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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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talus. Von demselben kriegerischen Geiste und nationalen Eifer wie das Heer
ist auch die Flotte Sardiniens ergrissen.

Eine weitere Bedeutung bei einem Kampfe Frankreichs gegen Oestreich
gewinnt die sardinische Armee noch dadurch, daß sie den Stamm abgeben wird,
um den sich andere italienische Heerestheile, versammeln werden. Der Widerwille
sämmtlicher Italiener gegen die jetzt auf dieser Halbinsel herrschende östreichische
Suprematie ist so groß, daß es den Staaten, die sich derselben am meisten
unterworfen haben, Toscana, Modena und dem Kirchenstaat, bei den eifrigsten
Anstrengungen noch immer nicht gelingen will, nur einige Bataillone irgendwie
zuverlässiger Truppen aus Landeseingebornen zu bilden. Es braucht nur ein
Corps von 20,000 Franzosen in Italien einzurücken, um die leicht zu erhitzende
Phantasie der Italiener dnrch einige feurige Proclamationen zu erregen, und Schaaren
von Römern, Modenesen, Toscanern, abgesehen von den Lombarden, werden den
Reihen der sardinischen Armee zusteuern, und dieselben um manche tausend Maun
verstärken. Auch Neapels Heer, das ans Befehl des jetzigen Königs den östrei¬
chischen Truppen als Bundesgenossen dienen mußte, dürfte denselben wenig
Nutzen bringen. Es sollen auch nnter den neapolitanischen Truppen arge national-
italienische Gesinnungen herrschen; dazu sind die Erinnerungen an König Murat's
Herrschaft noch nicht ganz verschwunden, und wie in der Vergangenheit Alles in
glänzenderen Licht als in der Gegenwart erscheint, so soll das Volk und das
Heer Neapels jetzt häufig und gern an jene Zeiten zurückdenken; französische
Officiere von den Occupationstruppen in Rom sollen ans einer Reise in Neapel
allgemein mit so lebhaftem Interesse aufgenommen worden sein, daß man Aller¬
höchsten Orts nichts weniger wie, zufrieden darüber gewesen ist. Uebrigens
kann der König von Neapel im Fall eines Kriegs Frankreichs gegen Oestreich
letzterer Macht ein nur geringes Truppencorps zur Hilfe senden, denn die Gäh-
rung, besonders auf Sicilien, soll noch so bedenklich sein, daß nur eine starke
Militärmacht von fremden, angeworbenen Truppen dieselben für den Augenblick
zu unterdrücken vermag. Kein Soldat wird diese Vortheile der Position Sar¬
diniens überschätzen. Italienische- Recruten und Neapolitanische Ueberläufer sind
eine Hilfe von zweifelhaftem Werth, aber ganz außer Rechnung darf man sie doch
nicht, am wenigsten von östreichischer Seite, lassen.

Dies sind im Wesentlichen die Zustände des sardinischen Heeres, des besten,
welches Italien besitzt. ^Nan steht, es ist noch immer, trotz der zweijährigen
Niederlagen, ein nicht zu verachtender Feind. Nur die Zustände, wie sie sind,
habe ich hier gegeben, weder zu ihrem Lobe, noch Tadel das Mindeste selbst hinzu¬
gefügt. Daß man dieselben aber sowol in Paris, wie in Wien genau kennt, ist
entschieden. Zahlreiche Beobachter aus beiden Hauptstädten sind im Königreiche
Sardinien gegenwärtig und versäumen nicht, ihre Erfahrungen einzusenden.
So lange Frankreichs Heer nicht das Signal zum Kriege giebt, ist dieser italie-


talus. Von demselben kriegerischen Geiste und nationalen Eifer wie das Heer
ist auch die Flotte Sardiniens ergrissen.

Eine weitere Bedeutung bei einem Kampfe Frankreichs gegen Oestreich
gewinnt die sardinische Armee noch dadurch, daß sie den Stamm abgeben wird,
um den sich andere italienische Heerestheile, versammeln werden. Der Widerwille
sämmtlicher Italiener gegen die jetzt auf dieser Halbinsel herrschende östreichische
Suprematie ist so groß, daß es den Staaten, die sich derselben am meisten
unterworfen haben, Toscana, Modena und dem Kirchenstaat, bei den eifrigsten
Anstrengungen noch immer nicht gelingen will, nur einige Bataillone irgendwie
zuverlässiger Truppen aus Landeseingebornen zu bilden. Es braucht nur ein
Corps von 20,000 Franzosen in Italien einzurücken, um die leicht zu erhitzende
Phantasie der Italiener dnrch einige feurige Proclamationen zu erregen, und Schaaren
von Römern, Modenesen, Toscanern, abgesehen von den Lombarden, werden den
Reihen der sardinischen Armee zusteuern, und dieselben um manche tausend Maun
verstärken. Auch Neapels Heer, das ans Befehl des jetzigen Königs den östrei¬
chischen Truppen als Bundesgenossen dienen mußte, dürfte denselben wenig
Nutzen bringen. Es sollen auch nnter den neapolitanischen Truppen arge national-
italienische Gesinnungen herrschen; dazu sind die Erinnerungen an König Murat's
Herrschaft noch nicht ganz verschwunden, und wie in der Vergangenheit Alles in
glänzenderen Licht als in der Gegenwart erscheint, so soll das Volk und das
Heer Neapels jetzt häufig und gern an jene Zeiten zurückdenken; französische
Officiere von den Occupationstruppen in Rom sollen ans einer Reise in Neapel
allgemein mit so lebhaftem Interesse aufgenommen worden sein, daß man Aller¬
höchsten Orts nichts weniger wie, zufrieden darüber gewesen ist. Uebrigens
kann der König von Neapel im Fall eines Kriegs Frankreichs gegen Oestreich
letzterer Macht ein nur geringes Truppencorps zur Hilfe senden, denn die Gäh-
rung, besonders auf Sicilien, soll noch so bedenklich sein, daß nur eine starke
Militärmacht von fremden, angeworbenen Truppen dieselben für den Augenblick
zu unterdrücken vermag. Kein Soldat wird diese Vortheile der Position Sar¬
diniens überschätzen. Italienische- Recruten und Neapolitanische Ueberläufer sind
eine Hilfe von zweifelhaftem Werth, aber ganz außer Rechnung darf man sie doch
nicht, am wenigsten von östreichischer Seite, lassen.

Dies sind im Wesentlichen die Zustände des sardinischen Heeres, des besten,
welches Italien besitzt. ^Nan steht, es ist noch immer, trotz der zweijährigen
Niederlagen, ein nicht zu verachtender Feind. Nur die Zustände, wie sie sind,
habe ich hier gegeben, weder zu ihrem Lobe, noch Tadel das Mindeste selbst hinzu¬
gefügt. Daß man dieselben aber sowol in Paris, wie in Wien genau kennt, ist
entschieden. Zahlreiche Beobachter aus beiden Hauptstädten sind im Königreiche
Sardinien gegenwärtig und versäumen nicht, ihre Erfahrungen einzusenden.
So lange Frankreichs Heer nicht das Signal zum Kriege giebt, ist dieser italie-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/340>, abgerufen am 27.09.2024.