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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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doch nicht die Stimme der ruhigen Besonnenheit. Man hat in den für Sar¬
dinien unglücklichen beiden Feldzügen von 48 und 49 einige sehr bittere Er¬
fahrungen machen müssen, deren Eindruck für die kommenden Zeiten nicht ver¬
loren gegangen ist. Die erste dieser Erfahrungen ist die, daß Sardinien allein
für sich unmöglich einen Kampf mit Oestreich beginnen, und noch viel weniger
auf die Länge aushalten kann; der sardinische Staat zählt an 3 Millionen Ein¬
wohner, und kann bei der größten Anstrengung nur eine Armee von höchstens
33--36,000 Mann Landtruppen in's Feld stellen; der östreichische aber von 38 Mil¬
lionen läßt leicht 300,000 Soldaten marschiren. Dieses große Uebergewicht der
k. k. Armee macht natürlich die Besiegung der sardinischen, wenn diese allein auf
sich angewiesen wäre, ganz unzweifelhaft. Was hälfe es letzterer auch, wenn sie
das östreichische Heer selbst in der blutigsten Feldschlacht völlig geschlagen hätte,
da dieses auch den größten Verlust durch Heranziehung von Reserven schnell wieder
ergänzen kann. Man hat dies in den Feldzügen von 48, besonders aber von
49 deutlich gesehen. Trotz des feurigen Muthes und einer erträglichen Waffen¬
tüchtigkeit, welche schon damals selbst die Feinde rühmend anerkannten, ist die
sardinische Armee jedesmal völlig besiegt worden, weil sie in der Minderzahl und
ohne Reserven kämpfen mußte, welche letzteren die Oestreicher ungeachtet vieler
für sie ungünstigen Verhältnisse immer herbeiziehen konnten. Auch im Jahre 48
war die östreichische Armee stärker wie die regulairen Truppen, d'le ihr gegen¬
über im Felde standen. Ich will hierdurch nicht die unbestreitbaren großen Verdienste
des Marschalls Radetzky, der damals allein die aus einander fallende Monarchie
gerettet hat, verringern. Gerade daß er "es verstand, unter so schwierigen und
hemmenden Verhältnissen doch ein tüchtiges und überlegen starkes Heer zu ver¬
einigen, ist sein und seines Generalstabs größtes Verdienst. Die zweite ernste
Lehre, die man in jenen Jahren erhielt, war die, nicht allzu viel ans Volksbegei¬
sterung, die sich mehr in Worten wie Thaten zeigt, zu bauen, und die Hilfe von
Freischaaren und ähnlichen undisciplinirten Truppen nicht hoch anzuschlagen.
Diese "^roeiati" und Parteigänger haben nach der einstimmigen Versicherung
der sardinischen Officiere ihnen mehr geschadet als genützt. Es war nie mit
Sicherheit auf dieselben zu zählen, und wenn auch nicht immer der Muth fehlte --
bei Vielen soll auch dies der Fall gewesen sein -- so doch stets die nöthige
Disciplin, ohne welche es im Kriege einmal nicht geht. Jeder Anführer einer
solchen Schaar hat lieber auf eigene Faust operirt, wie sich den Befehlen des
Obercommandos gefügt, und die einzelnen Untergebenen sind dem Beispiele ihrer
Führer gefolgt. Ist doch der Italiener' noch ungleich redseliger und aufgelegter
zum Nenommiren und Aufschneiden, als der Deutsche. -- "Ein Paar Ba¬
taillone von unsren LörsaKlic-rc; (Bergschützen) und einige gute schwere Batterien
haben den Oestreichern mehr geschadet, wie alle diese Haufen von Freischaaren
mit ihren rothen wallenden Federn auf den CalabreserHüten, mächtigen


doch nicht die Stimme der ruhigen Besonnenheit. Man hat in den für Sar¬
dinien unglücklichen beiden Feldzügen von 48 und 49 einige sehr bittere Er¬
fahrungen machen müssen, deren Eindruck für die kommenden Zeiten nicht ver¬
loren gegangen ist. Die erste dieser Erfahrungen ist die, daß Sardinien allein
für sich unmöglich einen Kampf mit Oestreich beginnen, und noch viel weniger
auf die Länge aushalten kann; der sardinische Staat zählt an 3 Millionen Ein¬
wohner, und kann bei der größten Anstrengung nur eine Armee von höchstens
33—36,000 Mann Landtruppen in's Feld stellen; der östreichische aber von 38 Mil¬
lionen läßt leicht 300,000 Soldaten marschiren. Dieses große Uebergewicht der
k. k. Armee macht natürlich die Besiegung der sardinischen, wenn diese allein auf
sich angewiesen wäre, ganz unzweifelhaft. Was hälfe es letzterer auch, wenn sie
das östreichische Heer selbst in der blutigsten Feldschlacht völlig geschlagen hätte,
da dieses auch den größten Verlust durch Heranziehung von Reserven schnell wieder
ergänzen kann. Man hat dies in den Feldzügen von 48, besonders aber von
49 deutlich gesehen. Trotz des feurigen Muthes und einer erträglichen Waffen¬
tüchtigkeit, welche schon damals selbst die Feinde rühmend anerkannten, ist die
sardinische Armee jedesmal völlig besiegt worden, weil sie in der Minderzahl und
ohne Reserven kämpfen mußte, welche letzteren die Oestreicher ungeachtet vieler
für sie ungünstigen Verhältnisse immer herbeiziehen konnten. Auch im Jahre 48
war die östreichische Armee stärker wie die regulairen Truppen, d'le ihr gegen¬
über im Felde standen. Ich will hierdurch nicht die unbestreitbaren großen Verdienste
des Marschalls Radetzky, der damals allein die aus einander fallende Monarchie
gerettet hat, verringern. Gerade daß er "es verstand, unter so schwierigen und
hemmenden Verhältnissen doch ein tüchtiges und überlegen starkes Heer zu ver¬
einigen, ist sein und seines Generalstabs größtes Verdienst. Die zweite ernste
Lehre, die man in jenen Jahren erhielt, war die, nicht allzu viel ans Volksbegei¬
sterung, die sich mehr in Worten wie Thaten zeigt, zu bauen, und die Hilfe von
Freischaaren und ähnlichen undisciplinirten Truppen nicht hoch anzuschlagen.
Diese „^roeiati" und Parteigänger haben nach der einstimmigen Versicherung
der sardinischen Officiere ihnen mehr geschadet als genützt. Es war nie mit
Sicherheit auf dieselben zu zählen, und wenn auch nicht immer der Muth fehlte —
bei Vielen soll auch dies der Fall gewesen sein — so doch stets die nöthige
Disciplin, ohne welche es im Kriege einmal nicht geht. Jeder Anführer einer
solchen Schaar hat lieber auf eigene Faust operirt, wie sich den Befehlen des
Obercommandos gefügt, und die einzelnen Untergebenen sind dem Beispiele ihrer
Führer gefolgt. Ist doch der Italiener' noch ungleich redseliger und aufgelegter
zum Nenommiren und Aufschneiden, als der Deutsche. — „Ein Paar Ba¬
taillone von unsren LörsaKlic-rc; (Bergschützen) und einige gute schwere Batterien
haben den Oestreichern mehr geschadet, wie alle diese Haufen von Freischaaren
mit ihren rothen wallenden Federn auf den CalabreserHüten, mächtigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/335>, abgerufen am 27.09.2024.