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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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mair jetzt sehr häusig in den sardinischen Garnisonsorten, wo sie mit ihren dor¬
tigen Kameraden, in dem freundlichsten Verkehr leben und sich sehr angelegen
sein lassen, dem militairischen Stolz Letzterer zu schmeicheln, und besonders das
Benehmen des Heeres in den letzten Kämpfen gegen Oestreich zu rühmen. "Auf
gute Waffenbrüderschaft im Kriege;" "auf Wiederkehr der Tage von Marengo,
Austerlitz und Wagram, wo die Italiener und Franzosen zusammen kämpften,"
solche und ähnliche Trinksprüche, nicht ohne Bedeutung, werden häusig aus¬
gebracht. Auch an französischen Orden und anderen Auszeichnungen fehlt es nicht,
und wenn höhere sardinische Officiere nach Frankreich kommen, werden sie überall außer¬
ordentlich ehrenvoll aufgenommen. Haben doch schon förmliche gegenseitige Muste¬
rungen stattgefunden, und ein französischer Divisions-General inspicirte noch in
diesem Herbst die militairischen Kräfte Sardiniens mit großer Genauigkeit, wie
auch wieder dem sardinischen General Marmora zu Ehren in Frankreich Regi¬
menter ausrücken mußten.

Daß man von östreichischer Seite diese Hinneigung Sardiniens zu Frankreich
mir nicht geringem Mißtrauen sieht, ist natürlich. Man möchte dieselbe zu
hintertreiben suchen, vermag aber kein wirksames Mittel zu ergreifen. Ist doch
auch die französische Diplomatie jetzt so beliebt am sardinischen Hofe, daß überall
französische Gesandten die sardinischen an den Orten, wo diese fehlen, ersetzen
müssen. Vor dem Jahre 1848 geschah dies größtentheils durch die östreichischen
Gesandtschaften. Daß übrigens der Zuwachs, den Frankreichs Macht, bei einem
etwaigen Kriege mit dem Osten, an dem sardinischen Heere erhält, kein geringer
wäre, leuchtet wohl ein. Die Linieninfanterie Sardiniens ist in sehr gutem, voll¬
kommen schlagfertigen Zustande. Ganz vortrefflich sind die sogenannten Ker-
saKUeri (Bergschützcn), von denen jetzt jede Infanterie-Brigade ein Bataillon
besitzt. Großentheils aus den gewandtesten Söhnen der Hochgebirge Savoyens
zusammengesetzt, und auf sehr leichte und zweckmäßige Weise bewaffnet und
uuiformirt, siud diese Ler^Alwri, eine Truppe, die es vollkommen mit den tyro-
lerischen und steirischen Jägern Oestreichs aufnehmen kauu.

Ganz vortrefflich sowol in Ausstattung an Rossen und Geschützen, wie auch
an praktischer Ausbildung der Mannschaft und geistiger Befähigung der Officiere,
ist die Artillerie, die man der französischen gleichstellen kann.

Nicht so viel Gelegenheit, sich auszuzeichnen, ward der Reiterei. Italien
mit seinem oft sehr coupirten Terrain bietet selten der Reiterei ein günstiges
Feld für massenhaftes Auftreten, und selbst die weiten Ebenen der Lombardei
find in Folge ihres sorgfältigen Anbaues zu sehr mit Wassergräben durchschnitten,
oder oft auch mit Bäumen und Hecken besetzt, als daß viele große Cavallerie-
Augriffe auf ihnen geschehen konnten. So hat in den letzten Kriegen die Ka¬
vallerie auf beiden Seiten verhältnißmäßig am wenigsten gethan, und in bedeu¬
tenderen Gefechten nie den Ausschlag gegeben. Dieses Gefühl, einen geringern


mair jetzt sehr häusig in den sardinischen Garnisonsorten, wo sie mit ihren dor¬
tigen Kameraden, in dem freundlichsten Verkehr leben und sich sehr angelegen
sein lassen, dem militairischen Stolz Letzterer zu schmeicheln, und besonders das
Benehmen des Heeres in den letzten Kämpfen gegen Oestreich zu rühmen. „Auf
gute Waffenbrüderschaft im Kriege;" „auf Wiederkehr der Tage von Marengo,
Austerlitz und Wagram, wo die Italiener und Franzosen zusammen kämpften,"
solche und ähnliche Trinksprüche, nicht ohne Bedeutung, werden häusig aus¬
gebracht. Auch an französischen Orden und anderen Auszeichnungen fehlt es nicht,
und wenn höhere sardinische Officiere nach Frankreich kommen, werden sie überall außer¬
ordentlich ehrenvoll aufgenommen. Haben doch schon förmliche gegenseitige Muste¬
rungen stattgefunden, und ein französischer Divisions-General inspicirte noch in
diesem Herbst die militairischen Kräfte Sardiniens mit großer Genauigkeit, wie
auch wieder dem sardinischen General Marmora zu Ehren in Frankreich Regi¬
menter ausrücken mußten.

Daß man von östreichischer Seite diese Hinneigung Sardiniens zu Frankreich
mir nicht geringem Mißtrauen sieht, ist natürlich. Man möchte dieselbe zu
hintertreiben suchen, vermag aber kein wirksames Mittel zu ergreifen. Ist doch
auch die französische Diplomatie jetzt so beliebt am sardinischen Hofe, daß überall
französische Gesandten die sardinischen an den Orten, wo diese fehlen, ersetzen
müssen. Vor dem Jahre 1848 geschah dies größtentheils durch die östreichischen
Gesandtschaften. Daß übrigens der Zuwachs, den Frankreichs Macht, bei einem
etwaigen Kriege mit dem Osten, an dem sardinischen Heere erhält, kein geringer
wäre, leuchtet wohl ein. Die Linieninfanterie Sardiniens ist in sehr gutem, voll¬
kommen schlagfertigen Zustande. Ganz vortrefflich sind die sogenannten Ker-
saKUeri (Bergschützcn), von denen jetzt jede Infanterie-Brigade ein Bataillon
besitzt. Großentheils aus den gewandtesten Söhnen der Hochgebirge Savoyens
zusammengesetzt, und auf sehr leichte und zweckmäßige Weise bewaffnet und
uuiformirt, siud diese Ler^Alwri, eine Truppe, die es vollkommen mit den tyro-
lerischen und steirischen Jägern Oestreichs aufnehmen kauu.

Ganz vortrefflich sowol in Ausstattung an Rossen und Geschützen, wie auch
an praktischer Ausbildung der Mannschaft und geistiger Befähigung der Officiere,
ist die Artillerie, die man der französischen gleichstellen kann.

Nicht so viel Gelegenheit, sich auszuzeichnen, ward der Reiterei. Italien
mit seinem oft sehr coupirten Terrain bietet selten der Reiterei ein günstiges
Feld für massenhaftes Auftreten, und selbst die weiten Ebenen der Lombardei
find in Folge ihres sorgfältigen Anbaues zu sehr mit Wassergräben durchschnitten,
oder oft auch mit Bäumen und Hecken besetzt, als daß viele große Cavallerie-
Augriffe auf ihnen geschehen konnten. So hat in den letzten Kriegen die Ka¬
vallerie auf beiden Seiten verhältnißmäßig am wenigsten gethan, und in bedeu¬
tenderen Gefechten nie den Ausschlag gegeben. Dieses Gefühl, einen geringern


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[0337] mair jetzt sehr häusig in den sardinischen Garnisonsorten, wo sie mit ihren dor¬ tigen Kameraden, in dem freundlichsten Verkehr leben und sich sehr angelegen sein lassen, dem militairischen Stolz Letzterer zu schmeicheln, und besonders das Benehmen des Heeres in den letzten Kämpfen gegen Oestreich zu rühmen. „Auf gute Waffenbrüderschaft im Kriege;" „auf Wiederkehr der Tage von Marengo, Austerlitz und Wagram, wo die Italiener und Franzosen zusammen kämpften," solche und ähnliche Trinksprüche, nicht ohne Bedeutung, werden häusig aus¬ gebracht. Auch an französischen Orden und anderen Auszeichnungen fehlt es nicht, und wenn höhere sardinische Officiere nach Frankreich kommen, werden sie überall außer¬ ordentlich ehrenvoll aufgenommen. Haben doch schon förmliche gegenseitige Muste¬ rungen stattgefunden, und ein französischer Divisions-General inspicirte noch in diesem Herbst die militairischen Kräfte Sardiniens mit großer Genauigkeit, wie auch wieder dem sardinischen General Marmora zu Ehren in Frankreich Regi¬ menter ausrücken mußten. Daß man von östreichischer Seite diese Hinneigung Sardiniens zu Frankreich mir nicht geringem Mißtrauen sieht, ist natürlich. Man möchte dieselbe zu hintertreiben suchen, vermag aber kein wirksames Mittel zu ergreifen. Ist doch auch die französische Diplomatie jetzt so beliebt am sardinischen Hofe, daß überall französische Gesandten die sardinischen an den Orten, wo diese fehlen, ersetzen müssen. Vor dem Jahre 1848 geschah dies größtentheils durch die östreichischen Gesandtschaften. Daß übrigens der Zuwachs, den Frankreichs Macht, bei einem etwaigen Kriege mit dem Osten, an dem sardinischen Heere erhält, kein geringer wäre, leuchtet wohl ein. Die Linieninfanterie Sardiniens ist in sehr gutem, voll¬ kommen schlagfertigen Zustande. Ganz vortrefflich sind die sogenannten Ker- saKUeri (Bergschützcn), von denen jetzt jede Infanterie-Brigade ein Bataillon besitzt. Großentheils aus den gewandtesten Söhnen der Hochgebirge Savoyens zusammengesetzt, und auf sehr leichte und zweckmäßige Weise bewaffnet und uuiformirt, siud diese Ler^Alwri, eine Truppe, die es vollkommen mit den tyro- lerischen und steirischen Jägern Oestreichs aufnehmen kauu. Ganz vortrefflich sowol in Ausstattung an Rossen und Geschützen, wie auch an praktischer Ausbildung der Mannschaft und geistiger Befähigung der Officiere, ist die Artillerie, die man der französischen gleichstellen kann. Nicht so viel Gelegenheit, sich auszuzeichnen, ward der Reiterei. Italien mit seinem oft sehr coupirten Terrain bietet selten der Reiterei ein günstiges Feld für massenhaftes Auftreten, und selbst die weiten Ebenen der Lombardei find in Folge ihres sorgfältigen Anbaues zu sehr mit Wassergräben durchschnitten, oder oft auch mit Bäumen und Hecken besetzt, als daß viele große Cavallerie- Augriffe auf ihnen geschehen konnten. So hat in den letzten Kriegen die Ka¬ vallerie auf beiden Seiten verhältnißmäßig am wenigsten gethan, und in bedeu¬ tenderen Gefechten nie den Ausschlag gegeben. Dieses Gefühl, einen geringern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/337>, abgerufen am 27.09.2024.