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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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einer spätem Zeit stammenden Landschlösser und Edelhofe, deren nächste Um¬
gebung sich oft in einer beispiellosen Vernachlässigung befindet. Man fülle die
versumpften Wallgraben ganz oder theilweise zu, und bilde einen natürlich ge¬
formten Teich daraus; oder man trockne sie aus, forme aus dem häßlichen Graben
eine thalähnliche Vertiefung, die sich mit leichter Mühe in einen schönen Garten oder
wenigstens in eine die Umgebung nicht schauderte Obstanlage verwqndeln läßt. --

Der Garten führt uns in die freie Landschaft.

Der Styl neuer Gebäude von größeren Ansprüchen richte sich in allen Fällen
nach dem Charakter der Landschaft, in welcher sie stehen. Das Unpassende eines
burgähnlichen Gebäudes in einer bebauten baumlosen Ebene, oder in einem lachen¬
den Wiesengrunde wird Jedermann einleuchten, und schon Viele werden empfunden
haben, daß ein auffallendes alltägliches Gebäude in einer wilden Gebirgsland¬
schaft wirkt, als ob das schöne Bild durch einen Klecks verunstaltet sei. Die Beför¬
derer landschaftlicher Schönheit, Verschönerungsvercine, Behörden oder Eigenthümer
können uicht genug darauf sehen, daß in vielbesuchten Gegenden keine störenden
Gebäude errichtet werden").

Ruinen und alterthümliche Bauwerke werden von unsrer Zeit mit Vorliebe
aufgesucht und oft mit großen Opfern erhalten. Allerdings sind künstliche
Ruinen im Allgemeinen zu tadeln, da ihre Wirkung oft in feinem Verhältniß zu
den Opfern steht, welche ihre Errichtung fordert, und das Absichtliche in ihnen
leicht ihre ganze Umgebung von poetischem Zauber entkleidet. Aber es giebt
anch Ausnahmen, wo durch die geschickte Errichtung ruinenhafter Gemäner.eine
schöne, durch kein anderes Gebäude mögliche Wirkung hervorgebracht wird. Ein
unbedeutender Thurm mit einigem Mauerwerk kann, nicht auf den hohen Berg¬
gipfeln, aber auf den hervortretenden Kronen der Vorberge eine Zierde der ganzen
Gebirgslandschaft werden. Wie denn in Gebirgen alle Gebäude eine viel größere
Wirkung hervorbringen, deshalb aber auch Mit viel mehr Rücksicht auf schonen
. Effect behandelt werden müssen. Aber immer noch sehen wir in Deutschland viele
Ruinen der Zerstörung preisgegeben, oder durch neue unpassende Gebäude und
störende Umgebung verunstaltet. Besonders sind die in Deutschland nicht sehr
häufigen Kirchen und Klosterruinen in der Regel noch nicht von unpassender
Umgebung befreit und zur vollen Wirkung ihrer Formen gelangt**).




Wie gut hcmnonirt zu der Landschaft das reizende Wirthshaus an dem wilden Ufer
der Bode am Fuß der Roßtrappe, eS ist nur aus Moos, Rinde, rohen Steinen und Baum¬
stämmen errichtet. Mau deute sich an diese Stelle ein gewöhnliches modernes Gasthaus, es
würde den ganzen Eindruck der wilden Gebirgswelt vernichten. Eben so geschmackvoll ist die
Gastwirthschaft auf dem Kyffhäuser in den Gewölben der Burg und die der nahen Rothen-
burg in einer Felsenhöhle angebracht.
") Z. B. die prächtigen Klosterruinen von Walkenried im Braunschweigischen Lorderharz
unweit Nordhausen. Dagegen ist Panlinzelle am Thüringer Walde mit verständiger Rücksicht
behandelt und in das schönste Licht gestellt.

einer spätem Zeit stammenden Landschlösser und Edelhofe, deren nächste Um¬
gebung sich oft in einer beispiellosen Vernachlässigung befindet. Man fülle die
versumpften Wallgraben ganz oder theilweise zu, und bilde einen natürlich ge¬
formten Teich daraus; oder man trockne sie aus, forme aus dem häßlichen Graben
eine thalähnliche Vertiefung, die sich mit leichter Mühe in einen schönen Garten oder
wenigstens in eine die Umgebung nicht schauderte Obstanlage verwqndeln läßt. —

Der Garten führt uns in die freie Landschaft.

Der Styl neuer Gebäude von größeren Ansprüchen richte sich in allen Fällen
nach dem Charakter der Landschaft, in welcher sie stehen. Das Unpassende eines
burgähnlichen Gebäudes in einer bebauten baumlosen Ebene, oder in einem lachen¬
den Wiesengrunde wird Jedermann einleuchten, und schon Viele werden empfunden
haben, daß ein auffallendes alltägliches Gebäude in einer wilden Gebirgsland¬
schaft wirkt, als ob das schöne Bild durch einen Klecks verunstaltet sei. Die Beför¬
derer landschaftlicher Schönheit, Verschönerungsvercine, Behörden oder Eigenthümer
können uicht genug darauf sehen, daß in vielbesuchten Gegenden keine störenden
Gebäude errichtet werden").

Ruinen und alterthümliche Bauwerke werden von unsrer Zeit mit Vorliebe
aufgesucht und oft mit großen Opfern erhalten. Allerdings sind künstliche
Ruinen im Allgemeinen zu tadeln, da ihre Wirkung oft in feinem Verhältniß zu
den Opfern steht, welche ihre Errichtung fordert, und das Absichtliche in ihnen
leicht ihre ganze Umgebung von poetischem Zauber entkleidet. Aber es giebt
anch Ausnahmen, wo durch die geschickte Errichtung ruinenhafter Gemäner.eine
schöne, durch kein anderes Gebäude mögliche Wirkung hervorgebracht wird. Ein
unbedeutender Thurm mit einigem Mauerwerk kann, nicht auf den hohen Berg¬
gipfeln, aber auf den hervortretenden Kronen der Vorberge eine Zierde der ganzen
Gebirgslandschaft werden. Wie denn in Gebirgen alle Gebäude eine viel größere
Wirkung hervorbringen, deshalb aber auch Mit viel mehr Rücksicht auf schonen
. Effect behandelt werden müssen. Aber immer noch sehen wir in Deutschland viele
Ruinen der Zerstörung preisgegeben, oder durch neue unpassende Gebäude und
störende Umgebung verunstaltet. Besonders sind die in Deutschland nicht sehr
häufigen Kirchen und Klosterruinen in der Regel noch nicht von unpassender
Umgebung befreit und zur vollen Wirkung ihrer Formen gelangt**).




Wie gut hcmnonirt zu der Landschaft das reizende Wirthshaus an dem wilden Ufer
der Bode am Fuß der Roßtrappe, eS ist nur aus Moos, Rinde, rohen Steinen und Baum¬
stämmen errichtet. Mau deute sich an diese Stelle ein gewöhnliches modernes Gasthaus, es
würde den ganzen Eindruck der wilden Gebirgswelt vernichten. Eben so geschmackvoll ist die
Gastwirthschaft auf dem Kyffhäuser in den Gewölben der Burg und die der nahen Rothen-
burg in einer Felsenhöhle angebracht.
") Z. B. die prächtigen Klosterruinen von Walkenried im Braunschweigischen Lorderharz
unweit Nordhausen. Dagegen ist Panlinzelle am Thüringer Walde mit verständiger Rücksicht
behandelt und in das schönste Licht gestellt.
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[0346] einer spätem Zeit stammenden Landschlösser und Edelhofe, deren nächste Um¬ gebung sich oft in einer beispiellosen Vernachlässigung befindet. Man fülle die versumpften Wallgraben ganz oder theilweise zu, und bilde einen natürlich ge¬ formten Teich daraus; oder man trockne sie aus, forme aus dem häßlichen Graben eine thalähnliche Vertiefung, die sich mit leichter Mühe in einen schönen Garten oder wenigstens in eine die Umgebung nicht schauderte Obstanlage verwqndeln läßt. — Der Garten führt uns in die freie Landschaft. Der Styl neuer Gebäude von größeren Ansprüchen richte sich in allen Fällen nach dem Charakter der Landschaft, in welcher sie stehen. Das Unpassende eines burgähnlichen Gebäudes in einer bebauten baumlosen Ebene, oder in einem lachen¬ den Wiesengrunde wird Jedermann einleuchten, und schon Viele werden empfunden haben, daß ein auffallendes alltägliches Gebäude in einer wilden Gebirgsland¬ schaft wirkt, als ob das schöne Bild durch einen Klecks verunstaltet sei. Die Beför¬ derer landschaftlicher Schönheit, Verschönerungsvercine, Behörden oder Eigenthümer können uicht genug darauf sehen, daß in vielbesuchten Gegenden keine störenden Gebäude errichtet werden"). Ruinen und alterthümliche Bauwerke werden von unsrer Zeit mit Vorliebe aufgesucht und oft mit großen Opfern erhalten. Allerdings sind künstliche Ruinen im Allgemeinen zu tadeln, da ihre Wirkung oft in feinem Verhältniß zu den Opfern steht, welche ihre Errichtung fordert, und das Absichtliche in ihnen leicht ihre ganze Umgebung von poetischem Zauber entkleidet. Aber es giebt anch Ausnahmen, wo durch die geschickte Errichtung ruinenhafter Gemäner.eine schöne, durch kein anderes Gebäude mögliche Wirkung hervorgebracht wird. Ein unbedeutender Thurm mit einigem Mauerwerk kann, nicht auf den hohen Berg¬ gipfeln, aber auf den hervortretenden Kronen der Vorberge eine Zierde der ganzen Gebirgslandschaft werden. Wie denn in Gebirgen alle Gebäude eine viel größere Wirkung hervorbringen, deshalb aber auch Mit viel mehr Rücksicht auf schonen . Effect behandelt werden müssen. Aber immer noch sehen wir in Deutschland viele Ruinen der Zerstörung preisgegeben, oder durch neue unpassende Gebäude und störende Umgebung verunstaltet. Besonders sind die in Deutschland nicht sehr häufigen Kirchen und Klosterruinen in der Regel noch nicht von unpassender Umgebung befreit und zur vollen Wirkung ihrer Formen gelangt**). Wie gut hcmnonirt zu der Landschaft das reizende Wirthshaus an dem wilden Ufer der Bode am Fuß der Roßtrappe, eS ist nur aus Moos, Rinde, rohen Steinen und Baum¬ stämmen errichtet. Mau deute sich an diese Stelle ein gewöhnliches modernes Gasthaus, es würde den ganzen Eindruck der wilden Gebirgswelt vernichten. Eben so geschmackvoll ist die Gastwirthschaft auf dem Kyffhäuser in den Gewölben der Burg und die der nahen Rothen- burg in einer Felsenhöhle angebracht. ") Z. B. die prächtigen Klosterruinen von Walkenried im Braunschweigischen Lorderharz unweit Nordhausen. Dagegen ist Panlinzelle am Thüringer Walde mit verständiger Rücksicht behandelt und in das schönste Licht gestellt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/346>, abgerufen am 27.09.2024.