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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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gegen Oestreich ausrücken müßte, bildet die zahlreiche Nationalgarde Sardiniens.
Ich gehöre nicht zu den Bewunderern von Nationalgarten und ähnlichen In¬
stituten, und glaube, daß mau mit denselben schwerlich jemals Feldschlachten
gewinnen wird.' Wo aber eine solche nationale' Begeisterung und zugleich ein
solch tieser nationaler Haß herrscht, wie durchweg bei allen Ständen in Sardinien,
da bildet eine gut organisirte Nationalgar'de eine Reserve des Heeres, die den
nothwendigen Dienst im Innern des Landes vollkommen tüchtig versteht. Das
ganze sardinische Heer kann bis ans den letzten Mann in's Feld rücken, das
k. k. östreichische muß in jedem größern Orte, und besonders in jeder Festung der
italienischen Provinzen, bedeutende Garnisonen zurücklassen, um sich zu sichern.
Dies ist kein geringer Nachtheil. Auch als Besatzung der Festungen und zur
Vertheidigung derselben im Fall einer Belagerung wird die sardinische National-
garde die besten Dienste leisten, die Disciplin derselben ist nicht schlecht, denn
auch ihr haben die Jahre 1848 und 18i9 die blutige Lehre gegeben, daß eine
bewaffnete Truppe ohne Disciplin keinem Lande und keiner Sache auch uur den
mindesten Nutzen leisten wird.

Von nicht geringer Bedeutung ist bei einem Kampfe auch die Flotte Sar¬
diniens. Dieselbe hat, große wie kleine Schiffe zusammengerechnet, ungefähr
SSO Kanonen am Bord, und in Kriegszeiten ungefähr 3300 Mann zur Bemannung,
die Matrosen derselben sind größtentheils Genuesen, die besten Seeleute, welche
Italien besitzt. Sehr unterrichtete und praktisch und theoretisch ausgebildete
Mäuner soll man unter den sardinischen Seeofstcieren finden, wie mir ein eng¬
lischer Marine-Officier, dem wohl ein Urtheil hierüber zustand, wiederholt ver¬
sicherte. In den Jahren -I8t8 und i.1849 war die sardinische Flotte der öst¬
reichischen weit überlegen, und vermochte Trieft zu bloquiren, ohne daß uur ein
k. k. Kriegsschiff dagegen zu kämpfen wagte. Seit jener Zeit hat Oestreich für
seine Flotte sehr viel gethan, und weder Geld noch Kosten gescheut, dieselbe zu
vermehren und zu verbessern. Wie weit ihm dies gelungen ist, vermag ich selbst
nicht genau zu beurtheilen, mein Gewährsmann hatte aber keinen hohen Begriff
von den Kriegsschissen der Adria. Er behauptete, die Schiffsmannschaft sei von
lässigen, widerspänstigen Geiste beseelt, da sie größteutheils aus Italienern bestände,
die nur gezwungen dienten, und wenig Vertrauen zu den deutschen und slavische"
Officieren zeugten, die man ihnen in den letzten Jahren statt der vielfach compromit-
tirten Italiener gegeben habe. Auch seien unter den östreichischen Seeofstcieren viele,
die früher im Landheere gedient hätten, gar keine Erfahrung vom Seedienst be¬
säßen, und noch keine weiteren Fahrten wie von Venedig nach Trieft oder nach
Pola ans dem Meere gemacht hätten. Trotzdem, daß die k. k. Flotte der sardi¬
nischen jetzt an Schiffen überlegen sei, und besonders bessere und neuere Dampfer
besäße, behauptete er doch, daß letztere vollkommen dem Kampfe mit ersterer
gewachsen sein würde. So das Urtheil meines ruhigen, leidenschaftslosen Capi-


Grenzbolen. IV. >1862, i2

gegen Oestreich ausrücken müßte, bildet die zahlreiche Nationalgarde Sardiniens.
Ich gehöre nicht zu den Bewunderern von Nationalgarten und ähnlichen In¬
stituten, und glaube, daß mau mit denselben schwerlich jemals Feldschlachten
gewinnen wird.' Wo aber eine solche nationale' Begeisterung und zugleich ein
solch tieser nationaler Haß herrscht, wie durchweg bei allen Ständen in Sardinien,
da bildet eine gut organisirte Nationalgar'de eine Reserve des Heeres, die den
nothwendigen Dienst im Innern des Landes vollkommen tüchtig versteht. Das
ganze sardinische Heer kann bis ans den letzten Mann in's Feld rücken, das
k. k. östreichische muß in jedem größern Orte, und besonders in jeder Festung der
italienischen Provinzen, bedeutende Garnisonen zurücklassen, um sich zu sichern.
Dies ist kein geringer Nachtheil. Auch als Besatzung der Festungen und zur
Vertheidigung derselben im Fall einer Belagerung wird die sardinische National-
garde die besten Dienste leisten, die Disciplin derselben ist nicht schlecht, denn
auch ihr haben die Jahre 1848 und 18i9 die blutige Lehre gegeben, daß eine
bewaffnete Truppe ohne Disciplin keinem Lande und keiner Sache auch uur den
mindesten Nutzen leisten wird.

Von nicht geringer Bedeutung ist bei einem Kampfe auch die Flotte Sar¬
diniens. Dieselbe hat, große wie kleine Schiffe zusammengerechnet, ungefähr
SSO Kanonen am Bord, und in Kriegszeiten ungefähr 3300 Mann zur Bemannung,
die Matrosen derselben sind größtentheils Genuesen, die besten Seeleute, welche
Italien besitzt. Sehr unterrichtete und praktisch und theoretisch ausgebildete
Mäuner soll man unter den sardinischen Seeofstcieren finden, wie mir ein eng¬
lischer Marine-Officier, dem wohl ein Urtheil hierüber zustand, wiederholt ver¬
sicherte. In den Jahren -I8t8 und i.1849 war die sardinische Flotte der öst¬
reichischen weit überlegen, und vermochte Trieft zu bloquiren, ohne daß uur ein
k. k. Kriegsschiff dagegen zu kämpfen wagte. Seit jener Zeit hat Oestreich für
seine Flotte sehr viel gethan, und weder Geld noch Kosten gescheut, dieselbe zu
vermehren und zu verbessern. Wie weit ihm dies gelungen ist, vermag ich selbst
nicht genau zu beurtheilen, mein Gewährsmann hatte aber keinen hohen Begriff
von den Kriegsschissen der Adria. Er behauptete, die Schiffsmannschaft sei von
lässigen, widerspänstigen Geiste beseelt, da sie größteutheils aus Italienern bestände,
die nur gezwungen dienten, und wenig Vertrauen zu den deutschen und slavische»
Officieren zeugten, die man ihnen in den letzten Jahren statt der vielfach compromit-
tirten Italiener gegeben habe. Auch seien unter den östreichischen Seeofstcieren viele,
die früher im Landheere gedient hätten, gar keine Erfahrung vom Seedienst be¬
säßen, und noch keine weiteren Fahrten wie von Venedig nach Trieft oder nach
Pola ans dem Meere gemacht hätten. Trotzdem, daß die k. k. Flotte der sardi¬
nischen jetzt an Schiffen überlegen sei, und besonders bessere und neuere Dampfer
besäße, behauptete er doch, daß letztere vollkommen dem Kampfe mit ersterer
gewachsen sein würde. So das Urtheil meines ruhigen, leidenschaftslosen Capi-


Grenzbolen. IV. >1862, i2
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[0339] gegen Oestreich ausrücken müßte, bildet die zahlreiche Nationalgarde Sardiniens. Ich gehöre nicht zu den Bewunderern von Nationalgarten und ähnlichen In¬ stituten, und glaube, daß mau mit denselben schwerlich jemals Feldschlachten gewinnen wird.' Wo aber eine solche nationale' Begeisterung und zugleich ein solch tieser nationaler Haß herrscht, wie durchweg bei allen Ständen in Sardinien, da bildet eine gut organisirte Nationalgar'de eine Reserve des Heeres, die den nothwendigen Dienst im Innern des Landes vollkommen tüchtig versteht. Das ganze sardinische Heer kann bis ans den letzten Mann in's Feld rücken, das k. k. östreichische muß in jedem größern Orte, und besonders in jeder Festung der italienischen Provinzen, bedeutende Garnisonen zurücklassen, um sich zu sichern. Dies ist kein geringer Nachtheil. Auch als Besatzung der Festungen und zur Vertheidigung derselben im Fall einer Belagerung wird die sardinische National- garde die besten Dienste leisten, die Disciplin derselben ist nicht schlecht, denn auch ihr haben die Jahre 1848 und 18i9 die blutige Lehre gegeben, daß eine bewaffnete Truppe ohne Disciplin keinem Lande und keiner Sache auch uur den mindesten Nutzen leisten wird. Von nicht geringer Bedeutung ist bei einem Kampfe auch die Flotte Sar¬ diniens. Dieselbe hat, große wie kleine Schiffe zusammengerechnet, ungefähr SSO Kanonen am Bord, und in Kriegszeiten ungefähr 3300 Mann zur Bemannung, die Matrosen derselben sind größtentheils Genuesen, die besten Seeleute, welche Italien besitzt. Sehr unterrichtete und praktisch und theoretisch ausgebildete Mäuner soll man unter den sardinischen Seeofstcieren finden, wie mir ein eng¬ lischer Marine-Officier, dem wohl ein Urtheil hierüber zustand, wiederholt ver¬ sicherte. In den Jahren -I8t8 und i.1849 war die sardinische Flotte der öst¬ reichischen weit überlegen, und vermochte Trieft zu bloquiren, ohne daß uur ein k. k. Kriegsschiff dagegen zu kämpfen wagte. Seit jener Zeit hat Oestreich für seine Flotte sehr viel gethan, und weder Geld noch Kosten gescheut, dieselbe zu vermehren und zu verbessern. Wie weit ihm dies gelungen ist, vermag ich selbst nicht genau zu beurtheilen, mein Gewährsmann hatte aber keinen hohen Begriff von den Kriegsschissen der Adria. Er behauptete, die Schiffsmannschaft sei von lässigen, widerspänstigen Geiste beseelt, da sie größteutheils aus Italienern bestände, die nur gezwungen dienten, und wenig Vertrauen zu den deutschen und slavische» Officieren zeugten, die man ihnen in den letzten Jahren statt der vielfach compromit- tirten Italiener gegeben habe. Auch seien unter den östreichischen Seeofstcieren viele, die früher im Landheere gedient hätten, gar keine Erfahrung vom Seedienst be¬ säßen, und noch keine weiteren Fahrten wie von Venedig nach Trieft oder nach Pola ans dem Meere gemacht hätten. Trotzdem, daß die k. k. Flotte der sardi¬ nischen jetzt an Schiffen überlegen sei, und besonders bessere und neuere Dampfer besäße, behauptete er doch, daß letztere vollkommen dem Kampfe mit ersterer gewachsen sein würde. So das Urtheil meines ruhigen, leidenschaftslosen Capi- Grenzbolen. IV. >1862, i2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/339>, abgerufen am 27.09.2024.