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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Bärten und klappernden Säbeln." Dies ist der Refrain aller Betrachtungen über
die letzten Kriege, welche sardinische Officiere anstellten. Sie verachten jetzt ein
wenig die Begeisterung des Volks. Dasselbe Volk von Mailand, das im Anfang
des Krieges von 1848 die sardinischen Truppen mit übcvschwäuglicher Begeisterung
aufnahm, verschloß denselben später bei ihrem nothgedruugeueu Rückzüge die Thore, ,
verweigerte ihnen fast die Lebensmittel, höhnte den nach der muthigsten Gegen¬
wehr, in der er sich selbst wiederholt der größten Todesgefahr ausgesetzt hatte, besieg¬
ten König Karl Albert. Dieser Eindruck ist im sardinischen Heere nicht verloren
gegangen, und hat dasselbe mit Recht mißtrauisch auf die Hilfe gemacht, die das
patriotische Italien ihnen leisten würde.

Benutzen wird man freilich bei einem möglichen Kriege gegen den Kaiser¬
staat gewiß den allgemeinen tiefen Haß des italienischen Volkes. Aber man sieht
sich nach einem festern und sichern Bundesgenossen um, und diesen glaubt man
jetzt in Frankreich und zwar in dem Heere desselben gefunden zu haben. Es ist
unverkennbar, daß im sardinischen Heere jetzt eine große Zuneigung zu dem
französischen herrscht, die, erst in den letzten Jahren entstanden, immer noch im
Zunehmen begriffen ist. Man glaubt, daß die Franzosen die mächtigsten und
sichersten Bundesgenossen der Sardinier in dem Kampfe gegen die östreichischen
Heerestheile sein werden, und würde sehr gern vereint mit ihnen in den Krieg gehen.
Daß Louis Napoleon als Kaiser der Franzosen, über kurz oder lang, einen Kampf
mit den östlichen Mächten beginnen müsse, ist die allseitige Ansicht in der sardi¬
nischen Armee. In diesem Fall wünscht man die Avantgarde der Franzosen in
Italien zu sein, und hofft, daß Frankreich die nicht geringe Unterstützung, die ihm
dadurch wird, wohl zu würdigen verstehe. Der Italiener hat überhaupt vielfache
Aehnlichkeit mit dem Franzosen und wird sich stets noch am meisten zu diesem
Nachbar hingezogen fühlen. In der Lombardei kann man dies noch deutlich ver¬
spüren. Dieselbe ist wahrlich vom Kaiser Napoleon nicht glimpflich behandelt
worden, und hat große Opfer an Geld wie Menschen für die Kriege desselben
hingeben müssen. Trotzdem steht die Zeit der Napoleonischen Herrschaft uoch
bei dem ganzen Volke im besten Andenken, und wird sehnlichst zurückgewünscht.
Oestreichs Regierung hingegen hat seine italienischen Provinzen in materieller Hinsicht
bevorzugt und ungemein viel für Handel, Industrie und Ackerbau derselben ge¬
than, und doch sind 80,000 Maun Truppen nothwendig, die kaiserlichen Doppel¬
adler daselbst zu schützen. Hätten jetzt die lombardisch-venetianischen Provinzen
wieder Aussicht, einem italienischen Vice-Königthum unter Frankreichs Schutz
anzugehören, ich bin überzeugt, mit allgemeinem Jubel würden sie diese Nachricht
begrüßen.

Ans jede Weise suchen Franzosen und Sardinier das Bündniß zu befestigen,
besonders Louis Napoleon läßt in kluger Berechnung der Vortheile, die ihm da¬
durch erwachsen, kein Mittel ungebraucht. Französische Officiere aller Grade steht


Bärten und klappernden Säbeln." Dies ist der Refrain aller Betrachtungen über
die letzten Kriege, welche sardinische Officiere anstellten. Sie verachten jetzt ein
wenig die Begeisterung des Volks. Dasselbe Volk von Mailand, das im Anfang
des Krieges von 1848 die sardinischen Truppen mit übcvschwäuglicher Begeisterung
aufnahm, verschloß denselben später bei ihrem nothgedruugeueu Rückzüge die Thore, ,
verweigerte ihnen fast die Lebensmittel, höhnte den nach der muthigsten Gegen¬
wehr, in der er sich selbst wiederholt der größten Todesgefahr ausgesetzt hatte, besieg¬
ten König Karl Albert. Dieser Eindruck ist im sardinischen Heere nicht verloren
gegangen, und hat dasselbe mit Recht mißtrauisch auf die Hilfe gemacht, die das
patriotische Italien ihnen leisten würde.

Benutzen wird man freilich bei einem möglichen Kriege gegen den Kaiser¬
staat gewiß den allgemeinen tiefen Haß des italienischen Volkes. Aber man sieht
sich nach einem festern und sichern Bundesgenossen um, und diesen glaubt man
jetzt in Frankreich und zwar in dem Heere desselben gefunden zu haben. Es ist
unverkennbar, daß im sardinischen Heere jetzt eine große Zuneigung zu dem
französischen herrscht, die, erst in den letzten Jahren entstanden, immer noch im
Zunehmen begriffen ist. Man glaubt, daß die Franzosen die mächtigsten und
sichersten Bundesgenossen der Sardinier in dem Kampfe gegen die östreichischen
Heerestheile sein werden, und würde sehr gern vereint mit ihnen in den Krieg gehen.
Daß Louis Napoleon als Kaiser der Franzosen, über kurz oder lang, einen Kampf
mit den östlichen Mächten beginnen müsse, ist die allseitige Ansicht in der sardi¬
nischen Armee. In diesem Fall wünscht man die Avantgarde der Franzosen in
Italien zu sein, und hofft, daß Frankreich die nicht geringe Unterstützung, die ihm
dadurch wird, wohl zu würdigen verstehe. Der Italiener hat überhaupt vielfache
Aehnlichkeit mit dem Franzosen und wird sich stets noch am meisten zu diesem
Nachbar hingezogen fühlen. In der Lombardei kann man dies noch deutlich ver¬
spüren. Dieselbe ist wahrlich vom Kaiser Napoleon nicht glimpflich behandelt
worden, und hat große Opfer an Geld wie Menschen für die Kriege desselben
hingeben müssen. Trotzdem steht die Zeit der Napoleonischen Herrschaft uoch
bei dem ganzen Volke im besten Andenken, und wird sehnlichst zurückgewünscht.
Oestreichs Regierung hingegen hat seine italienischen Provinzen in materieller Hinsicht
bevorzugt und ungemein viel für Handel, Industrie und Ackerbau derselben ge¬
than, und doch sind 80,000 Maun Truppen nothwendig, die kaiserlichen Doppel¬
adler daselbst zu schützen. Hätten jetzt die lombardisch-venetianischen Provinzen
wieder Aussicht, einem italienischen Vice-Königthum unter Frankreichs Schutz
anzugehören, ich bin überzeugt, mit allgemeinem Jubel würden sie diese Nachricht
begrüßen.

Ans jede Weise suchen Franzosen und Sardinier das Bündniß zu befestigen,
besonders Louis Napoleon läßt in kluger Berechnung der Vortheile, die ihm da¬
durch erwachsen, kein Mittel ungebraucht. Französische Officiere aller Grade steht


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[0336] Bärten und klappernden Säbeln." Dies ist der Refrain aller Betrachtungen über die letzten Kriege, welche sardinische Officiere anstellten. Sie verachten jetzt ein wenig die Begeisterung des Volks. Dasselbe Volk von Mailand, das im Anfang des Krieges von 1848 die sardinischen Truppen mit übcvschwäuglicher Begeisterung aufnahm, verschloß denselben später bei ihrem nothgedruugeueu Rückzüge die Thore, , verweigerte ihnen fast die Lebensmittel, höhnte den nach der muthigsten Gegen¬ wehr, in der er sich selbst wiederholt der größten Todesgefahr ausgesetzt hatte, besieg¬ ten König Karl Albert. Dieser Eindruck ist im sardinischen Heere nicht verloren gegangen, und hat dasselbe mit Recht mißtrauisch auf die Hilfe gemacht, die das patriotische Italien ihnen leisten würde. Benutzen wird man freilich bei einem möglichen Kriege gegen den Kaiser¬ staat gewiß den allgemeinen tiefen Haß des italienischen Volkes. Aber man sieht sich nach einem festern und sichern Bundesgenossen um, und diesen glaubt man jetzt in Frankreich und zwar in dem Heere desselben gefunden zu haben. Es ist unverkennbar, daß im sardinischen Heere jetzt eine große Zuneigung zu dem französischen herrscht, die, erst in den letzten Jahren entstanden, immer noch im Zunehmen begriffen ist. Man glaubt, daß die Franzosen die mächtigsten und sichersten Bundesgenossen der Sardinier in dem Kampfe gegen die östreichischen Heerestheile sein werden, und würde sehr gern vereint mit ihnen in den Krieg gehen. Daß Louis Napoleon als Kaiser der Franzosen, über kurz oder lang, einen Kampf mit den östlichen Mächten beginnen müsse, ist die allseitige Ansicht in der sardi¬ nischen Armee. In diesem Fall wünscht man die Avantgarde der Franzosen in Italien zu sein, und hofft, daß Frankreich die nicht geringe Unterstützung, die ihm dadurch wird, wohl zu würdigen verstehe. Der Italiener hat überhaupt vielfache Aehnlichkeit mit dem Franzosen und wird sich stets noch am meisten zu diesem Nachbar hingezogen fühlen. In der Lombardei kann man dies noch deutlich ver¬ spüren. Dieselbe ist wahrlich vom Kaiser Napoleon nicht glimpflich behandelt worden, und hat große Opfer an Geld wie Menschen für die Kriege desselben hingeben müssen. Trotzdem steht die Zeit der Napoleonischen Herrschaft uoch bei dem ganzen Volke im besten Andenken, und wird sehnlichst zurückgewünscht. Oestreichs Regierung hingegen hat seine italienischen Provinzen in materieller Hinsicht bevorzugt und ungemein viel für Handel, Industrie und Ackerbau derselben ge¬ than, und doch sind 80,000 Maun Truppen nothwendig, die kaiserlichen Doppel¬ adler daselbst zu schützen. Hätten jetzt die lombardisch-venetianischen Provinzen wieder Aussicht, einem italienischen Vice-Königthum unter Frankreichs Schutz anzugehören, ich bin überzeugt, mit allgemeinem Jubel würden sie diese Nachricht begrüßen. Ans jede Weise suchen Franzosen und Sardinier das Bündniß zu befestigen, besonders Louis Napoleon läßt in kluger Berechnung der Vortheile, die ihm da¬ durch erwachsen, kein Mittel ungebraucht. Französische Officiere aller Grade steht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/336>, abgerufen am 27.09.2024.