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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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das Leben der ganzen Bevölkerung verschönern und schmücken. Ueber diese
Art von Landesverschöneruug als" mögen einige Bemerkungen folgen.

Der erste Grundsatz, welcher bei dieser Art von Verschönerungen festgehalten
werden muß, ist der, daß das Schöne nur in Verbindung mit dem Nützlichen
erreicht werden kann, daß das Schöne das Nützliche nicht wesentlich beeinträchti¬
gen darf, daß aber fast alles Nützliche auch ohne große Opfer schön gemacht
werde" kann. Die Geldmittel, welche in den kleinen Kreisen des Lebens für die
Verschönerung einer Landschaft und ihrer Theile verwendet werden können, sind
in der Regel gering, ja sie werden zuweilen nur uach einzelnen Thalern zu be¬
rechnen sein; aber auch mit den allerkleinsten Summen kann sehr Erfreuliches
geleistet werden, und wenn Tausende von kleinen Hausbesitzern auf dem Lande
jeder nur wenige Groschen jährlich auf die Verschönerung ihrer nächsten Umgebung
wenden wollen, so vermögen sie doch der ganzen Landschaft, in welcher sie wohnen,
ein erfreuliches Aussehn zu geben.

Ein wesentlicher Theil der Landschaft sind die Wohnungen der Meuschen selbst
nud alle Bauten, durch welche unser Leben in der Natur sichtbar wird. Es
wird also nöthig sein, bei den Wohnungen der Menschen anzufangen. Leider
herrscht gerade in den Formen der menschlichen Wohnung in den meisten Ge¬
genden Deutschlands bei Stadt und Laud eine vollständige Barbarei, und Alles,
was bis jetzt von den Staatsregierungen für die Geschmacksbildung der Bauhand¬
werker und der Beamten, welche Bauten zu beaufsichtigen haben, geschehen ist,
hat sich noch als sehr unzureichend erwiesen. In den meisten großen Städten
fängt es jetzt an besser zu werden. Aber in den kleinen Städten bilden häßliche
kastenartige Vierecke, manchmal mit unförmlich hohen Dächern, mit einer fürchter¬
lichen Regelmäßigkeit der Fenster und Schornsteine die Zeilen der Straße, oft
durch grellen und rohen Farbenanstrich noch häßlicher gemacht. In den Dörfern
des fruchtbaren Flachlandes stehen die Häuser in Gassen zusammengedrängt, rohe
Balken, häßliche Lehmwände und zerbrechliche Thorfahrten beleidigen das Auge.
Oft ist selbst der Obstbaum, als Nachbar des Hauses, noch eine Seltenheit.
Allerdings sind manche Gegenden aufzunehmen. Die Formen des schönen
Schweizerhauses, diese zierliche und solide Holzarchitektur, erscheinen auch in vielen
Berglandschaften des südlichen Deutschlands, in manchen anderen Gebirgsgegenden
sind einfachere, aber doch malerische Formen der Hänser heimisch. Das Dach fällt
breit auf beiden Seiten über die Mauer herab, die Gicbelfroute steht auf die
Straße zu, die Vorderwand ist gebrochen, und der obere Stock überragt den
untern; vielleicht läuft sogar an den Seiten wie beim alten Schweizerhaus eine
hölzerne Galerie um den obern Stock. Auch das alte Baucrhans des sächsischen
Stammes, dieser große, solide, stämmige Ban, ist mit den alten Bäumen auf
seiner Giebelseite ein charakteristischer Schmuck der flachen Landschaft, in welcher
es daliegt wie eine riesige braune Gluckhenne, welche uuter ihren Flügeln eine


das Leben der ganzen Bevölkerung verschönern und schmücken. Ueber diese
Art von Landesverschöneruug als» mögen einige Bemerkungen folgen.

Der erste Grundsatz, welcher bei dieser Art von Verschönerungen festgehalten
werden muß, ist der, daß das Schöne nur in Verbindung mit dem Nützlichen
erreicht werden kann, daß das Schöne das Nützliche nicht wesentlich beeinträchti¬
gen darf, daß aber fast alles Nützliche auch ohne große Opfer schön gemacht
werde» kann. Die Geldmittel, welche in den kleinen Kreisen des Lebens für die
Verschönerung einer Landschaft und ihrer Theile verwendet werden können, sind
in der Regel gering, ja sie werden zuweilen nur uach einzelnen Thalern zu be¬
rechnen sein; aber auch mit den allerkleinsten Summen kann sehr Erfreuliches
geleistet werden, und wenn Tausende von kleinen Hausbesitzern auf dem Lande
jeder nur wenige Groschen jährlich auf die Verschönerung ihrer nächsten Umgebung
wenden wollen, so vermögen sie doch der ganzen Landschaft, in welcher sie wohnen,
ein erfreuliches Aussehn zu geben.

Ein wesentlicher Theil der Landschaft sind die Wohnungen der Meuschen selbst
nud alle Bauten, durch welche unser Leben in der Natur sichtbar wird. Es
wird also nöthig sein, bei den Wohnungen der Menschen anzufangen. Leider
herrscht gerade in den Formen der menschlichen Wohnung in den meisten Ge¬
genden Deutschlands bei Stadt und Laud eine vollständige Barbarei, und Alles,
was bis jetzt von den Staatsregierungen für die Geschmacksbildung der Bauhand¬
werker und der Beamten, welche Bauten zu beaufsichtigen haben, geschehen ist,
hat sich noch als sehr unzureichend erwiesen. In den meisten großen Städten
fängt es jetzt an besser zu werden. Aber in den kleinen Städten bilden häßliche
kastenartige Vierecke, manchmal mit unförmlich hohen Dächern, mit einer fürchter¬
lichen Regelmäßigkeit der Fenster und Schornsteine die Zeilen der Straße, oft
durch grellen und rohen Farbenanstrich noch häßlicher gemacht. In den Dörfern
des fruchtbaren Flachlandes stehen die Häuser in Gassen zusammengedrängt, rohe
Balken, häßliche Lehmwände und zerbrechliche Thorfahrten beleidigen das Auge.
Oft ist selbst der Obstbaum, als Nachbar des Hauses, noch eine Seltenheit.
Allerdings sind manche Gegenden aufzunehmen. Die Formen des schönen
Schweizerhauses, diese zierliche und solide Holzarchitektur, erscheinen auch in vielen
Berglandschaften des südlichen Deutschlands, in manchen anderen Gebirgsgegenden
sind einfachere, aber doch malerische Formen der Hänser heimisch. Das Dach fällt
breit auf beiden Seiten über die Mauer herab, die Gicbelfroute steht auf die
Straße zu, die Vorderwand ist gebrochen, und der obere Stock überragt den
untern; vielleicht läuft sogar an den Seiten wie beim alten Schweizerhaus eine
hölzerne Galerie um den obern Stock. Auch das alte Baucrhans des sächsischen
Stammes, dieser große, solide, stämmige Ban, ist mit den alten Bäumen auf
seiner Giebelseite ein charakteristischer Schmuck der flachen Landschaft, in welcher
es daliegt wie eine riesige braune Gluckhenne, welche uuter ihren Flügeln eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/343>, abgerufen am 27.09.2024.