaffe», wie ohne solch 'neu Wisch für dreißig Dollars. War ein Narr an^Kop, daß er wegging, wäre bei Gott nicht der Einzige gewesen, der auf diese Manier sein Glück ge¬ macht hätte!" Sprach's und die „Genes" im Barroom gaben ihm Recht und bedauerten den Freund, dem des Schicksals Tücke so unverhofft und unverdient die Thüre zum nous^-maKinA vor der Nase zugeschlagen hatte. Kehren wir jedoch von dieser Abschweifung wieder in das American-Hotel zu Dunkirk zurück. Nach einem guten Souper, bei welchem bereits Hinterwäldlergerichte, wie gekochte Maiskolben und heißausgetragene Biscuits, so wie die mit Syrup ver¬ speisten Buchweizenkuchen figurirten, welche beiläufig eine nahe Verwandtschaft von den sächsischen „Plinsen" sind, schliefen wir, nachholend, was wir die letzten Nächte versäumt, in schonen Zimmern und trefflichen Betten den Schlaf der Gerechten. Die feinen Trompetenstimmchen einiger verirrten Muskitos hatten uns mehr ein¬ gesungen, als belästigt, so daß ich, der von ihrem Vampyr-Blutdurste schreckliche Vorstellungen mit herübergebracht, den Verläumder fast so schwärmerisch freundlich gesinnt wurde, wie der gute Edward Sanford, der den „niedlichen Mistrels" in einer Hymne seine Liebe erklärt, worin er sie unter anderen prächtigen Metaphern eine Jncarnation von Königin Mad nennt und dann ausruft: II»ö Sohn's last roth is sweetest, so is tlumz; Lweet fre- tke winillisro's notss se äistsnoe Kehl'ä; "1' is s>V6vt se, distsnoe-, se tuo «is^'s äsolino lo Inzsr tuo oponinA sonA ol övknins's birä; IZut notss ol Iisrp or birä se äistsnoo üost I,ess svoell^ se elle ohr duhn luz^ Isse lodo> Gewiß, ich hätte fortschlafen können trotz dieser immerhin ominösen Trompeten, ja trotz der Trompeten des Weltgerichts. Aber das Instrument, mit dem mau das Zeichen zum Aufstehn und eine Viertelstunde spater zum Frühstücke gab, war eine horrible Ohrenqual. In der That, sein Ton drang durch Mark und Bein, und täusche ich mich uicht, so war es dasselbe, womit die Wärter unsrer Thier-, buben ihre Bestien aufscheuchen, wenn die Fütterungszeit naht. Es mag dies praktisch sein; denn selbst der Starrkrampf des Scheintodes würde seinem Klänge nicht leicht widerstehn. Aber von diesem Gesichtspunkte ans wäre ein vor jeder Thür abgebrannter Kanonenschlag empfehlenswerther. Nachdem wir im Speisesaale Beefsteak und Schweinsrippchen, und im Lese-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/376>, abgerufen am 27.09.2024.